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Eines der ideologischen Killerargumente gegen den Streik lautete, dieser schade der Konjunktur, dem Aufschwung, koste gar neue Arbeitsplätze.
Tatsächlich ist zu fragen: Wer ist "schuld" an mieser Konjunktur und hoher Erwerbslosigkeit?
Seit Anfang der 1990er Jahre gab es "moderate" Tarifabschlüsse. Gleichzeitig lagen in den Jahren
19932001 die Wachstumsraten immer deutlich im "grünen Bereich" bei durchschnittlich mehr als 2%. Die Reallöhne sanken im Zeitraum
19932000 um 6,5%. Die ausgewiesenen Nettogewinne der Kapitalgesellschaften stiegen jedoch um 85% und die Bezüge der Vorstände der Kapitalgesellschaften
erhöhten sich im Zeitraum 19912001 gar um mehr als 90%.
All dies waren Rahmenbedingungen, die nach den "Theorien" der "neutralen Wissenschaft" zu
einem veritablen Jobwunder führen müssten. Doch das Gegenteil trat ein: Seit 1992 stieg die offiziell ausgewiesene Arbeitslosenzahl um mehr als eine Million von 3
Millionen 1992 auf 4,2 Millionen im Jahresdurchschnitt 1998. In den ersten zwei "Schröder-Jahren", 1999 und 2000, ging sie leicht zurück auf 3,8
Millionen 2000. Seit 2001 steigt sie wieder. 2002 werden erneut 4 Millionen im Jahresdurchschnitt erreicht. Die Werte für April 2002 brachten sogar nochmals einen Anstieg
trotz der eigentlich wirkenden "saisonalen" Auftriebskräfte (Frühjahr) und trotz der vielfachen Beteuerungen, es gebe Aufschwungstendenzen. Im April
jedoch gab es noch keine Streiks.
Im übrigen sind die "neuen Bundesländer" selbstverständlich der schlagende Beweis
dafür, dass die hier angeführte "Wirtschaftstheorie" nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat: Das reale Netto-Lohn- und Gehaltsniveau liegt in Ostdeutschland
weiterhin gut um ein Viertel unter dem in Westdeutschland; gearbeitet wird zwei Stunden länger. Also müsste es dort ein Jobwunder geben. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht
nur liegt die Arbeitslosenquote im Osten deutlich höher als im Westen. Diese Kluft hat sich seit Beginn der Regierung Schröder auch noch vergrößert
von rund 1:2 im Jahr 1998 auf 1:2,2 im ersten Quartal von 2002.
Auch die aktuellen Rezessionstendenzen haben nichts mit einem "beschäftigungsfeindlichen Kurs" der
Gewerkschaften zu tun. Sie sind in erster Linie Ergebnis des internationalen Konjunkturzyklus, der seit Sommer 2001 (bereits vor dem 11.9. 2001) von rezessiven Tendenzen
geprägt ist. Wenn demnächst auch die deutschen Exporte zurückgehen sollten, dann hat dies mit der aktuellen Aufwertung des Euro und mit dem Handelskrieg
zwischen der US-Regierung und der EU zu tun.
In den vergangenen zwölf Jahren taten die Gewerkschaften fast alles, was die offiziell vorherrschende
Wirtschaftswissenschaft und die sog. "angebotsorientierte Wirtschaftstheorie" von ihnen verlangten. Sie haben dafür nicht nur nichts bekommen. Die soziale Kluft im
Lande wurde vielmehr größer. Die Arbeitslosigkeit stieg an. Die Gewerkschaften wurden massiv geschwächt und verloren Hunderttausende Mitglieder.
Wenn die Gewerkschaften in diesem Streik mehr Reallohn forderten und wenn sie dies in den anderen, noch laufenden
Tarifrunden tun, dann verlangen sie im Grunde nur eine bescheidene Rückverteilung von oben nach unten. Dass sie damit einen Aufschwung abwürgen würden, ist
absurd. Schließlich stellen höhere Löhne und Gehälter zwar beim einzelnen Unternehmen einen Kostenfaktor dar. Doch sie erhöhen zugleich die
Massenkaufkraft. Und ein Faktor für die aktuelle schlechte Konjunktur sind auch die gesunkenen Reallöhne, also die zurückbleibende Nachfrage.