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Anfang März erschien das Buch attac. Was wollen die Globalisierungskritiker? Geschrieben haben es Christiane Grefe,
Zeit-Autorin; Harald Schumann, Autor des Bestsellers Die Globalisierungsfalle (1996), und Matthias Greffrath, freier Journalist und nebenbei auch Mitglied in
der SPD-Grundwertekommission. Das Buch ist lebendig geschrieben, kombiniert mit harten Fakten und vielen Reportageelementen, kurzum: unterhaltsam. Es ist
das erste Buch über die Attac-Bewegung auf deutsch.
Die Autoren beschreiben den Aufstieg der globalisierungskritischen Bewegung ab der
Auseinandersetzung um das MAI-Abkommen. Forderungen der Bewegung werden vorgestellt: Dabei orientieren sie sich jedoch meist an den
gemäßigteren Positionen. Nicht immer wird klar, ob es sich um die Position der Autoren oder eines Teils der Bewegung handelt. So meinen sie,
"wer einer generellen Abschaffung der beiden Institutionen das Wort redet, steht nicht besser da als die Schreibtischtäter in Washingtons
19.Straße. Denn für die Basisaufgaben, das Management von Zahlungsbilanzrisiken und die Entwicklungsfinanzierung, sind IWF und Weltbank
unverzichtbar."
Eine Reform sei möglich, wenn "eine Umverteilung der Anteile und
Stimmengewichte in diesen Institutionen zugunsten der Schwellen- und Entwicklungsländer" stattfände. Der IWF könne dann wieder in
seine ursprüngliche Funktion zurückgeführt werden, nämlich "Finanzkrisen zu vermeiden und abzuwenden". Heute seien
IWF, Weltbank und WTO in erster Linie Instrumente des US-Finanzkapitals.
Die US-Regierung benütze diese Institutionen, um nationale Ökonomien zugunsten
der US-Konzerne aufzubrechen. So sei das gesamte Management der Asienkrise 1997/98 vom US-Handelsministerium gelenkt und Länder wie Thailand,
Südkorea und Indonesien durch die IWF-Notprogramme dem westlichen Kapital ausgeliefert worden. "Zu keinem Zeitpunkt haben die IWF-
Experten auch nur erwogen, ebenfalls all jene Banken zur Kasse zu bitten, die durch ihre bedenkenlose Kreditvergabe mindestens die Hälfte der
Verantwortung für das Desaster trugen."
Soweit so gut. Durch das Buch zieht sich jedoch als roter Faden, dass es in erster Linie die
USA und ihre Konzerne sind, die für die desaströsen Folgen der Globalisierung verantwortlich sind. Die Verantwortung der EU und
europäischer Regierungen oder Konzerne wird kaum benannt.
Die Tatsache, dass nach dem Aufbrechen der Märkte deutsche Unternehmen mit
über
2 Millionen Dollar 1998 fast doppelt soviel in Südkorea anlegten wie in den 35 Jahren
davor, wird zwar aufgezählt, an dem Bild des Hauptverantwortlichen USA ändert das aus Sicht der Autoren jedoch nichts.
Ob die EU-Länder im IWF Alternativen zur Strategie der USA vorgelegt haben,
interessiert sie erst gar nicht. Stattdessen wird gemutmaßt, dass europäische Banker einer Demokratisierung dieser Institutionen offen
gegenüberstehen. Auch Kritiker wie der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Joseph Stiglitz, werden bemüht, um zu belegen, dass es im
bürgerlichen Lager immer mehr Unterstützer für die Anliegen der Globalisierungskritiker gibt.
Die Autoren sehen zwar, dass die EU-Regierungen bisher nichts unternahmen, wie sie
beschönigend schreiben. Doch in Wirklichkeit machen die EU-Regierungen schon etwas, nämlich genau derselben neoliberalen
ökonomischen Logik folgen, wie es die US-Regierung macht. So war es maßgeblich die EU, die bei den WTO-Verhandlungen in Doha im
November 2001 eine neue weltweite Liberalisierungsrunde durchsetzte.
Auch steht auf EU-Ebene eine neue Runde von Privatisierungen der öffentlichen Dienste
und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte an. Doch auch hier ist es für die Autoren wieder in erster Linie die US-Wirtschaft, die diese weltweit
Liberalisierungspolitik durchsetzt.
Die deutsche und die französische Regierung sollten daher auf ihre Versprechen
hinsichtlich einer humaneren Globalisierung festgelegt bzw. entsprechende Resultate eingefordert werden. Deshalb sei es die zentrale Aufgabe der neuen
sozialen Bewegung, eine breite Unterstützung für reformwillige Politik zu organisieren. Andernfalls gingen alle Reformansätze
welche das sind, sagen sie nicht der rot-grünen Regierung flöten.
Im Prinzip schlagen die Autoren als Strategie gegen die negativen Folgen der Globalisierung
ein breites Bündnis zwischen globalisierungskritischer Bewegung und Teilen der Bourgeoise für einen humaneren Kapitalismus vor. Diese Strategie
unterstellen sie der globalisierungskritischen Bewegung im Allgemeinen und Attac im Besonderen. Tatsächlich verliert diese Position, die ja durchaus in
der globalisierungskritischen Bewegung vorzufinden ist, dort zunehmend an Boden.
Auf ein wichtiges Problem, dass sich der Bewegung stellt, die in ihrer realen Politik und ihrer
Dynamik weiter links steht, als es die Autoren beschreiben, weisen die Autoren nicht hin: Wie die neue Bewegung einen politischen Ausdruck jenseits der Logik
des kleineren Übel finden und das politische Kräfteverhältnis in den Gesellschaften verändern kann. Die Autoren sehen die Bewegung
vielmehr als eine notwendige Korrektur der Politik der etablierten Parteien, als eine Bewegung zur Erneuerung der bürgerlichen Demokratie.
Andere Ansätze, Strategien und Diskussionen innerhalb der Bewegung und in Attac
werden in dem Buch nicht einmal erwähnt. Hier hilft der Dokumentationsband Eine andere Welt ist möglich! weiter: Dort können die
wichtigsten Themen und Positionen vom Attac-Kongress im Herbst 2001 noch einmal nachgelesen werden.
Sascha Kimpel