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Am 11.Januar gründeten mehr als 100 US-Gewerkschaftsfunktionäre und Aktive aus einer Vielzahl
gewerkschaftlicher Antikriegskomitees in Chicago das Netzwerk US Labor Against the War (USLAW). Das Treffen widerspiegelt die in den letzten sechs
Monaten stark angewachsene Antikriegseinstellung in den USA. In dieser Zeit haben fast 40 zentrale Gewerkschaftsräte (regionale
Zusammenschlüsse aller AFL-CIO-Gewerkschaften), sechs Gewerkschaftsverbände von Bundesstaaten und Dutzende lokaler Gewerkschaften
Antikriegsresolutionen verabschiedet.
Unmittelbar nach dem 11.September 2001 bildete sich das Netzwerk New York City Labor
Against the War (NYCLAW) auf der Grundlage eines Aufrufs für Gerechtigkeit und die Suche einer wirksamen Lösung aufruft: Verzicht auf Krieg,
Gerechtigkeit statt Rache, Verteidigung der Freiheitsrechte, Widerstand gegen Rassismus, Hilfe für die Armen, nicht die Habgierigen. Der Aufruf wurde
von über 1400 Gewerkschaftern unterzeichnet.
Vergleichbare Komitees schossen in Albany, in der Bucht von San Francisco/Oakland, in
Detroit, Portland, Seattle und Washington aus dem Boden. Sie übernehmen eine Vielzahl an Aufgaben, etwa die Durchführung von
Schulungsseminaren zur Frage, wie Gewerkschafter mit ihren Kollegen über den Krieg reden können und wie sie Gewerkschaftsblöcke
wenn auch kleine auf Antikriegsdemonstrationen organisieren können.
Diese Komitees kritisierten auch die Tatsache, dass der dramatische Anstieg des
Militärhaushalts auf Kosten der sozial Bedürftigen erfolge. Darüber hinaus macht dieses Gesetz, der US Patriot Act, die alte
Gewerkschaftsforderung zunichte, sog. "illegalen" Arbeitern eine Beschäftigung zu erlauben. Die US-Regierung argumentiert, dies
würde "Terroristen" Anschläge erleichtern.
Nach dem 11.September verabschiedete der US-Kongress Gesetze, die verlangen, das Personal,
das an den Flughäfen Gepäckkontrollen durchführt, müsse aus US-Bürgern bestehen. Mehr als 800 Kontrolleure allein am San
Francisco Airport von denen viele über 15 Jahre dort gearbeitet haben und erst vor zwei Jahren einen von der Gewerkschaft ausgehandelten
Tarifvertrag mit höheren Löhnen und zusätzlichen Vergünstigungen erhielten laufen nun Gefahr, gefeuert zu werden, nur weil
sie keine US-Bürger sind. Gemeinsam mit Migrantenorganisationen protestierte der Gewerkschaftsrat der Bay Area gegen diese unnötige
Beschränkung und verwies darauf, dass die Einwanderungsbehörde INS nicht bereit ist, die Einbürgerungsverfahren für die
Kontrolleure zu beschleunigen.
Die Gewerkschaften stellen Bushs Marsch in Richtung Irakkrieg zunehmend in Frage oder lehnen ihn sogar vollständig ab. Dies hat mehrere
Gründe: Erstens die unilaterale Position, die die Bush-Regierung zu Anfang eingenommen hat, zweitens die Arroganz, mit der sie die
Präventivstrategie verkündete, und schließlich die Tatsache, dass der Irak keine Beziehungen zu Al Qaeda unterhält.
Aber vielleicht noch viel wichtiger ist, dass im vergangenen Jahr deutlich wurde: Dieser Krieg
hat enorme innenpolitische Auswirkungen. Seit Bush die Regierung übernahm, sind 1,8 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen. Die
Ökonomie liegt darnieder, und selbst wenn sie sich erholt, wird es kaum zu Neuanstellungen kommen.
Der dramatische Anstieg der Militärausgaben entzieht dem sozialen Sektor die
notwendigen Mittel. 48 von 50 Bundesstaaten leiden unterm hohen Haushaltsdefiziten, die sich im Jahr 2002 auf insgesamt 60 Milliarden US-Dollar beliefen.
Das bedeutet, dass die Gelder für Bildung, Gesundheit, öffentliche Bibliotheken und Grünanlagen gekürzt werden.
Das Gesetzespaket zur "inneren Sicherheit", der Homeland Security Act, erfordert
eine massive Reorganisation von 22 Bundeseinrichtungen und betrifft 170000 Gewerkschaftsmitglieder. Dieses Gesetz gibt Bush die Macht, diesen im Namen
der "nationalen Sicherheit" ihre Rechte als öffentliche Beschäftigte und Gewerkschafter zu entziehen. Es entspricht zudem vollkommen
den Forderungen der Wirtschaft nach mehr "Flexibilität" am Arbeitsplatz.
Schließlich ist Bushs auch bereit, in Arbeitskämpfe einzugreifen. Das zeigt sein
Rückgriff auf das reaktionäre Taft-Hartley-Gesetz (Antigewerkschaftsgesetz aus der McCarthy-Ära), mit dem er im Oktober die Mitglieder
der Internationalen Hafenarbeitergewerkschaft (ILWU) an die Arbeit zurückschickte. Das ist eine Warnung an andere Gewerkschaften:
Arbeitskämpfe zur Verteidigung von Arbeiterrechten betrachtet die Administration als schädlich für die Wirtschaft und als ein Objekt im
"Krieg gegen den Terror".
Diese kleinen Anzeichen einer gewerkschaftlichen Opposition gegen den Krieg und Bushs
Pläne gegen den Irak führten am 7.Oktober zu einem Schreiben des AFL-CIO-Vorsitzenden John Sweeney an die Mitglieder des Kongresses. Darin
erklärte er, es sei eine Debatte über den Krieg notwendig, und vor Kriegsbeginn müssten Beweise vorgelegt und das Für und Wider
abgewogen werden.
Zugegebenermaßen instruiert das Schreiben die US-Politiker lediglich, wie sie zu einem
Konsens gelangen können, aber seine Bedeutung liegt darin, dass es der Gewerkschaftsbewegung einen politischen Spielraum eröffnet, Fragen zum
Bush-Szenario zu stellen und darüber zu debattieren.
Die Fragen der Gewerkschaftsführung geben radikalen Gewerkschaftern etwas Zeit und
Raum zu zeigen, wie der Krieg missbraucht wird, um die US-Arbeiterklasse anzugreifen. Denn Teile des Homeland Security Act und des US Patriot Act setzen
den politischen Rahmen für rassistische Verfolgung und Angriffe auf Migranten; so haben Razzien der Einwanderungsbehörde deutlich
zugenommen.
Die US-Kriegsbewegung besteht aus einer Vielzahl von Organisationen, die auf lokaler und
bundesstaatlicher Ebene in zwei, drei verschiedenen Bündnissen zusammenarbeiten. In vielen Städten gibt es Aktionen von "Frauen in
Schwarz", Studenten mobilisieren auf dem Campus, Farbige initiieren lokale Proteste. Die organisierte Gewerkschaftsbewegung ist immer noch ein kleiner
Teil der gesamten Antikriegsaktivitäten, aber die meisten erkennen ihre Bedeutung an.
Ein Flugblatt des Detroit Labor Committee for Peace and Justice gegen den drohenden Krieg
fragt: "Wenn wir Bushs Innenpolitik nicht trauen, weil wir sehen, wie zerstörerisch sie für unsere Belange ist, warum sollen wir dann seiner
Außenpolitik trauen?"
Dianne Feeley
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