SoZ Sozialistische Zeitung |
Da will der Genosse Martin Salina in der Zeitung analyse und kritik (ak) nach eigenem Bekunden seine
"abgebrühten linksgrünen und linkssozialdemokratischen Freunde noch einmal auf die Palme bringen".
Schon ein solches Verlangen ist seltsam, aber mit was dort Aufregung verursacht werden soll,
das hat schon Kalauerqualität: Die Linke müsse am 22.September den Edi Stoiber wählen, damit endlich Schluss ist mit Rot-Grün. Nie
wieder Erpressung mit dem Argument des "kleineren Übels", das kleinere Übel ist diesmal die CDU. Nie wieder Kuschen der
Gewerkschaften vor "ihrer linken Regierung", sondern lieber halbherziger Widerstand des DGB gegen die Stoiber-Politik. Die schlimmen
Pläne der Hartz-Kommission dürfen nicht auch noch auf das Konto einer sich links nennenden Regierung gehen. Rot-Grün hätte genug
verwirrt.
Zum Teufel mit der Theorie des Dritten Weges und der Neuen Mitte. Wer die SPD links
erneuern will, der muss die New-Labour-Strategen in die verdiente Niederlage zwingen. Und zu guter Letzt ist auch die PDS keine wählbare Alternative,
denn die hätte in den letzten Monaten eine 180 Grad Wende vollzogen und ist von Rot-Grün nicht mehr zu unterscheiden.
Es sieht so aus, als ob der Autor dieses Kuddelmuddels vor allem selbst auf der Palme ist,
angesichts der "linken Regierung". Welche Illusionen sind ihm wohl verloren gegangen? Wir empfehlen deshalb: cool bleiben und dann die Dinge
langsam und jedes für sich und dann alle im Kontext betrachten.
Wenns denn nur darum geht, was Klein Martin in der Wahlkabine ankreuzen soll, ist
die Sache schnell erledigt: Nimm dein Wahlzettelchen, macht damit was du willst, aber sags niemanden weiter. Wenn der Edi um genau eine Stimme
dem Gerd unterlegen ist, oder umgekehrt, dann werden wir unser Haupt wegen dieser Lässigkeit im individuellen Wahlverhalten mit Asche bestreuen.
Und nun zum "kleineren Übel". Die bestehende Regierung und die sie
tragenden Parteien sind kein kleineres übel, und die CDU ist es auch nicht. Die "Theorie", dass es so etwas wie "kleinere
Übel" gibt, ist kompletter Unsinn, auch wenn fast alle linken "Wahltaktiker" damit regelmäßig argumentieren. Wer seine
Stimme für eine Partei abgibt, zumal eine sozialdemokratische oder grün-reformerische, entscheidet zunächst individuell, es hält ihm ja
niemand eine Waffe an den Kopf. Die Mehrheit entscheidet allerdings gleichzeitig kollektiv, weil sie falsches Bewusstsein, Ideologie, Bewusstsein der
Herrschenden bereitwillig reproduziert. Nur eine kleine Minderheit, meistens die Tiefschürfer und Einschätzer aus der Intellektuellenszene,
entscheidet sich mit den berühmten "Bauchschmerzen" für eine Partei, die sie liebt und an der sie leidet. Aber eben auch nicht als
"kleineres Übel", sondern höchstens als "tragische Verpflichtung".
Wenn also alles Scheiße ist, dann müssen Linke so wählen und so zum
Wählen aufrufen was wichtiger ist das denjenigen, die aus linker Sicht "falsch" wählen, aber für die Veränderung der
Verhältnisse wichtig sind, möglichst heftig der Gestank in die Nase zieht. In diesem Sinne ist das beste Mittel gegen Rot-Grün immer noch
Rot-Grün an der Regierung.
Stoiber machts natürlich nicht besser, das dämmert Genossen Salina alle drei
Absätze ja selbst, aber er gibt Rot-Grün die nächste Chance, ihren Quark rundzuerneuern. Alles was z.B. in Nachkriegsdeutschland
wenigstens zeitweise und punktuell aus der reformistischen Fantasielosigkeit hervorstrahlte, von der 68er Apo und der "neuen Linken", über
die ersten Jahre der Grünen bis zur heutigen globalisierungskritischen Bewegung, entstand in Zeiten der SPD-Regierung. In anderen Ländern und
Epochen ist es nicht anders. Und es wird auch in Zukunft so sein.
Politisches Wahlverhalten für die Linke ist deshalb gar nicht so kompliziert: die
Verhältnisse für die Herrschenden auch in Wahlzeiten möglichst unsicher machen. Das geht vor allem mit Rabatz auf der Straße, mit
Streiks und sonstigem Gedöns gegen die Normalität; das geht mit der Wahl einer auf Druck anfälligen Regierung oder auch mit dem Kreuz
für des Bürgers immer noch verhassten Buhmann von der PDS. Wer sich für was entscheidet, hängt auch damit zusammen, was sich
für wen entscheidet. In der Summe ist solcherlei Wahlverhalten aber allemal günstiger für die Linke, als die Kasperei, den Stoiber zu
wählen.