SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2002, Seite 21

Remixes from the Elephant House

The Groove Corporation, Remixes from the Elephant House, Guidance/EFA

Abbie Hoffmann, verstorben 1989, war der geistige Vater der Spaß-Guerilla und der erste, der Tucholsky ("Macht Bücher billiger") toppen konnte, als er 1970 ein Buch veröffentlichte mit dem Titel Steal this book. Dario Fos Bezahlt wird nicht folgte erst 1974.
Steal this book, das unter anderem die Bauanleitung für Molotow-Coctails enthält, war 1970 wohl eines der ersten politischen Handbücher für Leute, die auf der Straße leben. Das Kapitel "Fuck New York" ist ein Überlebensplan für die Straßen dieser Stadt.
Es ist zu vermuten, dass der jamaikanische DJ Dillinger an dieses Kapitel anknüpfte, als er 1976 New York buchstabieren ließ: "A knife, a fork, a bottle and a cork, that‘s the way we spell New York." Diese als B-Seite für einen Ghetto-Motorrad-Song aufgenommene Produktion eroberte die Discos in den USA genauso wie in Europa.
Doch dieses Lied hat seine Tücken: Es ist manchmal verflixt, du stehst am Mischpult und hast den Basslauf im Kopf, der sich gerade an den Rhythmus der sich im Laufwerk drehenden Scheibe anschließen würde, dir fällt aber das Stück nicht ein. Genau: geklaut war sie, die Bass-Line in "Cocaine". Sie fand sich zuerst in einer eher unbedeutenden Diskonummer: "Anyway You Want It".
The Groove Corporation veröffentlichten auf der King size Dub 6 Compilation einen Remix von "Cocaine", der den Basslauf so gnadenlos herausstellte, dass der Ursprung deutlich wurde. Der Remix kam von dem Dub-Trio Brian Nordhoff, Joe Stevens und Rob Cimarosti. In ihrem Studio "The elephant house" in Birmingham mixen die drei seit Jahren alles kurz und klein, was in der Reggae- und Dub-Welt einen Namen hat. Im Frühjahr 2002 kam ihre dritte CD-Produktion auf den Markt, auf dem die Briten ihre "Cocaine"-Fassung erneut präsentieren.
Die verschlungenen Pfade des Remixes zeigen, warum der Bezug auf Abbie Hoffmann nicht zufällig ist. So remixen sie auf dieser Scheibe "Sunshine of your love", aber nicht das legendäre Original von Cream, sondern eine Fassung von Rockers Hi-Fi, die diese wiederum mit der Unterstützung von Ella Fitzgerald aufgenommen hatten.
Ist also Dub hier wirklich die beabsichtigte Dekonstruktivität der Musik? Oder ist es einfach die technische Spielerei, die unter den Händen von Brian Nordhoff, Joe Stevens und Rob Cimarosti an den Reglern wieder einmal das Kunstwerk klüger werden lässt, als es die Künstler selber sind?
Ab und zu verschließt sich vielleicht dem Zuhörer oder der Zuhörerin auch die Message. So erscheint mir der Remix des Peter-Tosh-Stücks "Legalize it" in der Fassung von UB 40 so, als hätten die drei unbedingt die CD vollkriegen müssen und partout nicht das Original vermischen wollen. Aber das ist eine wirkliche Ausnahme. Egal ob Bob Marleys "Put it Down" oder Ennio Moricones "Giocoso, Giocoso" aus Spiel mir das Lied vom Tod, Groove Corporation bereiten die Musik für das 21.Jahrhundert auf.
Die im Nachhinein flach klingenden Originale werden in höchste Höhen und abgrundtiefe Bässe getragen und bekommen so eine neue Dynamik. Durch die ganze Spielwiese der Effekte wandeln die drei aus Birmingham teilweise mit schlafwandlerischer Sicherheit, dass es einen wundert, warum sie gerade an genau der Stelle ein Echo setzten und dort den Hall aufdrehen. Beim zweiten Hören fällt ins Ohr: genau so ist der Effekt zu setzen und nicht anders.
Ähnlich, wie in der Architektur, in der der Dekonstruktivismus oft etwas schief wirkt und durch die verschiedenen Materialien, die Verwendung finden, bewusste Brüche herbeigeführt werden, führt die Arbeitsweise im Dub hier erst beim mehrmaligen Hinhören zu einem harmonischen Neuen.
Auch bei Remixes from the Elephant House werden vorgegebene Formen gebrochen, durch Überraschendes ergänzt und Strukturen neu interpretiert. Dabei ist es bezeichnend, dass auf dieser CD Hits verarbeitet, auseinandergenommen und zu einem Neuen verbunden werden und dabei genau zugrundeliegende Strukturen des Ausgangsmaterials herausgearbeitet werden, die erst durch den Remix zu Tage kommen.
Dass die 13 Titel dieser Scheibe dann auch noch enorm tanzbar und unterhaltsam sind, sollte auf jeden Fall noch erwähnt werden. Dass dies für Außenstehende weiterhin das Chaos bedeutet, würde Abbie Hoffman sicherlich heute zum Fan der Dub-Musik werden lassen.
Tommy Schroedter


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