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Eon bekommt durch besondere Ministererlaubnis das Recht, Ruhrgas zu erwerben. Das Geschäft der
Größten der Energie-Branche kann damit den höchsten Segen erhalten, der optisch möglich erscheint: Die wettbewerbswidrige
Monopolstellung von Eon-Ruhrgas sei "gemeinnützig" und damit möglich trotz des Verbots des Kartellamts und des
Widerspruchs der Monopolkommission. Ein einmaliger Vorgang in der Bundesrepublik, der ein Schlaglicht auf die wahren politischen und ökonomischen
Machtverhältnisse wirft.
Erinnern wir uns: Der parteilose Werner Müller wird 1998 Wirtschaftsminister im
Kabinett Schröder. Vorher war er im Vorstand des Energiekonzerns VEBA. Mit ihm wird die weitere Liberalisierung des Energiemarkts betrieben, die
Stromkonzerne bereiten sich auf die Neuaufteilung der europäischen Märkte vor.
Ruhrgas, seit langem Spitzenreiter im osteuropäischen Erdgasgeschäft mit
direkten Pipelines aus Russland, ist einer der größten europäischen Erdgaskonzerne und insoweit Konkurrent der VEBA, die Strom
hauptsächlich aus Kernenergie und Steinkohle gewinnt. Ruhrgas ist verflochten mit anderen Energiekonzernen wie Gelsenberg (Deutsche BP) und
Ruhrkohle.
Im Jahr 2000 fusioniert VEBA mit dem süddeutschen Energiekonzern Viag zu
Eon, womit der Strommarkt in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, weiten Teilen Hessens, Bayerns sowie in Teilen von Brandenburg, Mecklenburg-
Vorpommern und Thüringen in einer Hand ist. Das ist Liberalisierung, wie sie tatsächlich gemeint ist; es gibt nur noch einen wichtigen
Konkurrenten, die RWE. Zwei weitere Konkurrenten betrachtet selbst das Kartellamt als nicht in der Lage, ernsthaft gegen die beiden Großen zu bestehen.
In dieser Situation plant Eon die Einverleibung des Gasgeschäfts, somit eines
weiteren scheinbaren Konkurrenten. Der RAG, früher Ruhrkohle AG, der 25% von Ruhrgas gehören, wird zum Austausch die Degussa angeboten,
ein Chemiegroßkonzern aus der früheren Hüls AG (VEBA-Tochter) und der alten Degussa. Da die RAG solch einen Tausch nicht bezahlen
könnte, gibt Eon (Muttergesellschaft der RAG) ihr einen Kredit von 2 Mrd. Euro.
Dieses Monopoly-Spiel kennt nur einen Gewinner: den Eon-Konzern. Und der hat nicht
nur rechtzeitig aus den eigenen Reihen einen Wirtschaftsminister in Berlin platziert, auch Finanzminister Eichel trägt seinen Teil zum Gelingen des Deals
bei: die steuerliche Freistellung des Gewinns aus dem Verkauf von Beteiligungen. So schön kann Kapitalismus sein!
Wirtschaftsminister Müller hat rechtzeitig vor Beginn des Verfahrens, in dem die
Monopolkommission und das Bundeskartellamt "Nein" gesagt hatten, die Entscheidung über eine Ministererlaubnis an seinen
Staatssekretär Tacke weitergegeben als ob das "Geschmäckle" nicht auch so groß genug wäre.
Eine Ministererlaubnis zu einer verbotenen wettbewerbswidrigen Fusion kann ergehen, wenn
sie im überragenden Interesse der Allgemeinheit liegt das muss der Wirtschaftsminister erst mal begründen!
Hier wird nicht nur der Wettbewerb auf den Energiemärkten, der schon vorher kaum
bestand, weiter eingeschränkt, sondern politisch willkürlich der Vernichtung von Arbeitsplätzen, vor allem bei den benachteiligten
Konkurrenzfirmen, Vorschub geleistet. Die Verhältnisse auf dem Gasmarkt haben für die Verbraucher zu ständig steigenden Preisen
geführt. Die Konzerne schaffen sich einen politischen Einfluss, der weder durch Wahlen gesteuert, noch durch die institutionell vorgesehenen Kontrollen
(Kartellamt, gerichtliche Überprüfung von Entscheidungen) beschränkt wird.
Diese Ministererlaubnis zeigt einen Stand sozialdemokratisch geführter
Wirtschaftspolitik, der mit den Reden über "Wettbewerb als Fundament der Marktwirtschaft" oder womöglich mit der sozialen Frage
nicht einmal mehr in Ansätzen etwas zu tun hat.
Müller, rechtzeitig in die Regierung gebracht, rechtzeitig in den Schatten getreten, hat
für Eon seine Hausaufgaben gemacht. In den Chefetagen sollten mal wieder die Sektkorken knallen. Aber: das Oberlandesgericht Düsseldorf
hat kürzlich doch tatsächlich noch einmal den Daumen drauf gehalten und den Vollzug vorläufig gestoppt. Wir sind gespannt, wie das Gericht
nun mit dem von Staatssekretär Tacke geförderten Gemeinwohl umspringt…