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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2003, Seite 22

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Kongress der jungen Welt

Zum achten Mal organisierte die Tageszeitung junge Welt in der Berliner Humboldt-Universität die Rosa-Luxemburg- Konferenz. Diesmal unter dem provokativen Titel: "Der Krieg kommt, die Linke geht".
Gemessen an dieser klaren Botschaft blieb die "wissenschaftliche Konferenz" (so die Selbstcharakterisierung) weit hinter den Möglichkeiten zurück. Leider. Schließlich ist die Tageszeitung junge Welt mittlerweile ein durchaus lesbares Blatt, das mit einer stärkeren Orientierung auf die globalisierungskritische Bewegung und die Vielfalt sozialer Kämpfe die Ostalgie-Sackgasse weitgehend überwunden hat.
Der Großteil der Referenten auf der Konferenz schaffte es jedoch erfolgreich, an konkreter Politik und realen Problemstellungen vorbeizudiskutieren. Selbstvergewisserung und Plattitüden standen im Vordergrund. Reale Bewegungen und die dazugehörigen Akteure wurden bestenfalls als Statisten im großen Spiel der Politik behandelt. Ihr Bewusstsein und die Widersprüchlichkeit ihres Handelns spielten gar keine Rolle.
Dem lobenswerten Versuch des Buchautors Harpal Brar, Lenins Imperialismustheorie vor dem Hintergrund der heutigen Entwicklungen ein Update zu verpassen, folgte die plakative Forderung an das Proletariat, das Banner des "Marxismus- Leninismus" erneut aufzurichten. Nur so sei der kommende imperialistische Weltkrieg zu verhindern. Doch eine Theorie, die die realen Strukturveränderungen der Arbeiterklasse des 21.Jahrhunderts ignoriert, wird die Revolution bestenfalls vor dem eigenen Gesinnungspublikum ausrufen.
"Welche Forderungen hast du an das Proletariat?", attackierten sich zwei Politsekten im Foyer und waren damit nicht so weit von der Haltung vieler Zuhörer entfernt. Kein Wunder, dass der stalinistische Philosoph Hans Heinz Holz, der über die "Chancen einer sozialistischen Alternative" referierte, frenetisch gefeiert wurde. Zwar ist seiner These, dass die Eigentumsfrage wieder aktuell sei, nur beizupflichten. Jedoch war Holz nicht in der Lage, konkrete Schritte hin zur Infragestellung des Eigentums auch nur zu denken.
Dabei wird die Möglichkeit sozialer Aneignung der Arbeit und ihrer Produkte in der globalisierungskritischen Bewegung durchaus intensiv diskutiert. Sie könnte als ein erster Schritt in Richtung einer sozialisierten Ökonomie im Sinne eines Übergangs in eine sozialistische Perspektive verstanden werden. Allerdings bedürfte es dazu einer konsequenten Demokratisierung und Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen.
Demokratischen Prinzipien fühlte sich offensichtlich auch Holz verpflichtet und lobte die Stalin-Verfassung von 1936 als die demokratischste des 20. Jahrhunderts. Dem Publikum gefiel es — niemand widersprach.
Alan Woods, britischer Trotzkist und Mitglied der Labour Party, analysierte die Weltlage zwar wie gewohnt scharfsinnig, Ansätze, was denn zu tun sei, blieben dem Publikum jedoch verborgen.
Bei der zentralen Diskussion gab es dann ein Highlight — seit zwei Jahren saß wieder ein offizieller Vertreter der PDS, der Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch, auf dem Podium. Keine leichte Aufgabe, mag man denken, immerhin steht die PDS in Berlin an vorderster Front, wenn es um die Umsetzung der neoliberalen Kürzungspolitik geht. Leider weit gefehlt. Ein bisschen Selbstkritik, ein bisschen Verbalradikalismus, und schon war die Welt für die Mehrzahl der Zuhörer wieder in Ordnung. Die Politik seiner Partei in den Landesregierungen kritisierte Hiksch nicht einmal in Ansätzen.
Die Glaubwürdigkeit für ein neues sozialistisches Projekt muss offenkundig von anderen Kräften kommen. Den nationalen Sprecher der italienischen Basisgewerkschaft Cobas, Piero Bernocchi, zu hören hat sich trotzdem gelohnt. Ein Stück reale Bewegung ist halt immer noch wichtiger als manche junge-Welt-Konferenz.

Sascha Kimpel

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