SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2003, Seite 4

Verwandlungskünstler Gregor Gysi

Kolumne von Jakob Moneta

Einst hat sich Gregor Gysi unbestreitbar um Existenz und Aufstieg der PDS verdient gemacht. Seine Begabung, auch schwierige Wirtschaftsprobleme denen begreiflich zu machen, die längst aufgegeben haben, sie zu verstehen, verschafften ihm Sympathien.
All dies galt, solange sich Gysi in Opposition zum politischen Establisment befand. Als er jedoch im mit milliardenschweren Schulden belasteten Berliner Senat die Verantwortung für Wirtschaft übernahm, schien er alles vergessen zu haben, was er in der Opposition glasklar zu erklären verstand. Wie sonst hätte er jene überhören können, die den bescheidenen Vorschlag machten, mit der Vertretung von 70000 Menschen zu verhandeln, die Anleihen eines 25 Jahre gültigen abenteuerlich gewinnträchtigen Immobilienfonds gezeichnet hatten? Warum nicht auch mit ihnen Gespräche über einen Sozialpakt und über Verzichte führen, die sie ohne Not erbringen könnten?
Gysi hat sich durch seinen Rücktritt — aus einem nicht überzeugenden Anlass — jeder weiteren Auseinandersetzung entzogen. Der Berliner Senat, einschließlich der mit regierenden PDS, will die Begleichung der gewaltigen Schuldenlast der Stadt vor allem den von ihm Beschäftigten aufbürden.
Gysi wirft den Gewerkschaften vor, sie verteidigten "zu sehr ihre Erbhöfe". Den von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di durchgesetzten Stufenplan für die Angleichung der Osttarife an Westniveau kritisiert Gregor Gysi mit dem Argument, "wirklich sozial wäre vielleicht ein Modell gewesen, auf Erhöhungen im Westen zu verzichten, um den Kollegen im Osten die Westangleichung schneller zu ermöglichen". Auch in der privaten Wirtschaft fehle es den Gewerkschaften oft an Kreativität, Arbeitsplätze zu retten und zu schaffen.
Ein Blick in einem von der PDS herausgegebenen Bericht mit dem Titel "Nichts mehr zu verteilen?" könnte für ihn lehrreich sein.
Christa Luft, die nicht zu den "Linksradikalen" gehört, meint dort: "Öffentliche Hauhalte bersten vor Schulden, aus privaten Taschen quillt Reichtum", und belegt das so: 1500 Milliarden Schulden hat allein der Haushalt des Bundes. Andererseits verfügen etwa 5% der Bevölkerung über 48%, also fast die Hälfte, des deutschen Geldvermögens. Zu einem großen Teil handele es sich dabei um "arbeitslose" Einkommen.
Der gewerkschaftspolitische Sprecher der PDS, Harald Werner, führt aus: "1975 bekamen die abhängig Beschäftigten noch 86,2% ihrer Arbeitsleistung entgolten und 13,8% dienten dem Profit. 1998 bekamen sie nur noch 72% ihrer Wertschöpfung entgolten und 29% verwandelten sich in Kapitaleinkommen … 1999 wurden in Deutschland 294 Milliarden DM leistungslose Einkommen verteilt, Rentner und Pensionäre nicht mitgerechnet. Rund 94% aller Einkommen ohne eigene Arbeitsleistung gingen an die Besitzer von Geldvermögen.
In einem Reichtumsbericht von kirchlicher Seite heißt es, wenn 2 Milliarden Sozialleistungen an Nichtberechtigte gezahlt würden, wie behauptet wird, müsse aber auch erwähnt werden, dass 200 Milliarden am Fiskus vorbei in Steueroasen abwanderten. Die "Erbhöfe des Kapitals" wachsen unaufhörlich und offensichtlich fehlt es ihnen an "Kreativität, Arbeitsplätze zu retten und zu schaffen", während Gysi dies den Gewerkschaften anlastet.

Jakob Moneta

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04