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Die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst mit rund 3 Millionen Beschäftigten endete nach vorausgegangenen
massiven Warnstreiks mit einem Kompromiss. Dieser wurde vom Bundeskanzler begrüßt, von den Vertretern der Kommunen und der Länder
hingegen als "dramatisch" bezeichnet. Die CDU nannte ihn sogar "verhängnisvoll". Ver.di aber feierte ihn in einer eiligst
hergestellten Hochglanzbroschüre als tarifpolitischen Erfolg.
Noch im Oktober 2002 hatte Ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske verkündet: "Die
neue Laufzeit wird 12 Monate und nicht 31 Monate haben", wie beim letzten Tarifvertrag. Weiter meinte er, der Lohnzuwachs müsse dem in der
privaten Wirtschaft entsprechen.
In weiten Bereichen der gewerkschaftlichen Basis reichten die Forderungen aber von einem
Festgeldbetrag von 250 Euro bis zu Prozentforderungen von 6,5%. Die Kolleginnen und Kollegen, die diese Forderungen aufstellten, gingen von den
Bedürfnissen der Beschäftigten aus, die täglich erfahren, dass sie mit ihrem Einkommen immer mehr ins Minus geraten. Diese Forderungen
wurden von der Gewerkschaftsführung jedoch schnell nach unten gedrückt und durch das Konzept einer "realitätsnahen
Forderung" ersetzt, die dann lautete: mindestens eine 3 vor dem Komma. Das Manöver sollte schon im Vorfeld signalisieren: "Seht, wie
moderat wir sind!"
Von Beginn der Verhandlungen an setzte Ver.di auf ein Schlichtungsergebnis, zumal die
beiden Schlichter der SPD angehörten. Ver.di war schnell bereit, den Schlichterspruch zu akzeptieren, während die öffentlichen Arbeitgeber
ihn rundheraus ablehnten. Die Ablehnung war eindeutig politisch motiviert, denn die CDU-Vertreter hatten die Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen im
Blick und wollten den Schlichtern keinen Erfolg zugestehen. In der Großen Tarifkommission stimmten dann nur 18 Gewerkschafter gegen den
Schlichterspruch, bei 106 Ja-Stimmen und 5 Enthaltungen.
Ver.di ist es nicht gelungen, die alten eingefahrenen ÖTV-Praktiken auch nur ansatzweise
aufzubrechen, geschweige denn, neue Maßstäbe für eine interessenorientierte Tarifpolitik zu setzen. Bsirske ist bewusst in die
Fußstapfen seiner Vorgänger getreten im Gegensatz zu seinen vollmundigen Ankündigungen.
Das Tarifergebnis ist im Ergebnis weit hinter dem zurückgeblieben, was für die
Beschäftigten zur Erhaltung ihres ohnehin schon geringen Einkommens nötig gewesen wäre. Darüber hinaus hat es ihnen eine
höhere Arbeitszeit eingebracht, obwohl nur eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit das Problem der Arbeitslosigkeit angehen kann. Die
Beschäftigten Ost stehen auch über 2009 hinaus weiter im Regen, denn Arbeitszeit und Lohn unterscheiden sich auch weiterhin von den
Westtarifen.
Die größte Einzelgewerkschaft der Welt hat sich damit mal wieder als Papiertiger
erwiesen und nicht als Interessenvertretung der Beschäftigten. Vor allem aber wurde damit das Tor für weitere Arbeitszeitverlängerungen
aufgestoßen. Das zu verhindern wäre die vordringlichste Aufgabe fortschrittlicher Gewerkschaftspolitik gewesen.
Alleine der bürokratische Zusammenschluss zu einer größeren
Gewerkschaft und ein neuer Vorsitzender machen noch keinen Gewerkschaftsfrühling. Notwendig ist eine Tarifpolitik, die von den Beschäftigten
selber gestaltet wird, ohne Schlichter und bürokratische Bevormundung.
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