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Wie schnell Politik und Presse ihre sonst so geschätzte Contenance verlieren, zeigte sich Ende Juli. Von
"Pogrom" und "Hexenjagd" war die Rede, als die Initiative Berliner Bankenskandal knapp 180 vermögende Zeichner der
berüchtigten Immobilienfonds der bankrotten Bankgesellschaft Berlin öffentlich anschrieb und höflich bat, auf Teile ihrer Gewinne zu
verzichten. Die wütenden Reaktionen verdeutlichten eines: Die von Attac und dem Politik-Professor Peter Grottian von der FU ins Leben gerufene
Initiative hatte in ein Wespennest gestoßen.
Der Skandal, der auf die Agenda katapultiert wurde, besteht in der gigantischen Sozialisierung
privater Verluste (vgl. SoZ 4/02). Mit einer Bürgschaft in Höhe von 21,66 Milliarden Euro hatte das Abgeordnetenhaus Anfang April die
"Immobiliendienstleistungsgeschäfte" der Bankgesellschaft für die nächsten 30 Jahre abgesichert. Jeder Berliner ob Kind
oder Greis wird so mit 6000 Euro an den sittenwidrigen und teils kriminellen Geschäften der Banker beteiligt.
Doch trotz Verabschiedung der Risikoübernahme sieht der Bankenrechtsexperte Prof.
Hans-Peter Schwintowski weiteren Spielraum: So könnten die Mietgarantien, die 2530 Jahre betragen, auf fünf Jahre gesenkt werden.
Marktübliche Bedingung wären es auch, am Ende der Laufzeit nur den Marktwert der Immobilien auszuzahlen und die Rendite abzusenken. Eine
solche Anpassung hält Schwintowski nicht nur für rechtlich möglich, sondern auch für dringend geboten: Verträge, die
ausschließlich zu Lasten der Steuerzahler gingen, verstießen gegen das im Grundgesetzt verankerte Äquivalenzprinzip.
Mit dem Vorstoß der Initiative wurden auch die politischen Koordinaten der Stadt mächtig durcheinander gewirbelt. Der CDU-Fraktionsvorsitzende
Steffel signalisierte aus dem Mallorca-Urlaub Unterstützung, überholte den rot-roten Senat von links und löste mit Angriffen gegen die
Landowski-Getreuen einen heftigen Machtkampf in der Berliner CDU aus. Selbst die SPD signalisierte Einsicht. Allein die PDS blieb beim altbekanntem:
There is no alternative.
Auch bei der Frage des Verkaufs der Bankgesellschaft machen die regierenden Sozialisten
einen denkbar unglücklichen Eindruck. Während der Bundesvorstand von Ver.di (der Landesverband ist aufgrund der Verstrickung führender
Funktionäre handlungsunfähig) einen Verkauf an private Investoren strikt ablehnt, soll es nach Auffassung der PDS zum Totalverkauf der
Bankgesellschaft, also der Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Sparkasse, wieder mal keine Alternative geben.
Dagegen lehnt die CDU einen sofortigen Verkauf der Bankgesellschaft aus guten
Gründen ab. Die Hauptverantwortlichen für Filz, Korruption und Bankenpleite sehen zurecht die Gefahr, dass die Investoren nicht die Altrisiken
übernehmen werden. Letztlich bleibe der Steuerzahler auf den Risiken sitzen. Zudem sei zu befürchten, dass "der Preis in den Keller"
verhandelt wird.
Aber es kommt noch schlimmer: Aus dem Kreis der Investoren sickerte bereits die Forderung
nach weiteren Bürgschaften durch. Für die Kritiker der Risikoübernahme kommt das nicht überraschend. Sie gingen bereits im April
davon aus, dass die Bankgesellschaft ohne Teilinsolvenzen bspw. der Immobilientöchter nicht sanierbar sei. Das aber hätte geheißen, die
Fondszeichner und westdeutschen Großbanken an den Sanierungskosten zu beteiligen. Aber bevor die Renditen der Deutschen Bank auf Jahre in den
Keller gehen, verpfänden auch Sozialisten lieber ein ganzes Land.
Wie riskant ein Einstieg in die Bankgesellschaft ist, verdeutlichte die NordLB, die es ablehnte,
für die komplette Bankgesellschaft ein Angebot vorzulegen. Sie ist nur noch an der Sparkasse interessiert. Beim Bieterverfahren ist jedenfalls eines sicher:
Es findet unter Ausschluss der Berlinerinnen und Berliner statt. Eine kritische Gegenöffentlichkeit, die über das beste Konzept und
wohlmöglich den Erhalt der Sparkasse streiten könnte, wird so konsequent auf ein Minimum reduziert.
Es verdichten sich die Hinweise, dass die Vorstände der Immobilientöchter IBG
bereits seit 1997 über unkalkulierbare Risiken informiert waren und die international tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO die
Bilanzen jahrelang wissentlich falsch testierte. Damit wäre der Straftatbestand des Bilanzbetrugs erfüllt und das Land hätte Anspruch auf
Schadenersatz in Milliardenhöhe. Das Handelsblatt titelte: "Methoden wie bei Enron".
Aber es kommt noch dicker: so wurde bekannt, dass die Regierenden Bürgermeister
Diepgen und Wowereit auf den Skandal aufmerksam gemacht wurden, ohne zu reagieren. Zurecht forderten die Grünen nun, Diepgen und Wowereit vor
den Untersuchungsausschuss zu laden. Auf die Frage eines Journalisten musste der Ausschussvorsitzende Benneter (SPD) eingestehen, dass dem Ausschuss der
Prüfbericht von 1997 bereits seit mehreren Monaten vorlag.
Der Skandal erfasst damit auch endlich das Bundesaufsichtsamt für das Finanzwesen
(BAFin, ehemals BAKred), das bereits 1997 eine umfangreiche Sonderprüfung angesetzt hatte, ohne eingeschritten zu sein. Fachleute sehen darin eine
klare Amtspflichtverletzung, für die der Bund nach Art.34 GG schadenersatzpflichtig sei. Eine Forderung die schon vor Monaten von Attac und der
marginalisierten Berliner SPD-Linken erhoben wurde. Sollte Stoiber die Wahl gewinnen, steigen wenigstens die Chancen, das der rot-rote Senat endlich aktiv
wird.
Für den nächste Bombe sorgte die "Initiative Berliner
Bankenskandal". Sie enthüllte, das Klaus Hansen, Mitglied im Vorstand der Immobilientochter IBAG, die wichtige Detailvereinbarung des
Risikoübernahmegesetzes unterschrieb, obwohl er als Großanleger des LBB-Fonds 13 selbst zu den Begünstigten des Gesetzes gehört.
Damit hat Klaus Hansen nicht nur seine eigene Rendite gesichert, sondern kann auf Grundlage seiner eigenen Textfassung die nötigen Milliarden vom
Land für die Immobilienschulden abfordern, die er als langjähriger Verantwortlicher für die Risikobeurteilung und das
Firmenkundengeschäft selbst mit verursachte.
Auch diese Enthüllung wird nicht die letzte sein. Das Thema bleibt zweifelsohne heiß. Das wichtigste aber ist, dass die Schlüsselbotschaft der
Kampagne bei den Berlinern angekommen ist: Für die Sicherung der Renditen von 70000 vermögenden Fondszeichner werden die Freibäder
geschlossen und die Sozialleistungen gekürzt und dass, obwohl es Alternativen gäbe. Völlig Außen vor blieb allerdings die radikale
Linke. Anstatt das "Göttergeschenk" Bankenskandal mit antikapitalistischen Inhalten zu unterfüttern, wird der Initiative lieber
unzureichende Kapitalismuskritik unterstellt.
Die Initiative Berliner Bankenskandal bleibt jedenfalls am Ball. Etwa mit dem geplanten
Grunewaldspaziergang am Samstag, 7.September (Treffpunkt um 14 Uhr am S-Bahnhof Grunewald). Bei dieser "Bank-Parade" unter dem ironischen
Motto "Wir lieben euch doch alle" werden die Villen der Verantwortlichen aus Bank und Politik besucht werden. Die nächste
"Empörungswelle" ist so schon vorprogrammiert.
Birger Scholz