SoZ Sozialistische Zeitung |
Woüberall an den Schaltstellen des bürgerlichen Ideologieapparats heutzutage durchgeknallte Charmebolzen sitzen,
ist fast täglich in den Medien zu hören, zu sehen und zu lesen. Um bei solchen Köstlichkeiten wie "500 Stunden umsonst für den
Arbeitgeber arbeiten", wie vom DIHT-Präsidenten Braun gefordert, oder "Die Älteren müssten in Zukunft deutlich weniger
verdienen", was der 56-jährige "Chef-Volkswirt" der Deutschen Bank, Walther, fordert, überhaupt noch aufzufallen, bedarf es bei
den professionellen Sprüchekloppern schon allerstärksten Tobaks. In diesem Geist hat sich der Chefredakteur von Financial Times Deutschland, ein
Herr mit dem für einen Propagandabüttel passenden Namen Christoph Keese, mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske,
beschäftigt.
Sein Porträt aus der Sylvester-Ausgabe seiner Zeitung leuchtet heute besonders hell, weil
mittlerweile klar ist, dass auch "der grüne Gewerkschaftsboss" Bsirske ein treues Modell seiner Kaste ist: Statt kämpferisch eine
Forderung durchzusetzen und wie vollmundig angekündigt deshalb gar nicht erst "Verhandlungsmasse" mitzufordern, hat
auch er dem normalen Tarifrundenritual entsprochen, was in Deutschland seit Jahren heißt: gut 30% der Ausgangsforderung werden nach vielen
schlechten Stunden in guten Hotels "für die KollegInnen rausgeholt". Peinlich nur, wenn Ver.di dann schon mit 3% in den Ring steigt.
Obendrein reiht sich Bsirske in die Reihe der windelweichen Tarifverhandlungsführer ein, die buchstäblich bis zur letzten Stunde tapfer
verkünden, "am wichtigsten ist eine kurze Laufzeit der Verträge", um dann am Ende mit einer extra-langen Laufzeit herauszukommen,
weil mensch damit die Verhandlungsergebnisse so herrlich schönschminken kann.
Vor diesem die Gesellschaft so Furcht erregend erschütternden Tarifabschluss musizierte
Financial-Times-Keese allerdings in schrillen Tönen: "Kein Gewerkschaftsführer richtet derzeit mehr Unheil an als Frank Bsirske … In den
vergangenen Wochen lief er regelrecht Sturm … Er opponiert gegen jedes Reformprojekt der Regierung längere Ladenöffnungszeiten, das
Bonus-Modell der Krankenkassen, die Rürup-Kommission oder die Abgeltungssteuer … Dabei holt er immer gleich den gröbsten Knüppel
raus … Bsirskes Ton ist apodiktisch und klassenkämpferisch. Von den Sozialdemokraten fordert er Freundschaft ein, spricht selber zu ihnen aber wie ein
Schutzgelderpresser… Er wiegelt seine Zuhörer gegen die ‚Reichen auf … Dafür benutzt er den Duktus populistischer Verführer: Nie
bringt er Beweise, nie antwortet er auf Sachargumente, stets grenzt er Gegner wie ‚die Reichen aus … Damit steht er in der Tradition großer
Populisten wie Lenin oder Reagan, die Meister darin waren, dunkle Gefahren zu beschwören. Bsirske hat freilich nicht das Format seiner Vorbilder. Sein
Terrain sind die Amtsstuben und Vorgärten … Bsirske gehört zu jenen Linken, denen immer erst das komplette System über dem Kopf
zusammenbrechen muss, bevor sie begreifen, dass irgendetwas nicht stimmt … Mit seiner Macht könnte er viel dazu beitragen, die Wirtschaftskrise zu
beenden. Doch weil Bsirske ökonomische Fakten hartnäckig ignoriert, stellt er eine inzwischen ernste Gefahr für die Volkswirtschaft
dar."
Und so weiter und so fort. Fehlt nur noch die Aufforderung: "Hoch Genosse Bsirske
an den Gaslaternenpfahl!" Auch wenn wir ihm alles Schlechte wünschen, so machen wir uns doch ernstlich Sorgen um das Personal der
Bourgeoisie. Es ist grad mal fünf Jahre her, als das Allensbach-Institut per Umfrage ermittelte, dass satte 56% der Deutschen es immer noch für
richtig halten, von Klassen und Klassenkampf im betrieblichen und gesellschaftlichen Alltag zu sprechen. Es werden deshalb Zeiten kommen, wo solche Leute
wie Bsirske zu den wichtigsten Stützen der herrschenden Klasse aufsteigen, um "Schlimmeres zu verhindern". Die geifernden Jungspunte aus
der Kapitalpresse sollten sich deshalb hüten, ihr Pulver schon vor der Zeit und gegen die falschen Leute zu verschießen. Revolution soll doch
schließlich auch ein wenig Spaß machen.
Thies Gleiss
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