SoZ Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2002, Seite 11

Was den Privatpatienten recht ist...

Qualität im Zwei-Klassen-Krankenhaus

Beim Wettlauf um gute medizinische und pflegerische Qualität haben diejenigen die Nase vorn, die es sich leisten können. Fast 8 Millionen Privatversicherte und weitere 7,5 Millionen privat Zusatzversicherte sichern sich in den Kliniken die Behandlung durch den Chefarzt und die Unterbringung in einem Zimmer, das einem einfachen Hotel vergleichbar ist.
Im Auftrag der Krankenhausmanager wurden die Wünsche dieser interessanten Kundschaft erforscht und kalkuliert. Prof. Dr. Wilfried von Eiff berichtet also Anfang des Jahres in der Krankenhaus-Umschau über Qualität und Seriosität der Premiumangebote im Gesundheitswesen. Sein Ergebnis: Die Gutbetuchten wünschen sich für ihre Versorgung grundsätzlich das gleiche, was wohl alle Menschen erwarten, wenn sie ins Krankenhaus müssen:

  • Bestmögliche medizinische Kompetenz,

  • individuelle Betreuung in Form von Information, Personalverfügbarkeit, Freundlichkeit,

  • Wahrung der Intimsphäre durch räumlich-funktionale, hotelähnliche Leistungen wie jederzeitiger Zugang zu Bad und Toilette, störungsfreier Aufenthalt im Zimmer etc.

    Der entscheidende Unterschied ist — die Privatpatienten beschweren sich eher. Angesichts der täglichen Mangelmeldungen aus den örtlichen Kliniken, von überfüllten Stationen, überlasteten Schwestern, übernächtigten Ärzten, sind viele Kassenpatienten offenbar schon erleichtert, wenn sie immer noch besser behandelt werden als befürchtet. Doch die Wahlleistungspatienten erwarten eben auch hier Überdurchschnittliches, und dies ohne Mängel.
    Und sie bekommen etwas für ihr Geld. Zum einen gibt es tägliche Zimmerreinigung, regelmäßig frische Bettwäsche, Fernsehen, Telefon, Tageszeitung, einen befüllten Kühlschrank… Aber sie erhalten eben auch mehr Zuwendung vom Pflegepersonal, ausführliche Gespräche mit den erfahrendsten Ärzten, Besuche vom Hauspsychologen.
    Der Dienstleistungsanteil auf einer Station der I.Klasse ist, so von Eiff, um 25% höher als auf Regelleistungsstationen. Die neuen Preismodelle werden die Liegezeiten drastisch verkürzen. Dies drängt die Bedeutung des Hotelkomforts weiter zurück zugunsten solcher medizinischer und kommunikativer Qualität.
    "Tun Sie Ihr Möglichstes — lassen Sie bitte nichts unversucht!" Weil sich jeder mit diesem Wunsch in die Hände der medizinischen Spezialisten begibt, wittern Wirtschaftsstrategen wie der Chefökonom der Deutschen Bank, Norbert Walter, im Gesundheitsmarkt eine gewaltige Wachstumslokomotive. Angebote und Nachfrage sollen, so Walter, endlich entfesselt werden für all jene, die eine Wahl haben und sich nicht mit dem "notwendigen" zufrieden geben müssen. Da winken vortreffliche Geschäfte.
    In ihren teuren Anzeigen, provokanterweise auch in der Ver.di-Zeitung Publik im Mai, verweisen Privatversicherungen auf den "überproportionalen Finanzierungsbeitrag der Selbstzahler im Gesundheitswesen". Tatsächlich kaufen sie für jeden ihrer privaten Kunden Gesundheitsleistungen für 3400 Euro im Jahr ein.
    Die gesetzlich Versicherten kommen dagegen deutlich billiger weg — pro GKV- Versicherten inkl. aller familiär Mitversicherten werden nur 2250 Euro ausgegeben. Dieser krasse Unterschied lässt sich nicht allein aufklären mit den überhöhten Werbungskosten der Privaten, deren schlechten Kostenkontrolle oder der Abzocke der Chefärzte. Privatpatienten erhalten offensichtlich die qualitativ bessere Versorgung im Krankenhausalltag.
    Der Anteil des gesellschaftlichen Reichtums, der für unsere Gesundheitsversorgung ausgegeben werden soll, mag begrenzt sein. Warum aber dürfen sich diejenigen, die zum reicheren Sechstel der Bevölkerung gehören, aus diesem Kuchen die dickeren und besseren Stücke herausschneiden? Der "Luxus" einer qualitativ bestmöglichen Versorgung darf nicht Privatsache bleiben. Gesundheit darf nicht weiter zur Ware werden.

    Tobias Michel



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