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Wohin eine Regierungsbeteiligung in einem kapitalistischen Land unter den Bedingungen neoliberaler Politik führt,
konnte man nicht nur in den letzten fünf Jahren in Frankreich anhand des Niedergangs der Französischen Kommunistischen Partei (PCF) sehen. Die
PCF wird sich davon nicht mehr erholen, und mittlerweile ist eine Konkurrenz in Gestalt der extremen Linken herangewachsen, die aktiv die Neukonstituierung
einer antikapitalistischen Linken vorantreibt.
Bis in Deutschland eine neue antikapitalistische Kraft entsteht, die in der Lage ist mit
revolutionärer Realpolitik Hunderttausende zu erreichen, wird es wohl noch eine Weile dauern. Die Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin sowie die
Option auf eine Unterstützung von Gerhard Schröder bei der Kanzlerwahl lässt ein Szenario wie in Frankreich jedoch immer wahrscheinlicher
werden.
Das heißt, die PDS ist für sozialistische Politik verloren, denn sie hat für
sich entschieden "auch ein wenig Arzt am Krankenbett des Kapitalismus" zu sein, wie es der Berliner PDS-Landes- und Fraktionsvorsitzende Stefan
Liebig hinsichtlich der Berliner Politik vor kurzem trefflich beschrieb. Der kürzlich zurückgetretene Wirtschaftssenator Gysi nannte das
"Krisenverwaltung". Die betreibt die PDS gegen die Interessen der Berliner Lohnabhängigen und Erwerbslosen.
Doch der soziale Widerstand von Beschäftigten und in der Berliner Bevölkerung
gegen die rot-rote Kürzungspolitik nahm in den letzten Monaten zu, und es ist vor allem die PDS, die dabei an Wählerzuspruch verliert. Bei
Umfragen hat sich ihr Stimmenanteil im Vergleich zur Bundestagswahl knapp halbiert, hinsichtlich der Abgeordnetenhauswahl gar auf ein Drittel eingedampft.
Die Demoralisierung an der Parteibasis nimmt seit Monaten zu: Erst die
Risikoübernahme der Bankgesellschaft, dann der Beschluss der Kürzungshaushalts 2002/2003 und als Krönung der Rücktritt von
Gregor Gysi als Wirtschaftssenator. Noch vor dem Rücktritt Gysis auf einer PDS-Landeskonferenz Ende Juni hatte die Parteibasis die Chance der Berliner
Parteiführung Kontra zu geben, was auch teilweise geschah.
Der Großteil der Basis zog er jedoch vor, zu Hause zu bleiben, so dass über die
Hälfte der Stühle leer blieb. Gysi Kommentar gegenüber den Kritikern war, diese sollten endlich "aufhören rumzumaulen".
Wenn Liebig nach der Landeskonferenz meinte, "offenbar findet die Basis uns besser, als wir selbst gedacht haben", oder der stellvertretende
Landesvorsitzende Udo Wolf nach dem Rücktritt Gysis sagte, dass die Probleme der PDS in erster Linie "Kommunikations- und
Vermittlungsprobleme" seien, dann zeigt das, dass die Berliner PDS-Führung an ihrem Kurs unbeirrt festhalten will.
Unterstützung erhalten die Berliner Genossen dabei vom Bundesvorstand und der
Vorsitzenden Gabi Zimmer. Das Marxistische Forum und die Kommunistische Plattform sind zwar verbal gegen die neoliberale Kürzungspolitik des
Senats, aber haben noch kein einziges Mal den Austritt der PDS aus der Koalition gefordert, was die logische Konsequenz ihrer Kritik wäre. Es blieb dem
über 80-jährigen Mitglied des PDS-Ältestenrats Friedrich Wolff überlassen, genau diesen Austritt zu fordern.
Mit der "Initiative Berliner Bankenskandal" (IBB) und dem "Linken
Ratschlag" (LR) gegen die rot-rote Kürzungspolitik ist es jetzt gelungen, eine soziale und politische Opposition in der Bundeshauptstadt zu initiieren.
Die IBB konnte den Senat hinsichtlich der Fondszeichner-Problematik erfolgreich unter Druck setzen, was insbesondere Harald Wolf, dem
Fraktionsvorsitzenden und neuem Wirtschaftssenator, einige Kopfzerbrechen bereitet hat, der daraufhin einzelne Personen der IBB attackierte.
Für ihn ist klar, dass die außerparlamentarische Linke und Attac nichts von der
Materie verstehen und nur Parolen dreschen. Wenn es auch nicht so leicht sein wird, massiven Druck auf den Senat in den nächsten Monaten
auszuüben, so stellen sich die IBB und der LR jedoch auf eine längerfristige Auseinandersetzung ein und werden politikfähige Alternativen
formulieren. Überhaupt nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass die Kitas und der öffentliche Dienst in den nächsten Monaten wieder streiken
werden und andere soziale Bereiche in Bewegung kommen.
Am 7.September soll der heiße Herbst eingeleitet werden, mit einem Spaziergang vor
den Häusern von Bankern im Villenviertel im Grunewald. Am 5.Oktober folgt ein Tag des sozialen Protestes. Harald Wolf und seine PDS werden sich
also noch öfters mit ihren Kritikern beschäftigen müssen.
Sascha Kimpel