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Der zweite Wahlgang der Präsidentschaftswahlen bestätigt die Einschätzung, dass der erste Wahlgang nicht einfach als eine
Rechtswende der französischen Gesellschaft und eine Niederlage der demokratischen und sozialen Bewegungen interpretiert werden darf (anders als die Wahlsiege von Reagan und
Thatcher in den frühen 80er Jahren). Das Ergebnis in absoluten Zahlen sagt hierüber mehr aus als die Prozentzahlen.
In der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen von 1995 erhielten die Linke und die radikale Linke zusammen
12,357 Millionen Stimmen; in der ersten Runde der Wahlen von 2002 lag ihr Ergebnis nur knapp darunter bei 12,22 Millionen. Die Rechte und die extreme Rechte
zusammengenommen hingegen hat zwischen den beiden Präsidentschaftswahlen fast 2 Millionen Stimmen verloren (sie sank von 18,022 auf 16,282 Millionen). Dabei sind die
Stimmen für die Partei der Jäger mitgezählt, die 1,2 Millionen Stimmen erhielt.
Die Regierungslinke (PS, PCF und Grüne) hat zusammengenommen 1,5 Millionen Stimmen verloren (sie sank von
10,741 auf 9,246 Millionen) dabei sind die 1,518 Millionen Stimmen für Chevènement mitgezählt.
Die parlamentarische Rechte hat rund 4 Millionen Stimmen verloren sie fiel von 13,45 auf 9,604 Millionen
Stimmen.
Das Wahlergebnis im ersten Wahlgang ist zu verstehen als eine Kombination mehrerer Faktoren: der mit 28% (1995 21%)
sehr hohe Anteil an Nichtwählern, die Erosion der parlamentarischen Parteien und die Verschiebung der Wählerstimmen innerhalb des rechten wie innerhalb des linken
Lagers. Alle drei Faktoren sind ein Anzeichen dafür, dass ein zunehmender Teil der Wählerschaft das bestehende politische System und die Parteien, die es vertreten,
ablehnen, aber auch ein Anzeichen dafür, dass die neoliberale Politik auf zunehmende Ablehnung stößt, ohne dass sich bereits eine klare Alternative dazu
herauskristallisiert hätte die natürlich auf der Rechten ebenso möglich ist wie auf der Linken.
Die extreme Linke (es gab drei trotzkistische Kandidaturen) hat 1,4 Millionen Stimmen hinzugewonnen (und ist von
1,616 auf 2,974 Millionen gestiegen). Die extreme Rechte hat 900000 Stimmen hinzugewonnen und ist von 4,571 auf 5,472 Millionen angestiegen.
Der Zuwachs für die extreme Rechte resultiert vor allem aus einer Wanderung der Wähler von Charles
Pasqua (27%), Alain Madelin (26%) und des neogaullistischen RPR (11%) zu Le Pen. Von denen, die angegeben haben, keiner Partei nahezustehen, haben 19% für Le Pen
gestimmt.
Erschreckend am Wahlergebnis Le Pens im ersten Wahlgang ist vor allem, dass er sich unter den sozial benachteiligten
Schichten als stärkste Kraft etablieren konnte: unter Erwerbslosen holte Le Pen 30%, unter Fabrikarbeitern 23% (Jospin holte gerade mal 11%). Seit den frühen 90er Jahren ist
Le Pen vor allem in den Vororten stark geworden, in denen die Arbeiterparteien die stärksten Einbrüche erlitten haben. Seine größten Erfolge lagen zwischen
1989 und 1995.
Unter den Themen, die am meisten Le-Pen-Wähler mobilisiert haben, sind die innere Sicherheit und die Migration
mit jeweils 74% und 60% die Spitzenreiter; Erwerbslosigkeit wird nur von 31% der Le-Pen-Wähler genannt.
Das Phänomen kann so interpretiert werden, dass jene Wähler, die sich für Le Pen entscheiden, nicht
(oder nicht mehr) an politische Lösungen der sozialen Probleme glauben. Die diffuse Gewalt in den Vororten erwächst aus der sozialen Prekarität und dem Erleben von
Ellenbogenmentalität.