SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2002, Seite 21

Specialist in all styles

Orchestra Baobab, Specialist in all Styles, World Cicuit Music

Senegal Anfang der 70er Jahre: mit Leopold Senghor bestimmt seit 1960 ein Präsident das öffentliche Leben, der ein führender Kopf der Négritudebewegung ist. Eine Bewegung, die in der Entkolonialisierung Afrikas für eine selbstbewusste Besinnung auf afrikanische Kultur stand und heute "eine Auffassung von Globalisierung (vertritt), die von lokalen, regionalen und nationalen afrikanischen Eigenheiten und Beiträgen zu globalen Systemen mit geprägt ist" (Mbye Cham in SoZ 5/2000). Ein wichtiger Treffpunkt der so geprägten politischen Elite in der Hauptstadt Dakar war ein Club namens Baobab. Benannt nach einem in Afrika beheimateten Baum, aus dessen Stamm und Früchten Lebensmittel, Medizin bis hin zu Bier gewonnen wurde und wird. (An diesem Baum hat heute besonders die Novartis Foundation for Gerontology großes Interesse.) Das Hausorchester, das nun ebenfalls den Namen dieses Baumes trug, setzte sich aus Musikern zusammen, die aus verschiedenen westafrikanischen Staaten nach Dakar gekommen waren. Die Band sollte den Club noch drei Jahre überleben, als er 1979 geschlossen wurde.
Die Musiker des Orchestra Baobab spielten wohl zuerst lateinamerikanische Rhythmen. Vor allem Musik aus Kuba war im Senegal bereits seit den 40er Jahren sehr beliebt. Der Einfluss der Négritude ließ allerdings mehr und mehr afrikanische Elemente in die Musik einfließen. Es entstand eine Mischung, die als African-Latin Pop bekannt wurde. Bezeichnend auch, dass die Band auseinander ging, als der Kampf der Mouvement des Forces Démocratiques de la Casamance (MFDC), um die Unabhängigkeit in der südlichen Provinz Casamance offen ausbrach. Die Morna-Gesänge aus dieser Gegend gehören zu den wichtigen Einflüssen auf ihre Musik. Und diese verschiedenen Einflüsse standen für den Traum vom Africando, einem geeinigten Afrika, der in dieser Zeit zerstört wurde.
Außerhalb Westafrikas wurde Musik aus dem Senegal kaum beachtet. Das dauerte noch, bis Musiker wie Youssou N‘Dour in den 80 Jahren auch in Europa und den USA Erfolge feiern konnten. Ihre Musik wurde hauptsächlich über Kassetten verbreitet, die immer wieder kopiert wurden. Im Jahre 1982 ging die Band auseinander, ihre Musik schien sich überlebt zu haben. Doch findet man Elemente ihrer Musik bei vielen westafrikanischen Musikerinnen und Musikern. Bis hin zu den Rapkünstlern und -künstlerinnen, die dies allerdings oft weit von sich weisen. Die Wurzeln ihrer Musik liegen dennoch oft in den 70er Jahren des Senegals.
Die Musiker des Orchestra Baobab zerstreuten sich in alle Winde. Der Gitarrist Barthelemy Attisso, der Ende der 60er Jahre aus Togo kam, um in Dakar Jura zu studieren, blieb noch bis 1985, ehe er schließlich wieder zurückging, um eine Anwaltskanzlei zu betreiben. Andere blieben in Dakar, wie zum Beispiel der Saxofonist Issa Cissokho, von dem Max Annas behauptet, dass er noch heute in einem Daimler durch Dakar fährt, den ihm Präsident Senghor geschenkt hat und der bis zur Reunion der Band in 2001 ein Saxofon spielte, das er vom ersten Präsidenten Guineas, Ahmed Sékou Touré, geschenkt bekommen hatte.
Im Jahre 2001 kommt der britische Produzent Nick Gold ins Spiel. Er hatte bereits die Musik des Buena Vista Social Club weltweit bekannt gemacht. Nun sammelte er Stücke, die in den 80er Jahren auf den "illegal" kopierten Kassetten im Umlauf gewesen waren und brachte sie als "Pirate‘s Choice" auf einer CD heraus. Damit nicht genug: Mit Unterstützung von Youssou N‘Dour überredete er die Musiker von Orchestra Baobab zu einer Reunion. Zusammen produzierten die beiden dann mit Orchestra Baobab neun wunderbare Stücke die nun als Specialist in all Styles auf CD erschienen.
Pachanga, der kubanische Rhythmus ist weiter das treibende ihrer Musik. Mit "El son te llama" finden wir auch eine kubanische Komposition auf dieser Platte. Und mit Ibrahim Ferrer in "Homage A Tonoton Ferrer" singt auch ein Gast von Buena Vista Social Club mit. Bei vielen der anderen Songs handelt es sich um große Erfolge aus der populären Zeit von Orchestra Baobab. Aber neu eingespielt werden sie in diesem Herbst wohl vor allem in Europa ihr Comeback feiern können.
Hilfreich wäre dabei ein Booklet gewesen, dass die Texte, da sie in Wolof gesungen werden, zumindest ins Englische übersetzt. Doch die Musik wiegt dieses Manko mehrfach auf. Vor allem die Gitarre Barthelemy Attissos und die Saxofone von Issa Cissokho und Thierno Koite klingen taufrisch und diese tanzbare Musik weiß zu verzaubern. Das beginnt mit "Bul Ma Miin", einem Lied über den Generationskonflikt (ein in der derzeitigen linken Auseinandersetzung völlig vernachlässigter Gegenstand) und endet erst, wenn die letzten Takte von "On verra ça" verklungen sind, einem Lied aus dem Jahre 1976, in dem alle Mitglieder der Band vorgestellt werden. Und es sind genau die gleichen 11 Musiker wie vor 26 Jahren.

Tommy Schroedter


zum Anfang