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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2003, Seite 6

Nur konsequent

Schwarz-grüne Koalition im Kölner Stadtrat

"Die ganze Tätigkeit … in der Kommunalverwaltung muss ein Bestandteil der allgemeinen Zersetzungsarbeit des kapitalistischen Systems sein." Dieses Credo ist nun mal kein grünes, sondern entstammt den "Leitsätzen über die Kommunistischen Parteien und den Parlamentarismus", die 1920 auf dem II.Kongress der Kommunistischen Internationale verabschiedet wurden. Daran sollten Linke deshalb auch grüne Kommunalpolitik nicht messen.

Viel Bohai gibt‘s um das erste öko-christliche Bündnis in einer bundesdeutschen Millionenstadt. Die NRW- Grünen unterstützen das Projekt ausdrücklich, sehen es aber nicht als Modell für zukünftige Landeskonstellationen. CDU- Landespolitiker in NRW sind gespalten. Einige sehen darin ein Zukunftsmodell. Andere finden es zwar unter den speziellen Kölner Verhältnissen vernünftig, geben ihm aber keine landes- oder gar bundespolitische Bedeutung.
Warum denn nicht? Welchen Hinderungsgrund sollte es geben, wo die "spezielle Situation" doch allein aus den Mehrheitsverhältnissen nach der Wahl entstanden ist? Einen inhaltlichen? Die CDU ist genau so christlich, wie die SPD sozial und demokratisch ist und die Grünen ökologisch sind.
Viel Bohai auch von "links". Hier wird rummoralisiert. In allen Kölner Kommentaren schwingt irgendwie der Vorwurf der Unanständigkeit gegen die Grünen mit, egal von wem sie kommen, ob Kölner SPD, Kölner DGB, Kölner PDS oder Kölner unabhängige Linke, wie z.B. der Kabarettist Heinrich Pachl.
Die Stadt Köln hat wie die meisten bundesdeutschen Kommunen gewaltige Haushaltsprobleme. Im Rat gab es eine ganz knappe CDU/FDP-Mehrheit, die zur Not bei Abstimmungen auch mal auf den einen Republikaner im Rat zurückgriff. In der Opposition waren SPD, Grüne und PDS. Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) und CDU/FDP wollten den Haushalt durch Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GAG für 420 Millionen an einen privaten Investor sanieren. SPD, Grüne und PDS waren dagegen.
Zweimal scheiterte die CDU im Rat mit ihrem Antrag, weil es in den eigenen Reihen Abweichler gab. Der Hintergrund ist bis heute unklar. Entweder hatte ein CDU-Mitglied mit dem Fraktionsvorsitzenden Bietmann eine alte Rechnung offen oder jemand wollte dem ortsansässigen Bauunternehmer aus der CDU, der bisher seine Aufträge immer sicher von der GAG bekam, einen "Gefallen" tun. Daraufhin verließ die FDP die Ratskoalition.
Rein rechnerisch wäre natürlich auch eine SPD/CDU-Koalition möglich gewesen. Aber die SPD-Fraktion ist wesentlich größer als die der Grünen, und die CDU hätte hier wesentlich mehr Konzessionen bei der Besetzung der Dezernate machen müssen. Mit den Grünen bekam die CDU eine sichere Ratsmehrheit für nur eine Dezernentenstelle. Außerdem sind die SPD-Ratsmitglieder im öffentlichen Kölner Bewusstsein derzeit die Schmuddelkinder im Kölner Rat, weil sie in den letzten zwei Jahren bös wegen Korruption und illegaler Bereicherung aufgefallen waren. Die Grünen dagegen gelten als sauber, sauberer als die CDU selbst.
Die Kölner Ratsgrünen hatten es bisher schwer. Immer haben sie bei den Wahlen überdurchschnittliche Wahlergebnisse erzielt. Seit fast 20 Jahren (seit 1984) sitzen sie mit im Rat und haben bisher trotzdem keine Amtsleiterstelle, geschweige denn eine Dezernentenstelle, bekommen. Dabei wollen die Grünen ja nicht erst seit der Berliner Koalition "Politik mitgestalten".
Anders als in den meisten anderen BRD-Metropolen — Berlin, Hamburg, Frankfurt — und den verschiedenen Landesregierungen kriegten die Kölner das nie hin. Jahrelang, als die SPD noch die stärkste Fraktion im Rat war, herrschte hier der rechte Flügel, der lieber mit der CDU kungelte (und das über Jahrzehnte!) als mit den weniger kalkulierbaren Grünen, die in Köln in den 80er Jahren mit ihrer Kritik an dem von der SPD beherrschten "Kölner Klüngel" politisch groß geworden sind. Und als dann endlich der "linke" Flügel in der Kölner SPD, der ein Interesse an einer Koalition mit den Grünen hatte, mehr Einfluss bekam, verlor die SPD über die Insidergeschäfte ihres Spitzenmanns Heugel die nächste Wahl. Wieder nix.
Nun hätten die Grünen bis zur Kommunalwahl 2004 warten und auf ein Comeback der SPD hoffen können, bevor sie "Verantwortung übernehmen". Aber es ist ziemlich sicher, dass es diese Rückkehr nicht geben wird, denn inzwischen ist die gesamte Kölner SPD, "links" wie "rechts", im Orkus des Müll- und Spendenskandals versunken.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen in Köln, Barbara Moritz, hat deshalb unter den gegebenen Bedingungen in den Koalitionsverhandlungen nur konsequent die Logik exekutiert, die auch die grüne Basis vertritt: Sie will in diesem System mitgestalten, sie will Verantwortung übernehmen und sie will dafür auch die entsprechenden Posten haben.
An einem Punkt haben sich die Grünen durchgesetzt. Die Flüchtlinge in Köln werden nun doch nicht auf Schiffen untergebracht und ihre Zwangsverpflegung wird abgeschafft. Ansonsten sieht es eher düster aus. Der stellvertretene Fraktionsvorsitzende der Grünen sprach von einem "Notstandsregime", mit den härtesten Sparmaßnahmen seit dem Krieg. Aber erst mal wurden dem Bankhaus Sal.Oppenheim, das den geplatzten 420-Millionen-Deal managte und jetzt "nur" noch eine Million für seine Bemühungen bekommt, per Koalitionsvertrag Kompensationen an anderer Stelle zugesichert. Ein ökologisch wertvolles Gelände, das sich im Besitz von Oppenheim befindet, darf nun bebaut werden. Hier haben die Grünen nachgegeben. Eine grüne Bezirksvertreterin hat die Grünen deshalb verlassen.
Die Privatisierung der GAG ist nicht vom Tisch, sie soll jetzt nur in kleineren Häppchen laufen. In der Präambel des Koalitionspapiers feiert der Altmeister schwarz-grüner Denke, Herbert Gruhl, fröhliche Urständ. Hier finden sich seine Floskeln wie die "Wahrung der Schöpfung und Umwelt" und die ideologische Formel für soziale Kälte: "das klare Bekenntnis zur Verantwortung des Einzelnen". Auch die SPD wurde ideologisch noch mit reingepackt durch die Betonung des alten reformistischen Huts: die Illusion von der kommunalen Selbstverwaltung. Wer an sie glaubt, für den ist das Handeln der Kölner Grünen folgerichtig, egal ob das Projekt Schwarz-Grün oder Rot-Grün heißt.

Reiner Schmidt

Reiner Schmidt war von 1979 bis 1984 Bezirksvertreter der "Kölner Alternative", ein Bündnis aus Bunte Liste/Wehrt euch und Grünen; er ist heute Mitglied der Radikalen Linken Köln.



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