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Beim Wettlauf um gute medizinische und pflegerische Qualität haben diejenigen die Nase vorn, die es sich leisten
können. Fast 8 Millionen Privatversicherte und weitere 7,5 Millionen privat Zusatzversicherte sichern sich in den Kliniken die Behandlung durch den
Chefarzt und die Unterbringung in einem Zimmer, das einem einfachen Hotel vergleichbar ist.
Im Auftrag der Krankenhausmanager wurden die Wünsche dieser interessanten
Kundschaft erforscht und kalkuliert. Prof. Dr. Wilfried von Eiff berichtet also Anfang des Jahres in der Krankenhaus-Umschau über Qualität und
Seriosität der Premiumangebote im Gesundheitswesen. Sein Ergebnis: Die Gutbetuchten wünschen sich für ihre Versorgung
grundsätzlich das gleiche, was wohl alle Menschen erwarten, wenn sie ins Krankenhaus müssen:
Bestmögliche medizinische Kompetenz,
individuelle Betreuung in Form von Information, Personalverfügbarkeit,
Freundlichkeit,
Wahrung der Intimsphäre durch räumlich-funktionale, hotelähnliche Leistungen wie jederzeitiger Zugang zu Bad und Toilette, störungsfreier Aufenthalt im Zimmer etc.
Der entscheidende Unterschied ist die Privatpatienten beschweren sich eher.
Angesichts der täglichen Mangelmeldungen aus den örtlichen Kliniken, von überfüllten Stationen, überlasteten Schwestern,
übernächtigten Ärzten, sind viele Kassenpatienten offenbar schon erleichtert, wenn sie immer noch besser behandelt werden als
befürchtet. Doch die Wahlleistungspatienten erwarten eben auch hier Überdurchschnittliches, und dies ohne Mängel.
Und sie bekommen etwas für ihr Geld. Zum einen gibt es tägliche
Zimmerreinigung, regelmäßig frische Bettwäsche, Fernsehen, Telefon, Tageszeitung, einen befüllten Kühlschrank… Aber sie
erhalten eben auch mehr Zuwendung vom Pflegepersonal, ausführliche Gespräche mit den erfahrendsten Ärzten, Besuche vom
Hauspsychologen.
Der Dienstleistungsanteil auf einer Station der I.Klasse ist, so von Eiff, um 25% höher
als auf Regelleistungsstationen. Die neuen Preismodelle werden die Liegezeiten drastisch verkürzen. Dies drängt die Bedeutung des Hotelkomforts
weiter zurück zugunsten solcher medizinischer und kommunikativer Qualität.
"Tun Sie Ihr Möglichstes lassen Sie bitte nichts unversucht!" Weil
sich jeder mit diesem Wunsch in die Hände der medizinischen Spezialisten begibt, wittern Wirtschaftsstrategen wie der Chefökonom der Deutschen
Bank, Norbert Walter, im Gesundheitsmarkt eine gewaltige Wachstumslokomotive. Angebote und Nachfrage sollen, so Walter, endlich entfesselt werden
für all jene, die eine Wahl haben und sich nicht mit dem "notwendigen" zufrieden geben müssen. Da winken vortreffliche
Geschäfte.
In ihren teuren Anzeigen, provokanterweise auch in der Ver.di-Zeitung Publik im Mai,
verweisen Privatversicherungen auf den "überproportionalen Finanzierungsbeitrag der Selbstzahler im Gesundheitswesen". Tatsächlich
kaufen sie für jeden ihrer privaten Kunden Gesundheitsleistungen für 3400 Euro im Jahr ein.
Die gesetzlich Versicherten kommen dagegen deutlich billiger weg pro GKV-
Versicherten inkl. aller familiär Mitversicherten werden nur 2250 Euro ausgegeben. Dieser krasse Unterschied lässt sich nicht allein aufklären
mit den überhöhten Werbungskosten der Privaten, deren schlechten Kostenkontrolle oder der Abzocke der Chefärzte. Privatpatienten erhalten
offensichtlich die qualitativ bessere Versorgung im Krankenhausalltag.
Der Anteil des gesellschaftlichen Reichtums, der für unsere Gesundheitsversorgung
ausgegeben werden soll, mag begrenzt sein. Warum aber dürfen sich diejenigen, die zum reicheren Sechstel der Bevölkerung gehören, aus
diesem Kuchen die dickeren und besseren Stücke herausschneiden? Der "Luxus" einer qualitativ bestmöglichen Versorgung darf nicht
Privatsache bleiben. Gesundheit darf nicht weiter zur Ware werden.
Tobias Michel