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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2002, Seite 14

Babcock-Pleite

Aus im Rüstungspoker

Der Babcock-Konzern steht vor dem Aus: nur 12000 der 22000 Beschäftigten behalten ihre Arbeit im Konzern; die Restbelegschaft wird ab dem 1.Oktober in eine Auffanggesellschaft überführt; 1,4 Milliarden Euro stehen auf dem Spiel; über 60 der 300 Konzernteile haben bisher Insolvenz angemeldet.
Den Dreh- und Angelpunkt dieser Pleite bildete der Verkauf der Marinewerft HDW an die US- Gesellschaft One Equity Partners (OEP). Vollkommen überraschend trennte sich Babcock nach einem Beschluss des Aufsichtsrats von 50% seines Anteils am Unternehmen — insgesamt 25% der HDW. Dieser Entschluss entbehrte jeglicher Logik: Babcock war dringend auf die Werften für die Gesamtfinanzierung des Konzerns angewiesen. Die HDW, Weltmarktführer auf dem Feld der konventionell betriebenen Unterseeboote, verzeichnete 2000/2001 ein Rekordauftragsvolumen von 5 Milliarden Euro und 3000 Beschäftigte.
Den Todesstoß versetzte dem Konzern schließlich die TUI AG. Der Reiseunternehmer ist über seine Tochter Preussag zu 50% an den Werften beteiligt und entschloss sich im Juni, seinen Anteil ebenfalls an die OEP zu verkaufen. Babcock sicherte sich mit 25% plus eine Stimme zwar die Sperrminorität, aber auf die Unternehmenspleite hatte dies keinerlei Einfluss mehr. Klaus Lederer, Ex-Vorstandsvorsitzender, der den Deal mit der OEP durchführte, verließ Babcock rechtzeitig und zog sich ganz auf seinen Vorstandsposten bei HDW zurück.
Trotz der Reichweite zog Lederer das Geschäft ohne Rücksprache mit anderen Gremien durch. Er hielt einen Beschluss der Aktionärshauptversammlung damals für unnötig. Die Quittung folgte, wenn auch für den Konzern zu spät: Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz stellte Strafanzeige gegen den Manager. Der Vorwurf lautet auf Insolvenzverschleppung und Untreue. Sie wirft ihm vor, den Konzern wissentlich in die Zahlungsunfähigkeit getrieben zu haben.
Die Gläubigerbanken reagierten prompt und drehten dem Konzern den Geldhahn zu. Das schnelle Ende der Verhandlungen "verdankt" Babcock hierbei in erster Linie dem Commerzbank-Vorstand Wolfgang Hartmann. Dieser erklärte, der Konzern sei "weder sanierungsfähig noch -würdig". Der Fall Babcock steht aber für weitaus mehr, als "nur" für eine Konzernpleite. Innenpolitisch glaubt man die deutsche (Rüstungs-) Industrie schon fast verloren: Einen "Ausverkauf nationaler Fähigkeiten" beschwor der konservative Blätterwald. Aber auch die Gewerkschaften — anstatt über Strategien der Konversion zu reden — stimmten in den Chor ein und bedauern die fehlenden Aufträge seitens des Bundes, die scharfen Exportrestriktionen und die schleppende nationale Konsolidierung und europäische Neuordnung im Rüstungssektor.
Diese vielbeschworene "Gefahr" ist nicht von der Hand zu weisen: Nach Übernahme des spanischen Unternehmens Santa Barbara — das im Besitz einer Lizenz für den deutschen Panzer Leopard II ist — durch einen US-Konzern, und dem jetzigen HDW-Verkauf, zeigen US-Investoren reges Interesse an dem von Siemens gehaltenen 49%-Anteil an Krauss-Maffai Wegmann sowie an Rheinmetall.
Babcock wird so zum Opfer zweier widersprüchlicher Entwicklungen: Der Konzern gerät unter die Räder eines korrupten Managements, dem die Arbeitsplätze egal sind, und einer rüstungspolitischen Lobby, die auf den Pfad der Wettbewerbs-, Interventions- und Kooperationsfähigkeit zurück will.

Dirk Krüger


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