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Die bestehenden Kräfteverhältnisse im Irak verlangen eine andere Qualität der politischen und militärischen
Vorbereitungen als der Krieg in Afghanistan. Auch die logistischen Voraussetzungen müssen aus einer anderen Perspektive heraus angegangen werden.
Den USA geht es in erster Linie um einen Austausch an der Spitze des Regimes, ohne grundlegende
Veränderungen. Eine revolutionäre Volkserhebung, ein Aufstand oder eine von einem starken Oppositionsbündnis eingeleitete Wende passen den USA nicht
ins Kalkül. Aus Gesprächen mit Vertretern der US-Administration wird deutlich, dass eine Alternative aus den Reihen des Regimes angestrebt wird. Das
erklärt auch ihr Festhalten an den Sanktionen und an der Kriegsoption.
Es ist nur eine logische Konsequenz, dass die USA die Bildung eines progressiven, demokratischen
Bündnisses mit einem unabhängigen, dem Wohl des Landes verpflichteten Programm zu verhindern suchen. Der Opposition gestehen sie lediglich eine Rolle
für die Zeit nach dem Sturz Saddams zu. Schon Madeleine Albright hatte es vormals deutlich ausgedrückt: "Ihr werdet erst nach der Wende für
bestimmte politische Aufgaben und zur Information gebraucht." Andere Vertreter der US-Politik haben es so auf den Punkt gebracht: "Die goldene Kugel für
Saddam ist nicht eure Sache!"
Diese Zielsetzung schlägt sich im Verhältnis zur irakischen Opposition nieder. Zweifelsohne sind
eigene, hausgemachte Mängel der irakischen Opposition ein Grund für ihre fehlende Einigkeit. Doch zur Zeit sind es vor allem die internationalen und regionalen
Einmischungen, die ihrer Einheit im Handeln im Weg stehen. Sobald der Versuch gemacht wird, das Aktionsbündnis zu aktivieren, setzen sofort wieder
Bemühungen ein, die Opposition zu spalten. Das verläuft manchmal ganz merkwürdig: Zunächst wurde behauptet, nur der Irakische Nationalkongress
(INC) könne Dachverband der Opposition sein.
Kurz danach gab man sich mit dem INC allein nicht mehr zufrieden, sondern suchte nach Kontakten zu anderen Kräften. Später kehrte man zum Gedanken
eines militärischen Kongresses zurück, ausgehend von der Überlegung, das militärische Potenzial im Exil müsse gebündelt, seine
Erfahrungen genutzt werden. Doch das US-Außenministerium lehnte es ab, den Eingeladenen ein Einreisevisum zu erteilen wohl in der Angst, sie könnten
in den USA Asyl suchen!
Ein anderes Beispiel: Die Opposition wurde von den USA aufgerufen, eine erweiterte Konferenz von Experten
einzuberufen. Es sollten Fragen des Gesundheitswesens, der Bildung usw. diskutiert werden, kurzum alles, nur nicht die Frage des politischen Wechsels. Einige
Oppositionsgruppen bildeten dennoch ein Vorbereitungskomitee für eine solche Konferenz. Daraufhin strich der US-Kongress die 5 Millionen Dollar für ihre
Finanzierung. Gleichzeitig wurde die Arbeit von Radio Liberty im Irak eingestellt.
Die Iraker finden dies beschämend. Es ist eine Demütigung für die Opposition. Letzten
Endes müssen wir uns die Frage stellen: Wollen die USA eine Vereinigung der Kräfte der irakischen Opposition überhaupt? Und was ist unter diesen
Umständen zu tun?
Der geplante Krieg im Irak wird ein moderner, totaler Krieg sein, in dem nur einseitige Entscheidungen
gesucht und die Waffen entsprechend ausgewählt werden. Weder das Volk noch seine Vertreter werden bei einem solchen Krieg mitentscheiden können. Eine
Zerstörung gewaltigen Ausmasses wird die Folge sein.
Die Menschen im Irak, die sich nach einem Ende der Diktatur sehnen, stellen sich dennoch die Frage: Was
kommt danach? Wird dem verhassten Regime die erhoffte Alternative folgen?
Wir können uns mit den Risiken eines Kriegsszenarios kaum abfinden. Wir leugnen nicht die
Bedeutung des internationalen Faktors und die Notwendigkeit einer internationalen Unterstützung für die irakische Opposition. Es geht auch nicht um die Frage, ob
man zu den USA Beziehungen unterhalten soll oder nicht. Es geht darum, wie diese Beziehungen beschaffen sind.
Viele fragen: Wann schafft es die irakische Opposition endlich, ihre Kräfte zu bündeln und eine
geeignete Form der Zusammenarbeit zu finden? In diesem Punkt müssen wir alle zu unserer Verantwortung stehen. Kann dabei aber der Druck der USA übersehen
werden? Wir dürfen diesem Druck nicht nachgeben. Es ist das Recht der Opposition, sich ihm zu widersetzen und Bündnisse nach ihrem eigenen Willen zu bilden.
Es ist ihr Recht, eigene Programme und Ansichten durchzusetzen. Dabei müssen wir nach Gemeinsamkeiten mit den Vorstellungen der Anderen suchen, damit die
Interessen des irakischen Volkes mit den Interessen der Weltgemeinschaft in Einklang gebracht werden.
Wir glauben, dass die irakische Opposition trotz aller Schwierigkeiten über ein bedeutsames Potenzial
verfügt, wenn sie ihre innere Einheit herstellt. Wir wollen ein demokratisches Regime mit Krieg wird es aber nicht hergestellt werden können. Auch nicht
durch Ablehnung der irakischen Opposition, ihrer Aktivitäten und ihrer Beteiligung an einem Machtwechsel.
Der einzige Garant für den Aufbau einer Demokratie und für eine gerechte Lösung der
Nationalitätenfrage ist die Einheit der Opposition und ihre entscheidende Beteiligung an einem Machtwechsel auf der Basis eines progressiven, demokratischen
Programms. Ohne dem kann ein demokratischer, stabiler Irak nicht aufgebaut werden, der ein Faktor des Friedens und der Unterstützung für die arabischen
nationalen Befreiungsbewegungen und das palästinensische Volk wäre. Der Weg der Aktionseinheit der oppositionellen Kräfte ist möglich und
unverzichtbar, und er ist die Voraussetzung für den Aufbau eines gesunden Verhältnisses zu den internationalen Kräften.
Die irakische Gesellschaft lebt derzeit in einem Zustand äußerster Anspannung und in Erwartung des drohenden Unheils. Dies kommt zu den katastrophalen
Lebensumständen, zum Hunger, Terror, zur Unterdrückung erschwerend hinzu. Die Lage wird noch verschlimmert durch die präventiven Sicherheits- und
Militärmaßnahmen und die weiter bestehenden Sanktionen. Der enorme psychische Druck ist nicht nur in den von Saddam kontrollierten Gebieten spürbar,
sondern auch in Kurdistan. Die Menschen sehen kein Licht am Ende des Tunnels, und die nationale Opposition ist mitschuldig am Fortbestehen der Tragödie.
Viele vergleichen die Situation mit der Hölle. Die Menschen wünschen sich lieber heute als
morgen ein Ende des Regimes. Manche bringen ihre Emotionen mit dem Wunsch zum Ausdruck: "Soll uns meinetwegen der Teufel selbst erlösen!"
Doch sie stellen auch skeptisch die Frage, ob es den USA ernsthaft um den Sturz des Regimes geht. Sie
meinen, dieses Regime sei doch ein Freund der USA, deswegen haben ihm die USA das Überleben ermöglicht. Den Beleg dafür sehen sie im Aufstand vom
März 1991, als sich die USA zugunsten des Regimes einmischten, und auch die "Operation Wüstenfuchs", bei der Saddam bewusst verschont wurde.
Sie fragen sich nach der Zeit nach Saddam. "Würden wir ein normales, sicheres und friedliches
Leben führen können?" Kurzum, die Menschen fragen sich, ob die USA nicht nur einen ihrer Gefolgsleute als Ersatz für Saddam einsetzen und
letztendlich nur ihre eigenen Interessen im Auge haben. Sie fragen sich auch nach dem Verbleib der Opposition und nach ihrer Rolle.
Allerdings kann die Opposition das Vertrauen der Massen erst dann gewinnen, wenn sie sich um ein klares,
progressives und demokratisches Programm vereinigt. Dann wären sie auch zur Herausforderung der Diktatur bereit trotz der damit verbundenen Opfer: das hat
der Aufstand vom März 1991 eindeutig bewiesen.
Eine vereinte Opposition hätte auf die Stimmung im Land eine entscheidende Wirkung. Sie
würde nicht nur diejenigen mobilisieren, die von der Diktatur terrorisiert werden, sondern auch die Angehörigen der regierenden Partei und der staatlichen
Institutionen, die sich mit den herrschenden Umständen nicht mehr abfinden wollen. Wir haben genügend Belege dafür, dass ein beträchtlicher Anteil
der Staatsangestellten bereit ist, sich im entscheidenden Moment auf die Seite des Volkes gegen die Diktatur zu stellen.