SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2003, Seite 20

‘Don‘t Mess Up, Mess Around!‘

Radiotipp

"Messaround" im Internet: www.radio-bonn.de. Live: Radio Bonn-Rhein-Sieg auf FM 89.9, 91.2 oder 107.9; E-Mail max@messaround.de.

"Don‘t mess up, mess around" — mit dieser Aufforderung verabschiedet sich der US-Amerikaner Max Ruse alle 14 Tage von den Hörern seiner gleichnamigen Blues- und Bluesverwandtes-Sendung ("Messaround") auf "Radio Bonn-Rhein-Sieg". Die Sendung läuft seit nunmehr fünf Jahren, zunächst nur einmal im Monat und inzwischen wie gesagt 14-tägig im Rahmen des leider nur knapp halbstündigen "Bürgerrundfunks" dieses Regionalsenders nach den 20-Uhr-Nachrichten. Diejenigen, die sie nicht am Radio empfangen können, aber über einen soundtauglichen PC verfügen, können die Sendung zeitgleich über Internet hören.
Ich weiß nicht, was die Hörer in den beiden Wochen zwischen den Sendungen machen. In any case Mr.Ruse does not mess up. Nach den Auswahlkriterien befragt beansprucht Max Ruse, selbst Sänger und Harp-Spieler in der R&B- und R&R-Band "Junkyard Dogs" und von "Dr.B and the Blues dropouts", derer nur zwei: "Die Stücke müssen außerordentlich gut, oder außerordentlich schlecht sein."
Allein wenn man das Programm des Jahres 2002 Revue passieren lässt, sind die außerordentlich guten Stücke unzweifelhaft im Vorteil. Das Repertoire reicht von der Moderne zurück bis zu Klassikern der 50er Jahre, von eher den Eingeweihten bekannten Musikern und Bands wie Luther Tucker und der Tony Vega Band oder dem in diesem Jahr verstorbenen Roscoe Gordon über Klassiker des Texas- und Chicago-Blues à la T-Bone Walker und Albert Collins oder Otis Rush und Jimmy Reed bis hin zu unberechtigterweise fast nicht mehr zu hörenden Musikern wie Little Junior Parker, einem der Stars der frühen Sun Records in Memphis und Komponisten und ersten Interpreten solcher Hits wie dem auch von Elvis aufgenommenen "Mystery Train" oder dem später von Magic Sam gecoverten "Feeling good".
An und für sich hat Max Ruse aber eben kein festes Programm, sondern spielt, was ihm gefällt. Und so können wir auf der einen Seite Smash Hits wie das 1957 aufgenommene "I‘m a King Bee" des Swamp-Bluesers Slim Harpo hören. Hierzulande kamen allerdings damit die frühen Rolling Stones groß raus und das, obwohl Mick Jagger selbst die Frage stellte: "Was bringt es, uns ‘I‘m a King Bee‘ spielen zu hören, wenn man hören kann, wie Slim Harpo es spielt?" Dieser Meinung ist — wenngleich gerade nicht auf die Stones bezogen — offensichtlich auch Max Ruse. Er glaubt — m.E. zu Recht —, dass etwa finnischer Tango (kein Gag: die Finnen sind laut der Bonner Informationsstelle Lateinamerika wirklich die Tango-Nation nach den Argentiniern!) wohl interessanter sei als britischer Blues. Statt solchen hört man bei "Messaround" denn auch "the real thing", darunter Bluesverwandtes von Vorläufern des Soul wie Bobby Bland oder Ray Charles bis zu gestandenen soul men wie Johnnie Taylor oder James Brown und schließlich Jazzern von Louis Armstrong über Ella Fitzgerald bis Wynton Marsalis. Interessanter als gerade James Brown, den man noch immer fast an jeder Ecke hören oder zumindest kaufen kann, sind natürlich solche Rock‘n-Roll-Vorläufer wie der schöne Wynonie Harris oder der Jump-Blueser Roy Milton.
Nicht wenige Sendungen führen auch einen Titel, der nicht unbedingt "außerordentlich schlecht" ist, wohl aber zumindest in dieser Umgebung eher schräg. So spielte Max in der Sendung vom 30.10. eine ihm aus Cincinnati zugeschickte Amateuraufnahme, die in irgendeiner Garage entstanden ist und unzweifelhaft in die Rubrik Country gehört. So was ist nicht nur bisweilen trotzdem hübsch oder zumindest lustig, sondern sollte auch den puristischen Fan des "same old blues crap" mit der Nase darauf stoßen, dass in der Heimat des Blues der Hang zur strikten Kategorisierung gar nicht so sehr ausgeprägt ist. Die größten Bluesstars haben schließlich auch Schnulzen aufgenommen, wie etwa Albert King mit "The very thought of you". Gewissermaßen lässt hier die Philosophie der Macher des "Fat-Possum"-Labels grüßen.
Kurzum: "Messaround" ist eine wahre Fundgrube, zumal wenn man das Programm mit dem leider oft eher eintönigen Repertoire der meisten hiesigen Bluesbands vergleicht. Max Ruse verzichtet nicht nur aus Zeitgründen auf nähere Informationen zu Interpreten und aufgelegten Scheiben,sondern auch um nicht auch noch für die seit einiger Zeit zunehmend knickrige Plattenindustrie Gratiswerbung zu machen.
Die nächste Sendung ist übrigens am 8.1.2003 und dann alle 14 Tage. Don‘t forget to mess around!

Lothar A. Heinrich


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