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Wer will denn da noch unter dem Markenzeichen "Global" noch einen extra Euro machen, ist der unweigerliche
Gedanke, wenn einem der CD-Sampler Globalista, Import Export in die Hand gedrückt wird.
Doch der Blick auf das Label stimmt versöhnlich. Wenn in der Bundesrepublik jemand
legitimiert ist, eine CD unter einem solchen Titel auf den Markt zu bringen , dann ist es "our own voice Trikont".
Das 1971 gegründete Label damals noch "Trikont Unsere
Stimme" wurde in den 70er Jahren eher als Anhängsel des wohl ersten "Internationalismus-Verlags" der Studentenbewegung
wahrgenommen.
Der Trikont-Verlag, 1967 von Gisela Erler und Herbert Röttgen gegründet,
veröffentlichte unter anderem Ches Bolivianisches Tagebuch und Bommi Baumans Wie alles anfing, ehe Herbert Röttgen Ende der 70er Jahre in die
Esoterikschiene abdriftete (aus der er sich mit Der Schatten des Dalai Lama und Hitler Buddha Krishna in den letzten Jahren rehabilitierte).
Doch die Musiksparte des Verlags machte weiter, auch als dieser 1986 seine Pforten
endgültig schloss. Wer in der Nostalgie der frühen Jahre schwelgen möchte, dem sei die CD Bewegliche Ziele empfohlen, auf der einige der
Renner aus den frühen 70er Jahren bis hin zum Original des späteren Geier-Sturzflug-Hits "Bruttosozialprodukt" zu finden sind.
Doch den Freundinnen und Freunden zeitgenössischer Melodien seien dann eher CDs
wie Russendisko oder eben Globalista Import Export ans Herz gelegt. Die insgesamt 16 Stücke dieser Produktion geben ein Beispiel davon, wie
Popmusik jenseits des Mainstream heute klingen kann.
Die vom WDR (Funkhaus Europa) und Trikont produzierte CD pickt 11 Stücke im
Trikont auf, ergänzt durch eine russische und eine polnische Band. Hinzu kommen noch Macao aus Barcelona und Panjabi MC aus London. Diese beiden
Gruppen steuern auf Globalista Import Export den Einfluss einer vergangenen Epoche der Globalisierung, nämlich der Kolonialisierung wieder.
Bei Macao sind es die Musiker aus Lateinamerika, die zusammen mit den katalanischen
Musikern den Sound der Alten Welt mit dem Rhythmus der Neuen Welt zusammenbringen. Panjabi MC kommt aus London, bedient mit seinen Produktionen
dort die indisch-pakistanische Gemeinde und ist sicherlich der populärste Produzent dieser Szene.
Den Reigen eröffnen Magic System mit "Poisson Davril" von der
Elfenbeinküste, die dort fast ebenso populär wie Alpha Blondy, aber in Europa noch nahezu unbekannt sind. Was daran liegen kann, dass sie nicht
wie der erstgenannte nach Paris umgezogen sind. Auf jeden Fall unterstreicht "Poisson Davril" vom gleichnamigen aktuellen Album, warum
die Band in Westafrika so erfolgreich ist.
Von der Elfenbeinküste geht es in den Senegal. Der Text im sehr informativen
Booklet sagt, dass der Sänger Mohammed auch dort unbekannt sei. Doch das Stück ist sehr typisch für den Senegal:
Lateinamerikanische und afrikanische Elemente werden verbunden und hier zu einem Ragga-Stück verarbeitet. Dass Texte sich um religiöse
Themen drehen ist in Westafrika zurzeit mehr als eine Mode. Dies bedeutet im Senegal, dass es sich im Text hauptsächlich um Mekka und Allah dreht.
Der nächste Sprung ist gewaltig. Leningrad heißt die Band, und es ist genug
gesagt, wenn ich bemerke, dass sie zu den Topgruppen der Russendiskos egal ob in Berlin, Weimar oder jetzt sogar in Paderborn gehört.
Eine solche Tour durch die verschiedenen Stile bringt es selbstverständlich mit sich, dass
es auch Songs auf dem Album sind, die nicht so gut gefallen. Für mich gehört dazu Panjabi MCs Versuch Bhangara, ein Musik Stil aus dem Punjab,
mit Rap zu kreuzen. Auch hier scheint das Booklet Recht zu haben, dass europäische Freunde des asiatischen Einflusses auf die englische Popmusik sich
eher an den sog. "Asian underground halten" (Asian Dub Foundations neues Album Enemy of the Enemy sei hier schon mal empfohlen).
Doch wem es ähnlich geht wie mir, der wird durch das nächste Lied wieder gut
gestimmt. Erkekler Yüzünend ist mit "Nil" so unverblümt präsent, wie es in der türkischen Popmusik kaum jemand
zurzeit ist.
Die musikalische Reise führt über Mali nach Polen und von dort über
Jamaika und Java bis nach China.
Das Feuerwerk beenden Los de Abajo aus Mexiko und Macao aus Barcelona. Los de Abajo,
von denen Thomas Bonet in Spex behauptet, sie würden dort weitermachen, wo Mano Negra aufgehört haben, lieferten eine wunderschöne
Fassung von "El Indio" für das Album, als wollten sie beweisen, dass Mano Negra heute filigraner klingen würde, als man es je
für möglich gehalten hätte. Eher an Manu Chao erinnern Macao mit "Pirata de Agua Salado" vielleicht weil er
unmittelbar in der Nachbarschaft wohnt?
Abschließend sei noch einmal der Herausgeber Jay Rutledge aus dem Booklet zitiert:
"Der Prozess der Globalisierung verläuft ungleichzeitig und selektiv. Wie für kein anderes Medium gilt das auch für die
Popmusik."
Tommy Schroedter
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