SoZ Sozialistische Zeitung |
Zum neunten Mal saßen sie in Kassel beisammen, 300 Friedensbewegte dieser Republik. Den Anwesenden war klar:
Wieder einmal stand ein Krieg mit deutscher Beteiligung vor der Tür, auch wenn der Kanzler dies stets bestreitet und auf bestehende NATO-
Verpflichtungen bei den Überflugrechten und der Nutzung der US-Militärbasen in der Bundesrepublik hinweist.
Ganz so einfach wollten sich die Pazifisten der alten Schule nicht abspeisen lassen, zwei Tage
berieten sie am 7./8.Dezember über Strategien der Friedensbewegung, um diesen "Krieg auf Verdacht" doch noch zu verhindern. "X-
tausend-X-Nein" zum Krieg lautete daher auch die Parole auf einem Banner über dem Eingang des Tagungsorts, der Gesamthochschule Kassel.
Es hieß, Bündnisse, Aktionen und Strategien zu erarbeiten, um diesen Krieg zu
verhindern, aber auch um Perspektiven für eine pazifistische Welt aufzuzeigen. "Wir haben einen großen Rückhalt in der
Bevölkerung", attestiert Peter Strutynski, Sprecher des Friedensratschlags. 70% der bundesdeutschen Bevölkerung stünden hinter den
Forderungen der Friedensbewegung. Nun gelte es, dieses Potenzial zu mobilisieren. Eine eigens hierzu eingerichtete AG "Aktionsberatung"
sammelte die zahlreichen Aktionsvorschläge, die von Zeitungsanzeigen, über gemeinsamen Aufrufe von Gewerkschaften, Kirchen und sozialen
Bewegungen, über Demonstrationen vor allem am Aktionstag, dem 15.2. bis hin zu Formen zivilen Ungehorsams, etwa der Blockade von
US-Basen, reichte.
In die "offizielle" Politik wurde wenig Vertrauen gesetzt. In die Europäische
Union, die sich selbst auf dem Weg der Militarisierung befinde, so die PDS-Abgeordnete im Europaparlament, Sylvia-Yvonne Kaufmann, genauso wenig wie in
die USA. Der Krieg wurde aber, wie auch bereits auf dem Europäischen Sozialforum in Florenz nicht mehr isoliert betrachtet.
Die EU und die USA stünden in einer kapitalistischen Konkurrenzbeziehung, die beide
zur Expansion treibe, stellt Jörg Huffschmid, Professor an der Uni Bremen und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Attac, fest. Entsprechend
könne dieser Kampf gegen den Krieg könne nur als "Alternative zur neoliberalen Globalisierung" geführt werden, der den Motor
diesen neuen Imperialismus darstelle. Die sozialen Bewegungen stünden hier vor der Aufgabe, die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten
unter Druck zu setzen, um ein alternatives Europa, auch in Abgrenzung zu den USA zu schaffen.
Die große Frage, die im Raum stand, war: Wie soll ein Krieg konkret verhindert werden,
wenn die "große" Politik auf die Proteste bisher dermaßen gleichgültig reagiert? So liegen etwa Beschlüsse zur
Rüstungskonversion der IG Metall als am stärksten betroffene Gewerkschaft vor, einen Einfluss auf die betriebliche Arbeit hätten diese aber
nie gehabt, beklagten die Teilnehmenden. Werner Pfennig von der VVN brachte es auf den Punkt: "Wenn der Krieg kommt, muss die Arbeiterbewegung
die Brocken hinschmeißen und streiken gegen den Krieg."
Auch in anderer Hinsicht besteht ein großer Handlungsbedarf: "Jetzt erleben wir,
dass Deutschland eines der größten Aufmarschgebiete für den Irakkrieg ist", erklärte ein Teilnehmer. Wie aber sollte die
Mobilisierung erfolgreich verlaufen, wenn die "offiziellen" Medien, fast unisono eine Pro-Krieg-Berichterstattung brächten, fragte er seine
Mitstreiter auf dem Abschlussplenum die Friedensbewegung müsse ihren Platz in diesen Medien einfordern.
Auch auf viele andere, ganz konkrete Aktionsmöglichkeiten wurde hingewiesen. Ariane
Detloff, von der Kölner Gruppe "Pax an", berichtete von Eilat Benda, Mitglied einer israelischen Friedensgruppe, die an der Olivenernte in
einem Sperrgebiet teilnahm, um die palästinensischen Erntehelfer durch ihre Anwesenheit zu schützen. "US-amerikanische Soldaten in den
Urlaub schicken" wollte Stephen Summers von der Stop the war brigade in Worms, und sammelte dafür das notwendige Geld.
Ob nun die großen politischen Felder beackert werden sollten oder die lokale Aktion
anstand, eines wurde überdeutlich: Die Agenda der Friedensbewegung in der Bundesrepublik ist auch (oder gerade) unter Rot-Grün keinen Deut
kürzer geworden.
Dirk Krüger
Weitere Infos unter: www.friedensratschlag.de.