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Für Klaus Zwickel wird 2003 kein schönes Jahr. Im Jahr seines Ausscheidens aus dem IG-Metall-Vorstand muss er
einen Prozess wegen seiner Rolle um die Millionenabfindung für den Ex-Mannesmannboss Klaus Esser über sich ergehen lassen und steht
gleichzeitig vor den Trümmern seines großen gesellschaftspolitischen Projekts: dem Bündnis für Arbeit.
Schon unter Kohl vom medialen Meisterstück zur durchgängigen Plattform
für neoliberale Propaganda und betriebliche Kostensenkungsprogramme umgewidmet, schien das Bündnis für Arbeit in den ersten beiden
Jahren von "Rot-Grün" seinen Zweck zu erfüllen. Die Gewerkschaften fuhren einen moderaten Kurs in der Lohnpolitik, schluckten die
Riestersche Rentenreform und erhandelten sich dafür einige Verbesserungen im Betriebsverfassungsgesetz; aus konjunkturellen Gründen gab es
vorübergehend weniger Erwerbslose. Zu Beginn der Tarifrunde 2002 war das Bündniss passé, die IG Metall konnte einer Lohnleitlinienpolitik
nicht weiter nachgeben, zu dreist war der Druck der Unternehmer, zu groß der Unmut in den Betrieben. Später im Jahr warteten
Unternehmervertreter wie Gewerkschaften auf das Ergebnis der Bundestagswahl.
Fünf Monate nach der Wahl ist die dritte Stufe des Bündnis für Arbeit schon
in der Startphase implodiert. Die Zeiten haben sich geändert.
1. Die Wähler verhinderten zwar den Wunschkandidaten der Unternehmer, Edmund Stoiber. Gerhard
Schröder sorgte allerdings sofort nach der Wahl dafür, dass die Kapitalseite nichts zu jammern hatte: Wolfgang Clement wurde Wirtschafts- und
Arbeitsminister und damit wurde das Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit zur OneMan-Show kreiert. Clement ist biographischer
und programmatischer Ausdruck davon, dass die hinter der Trennung zwischen Wirtschafts- und Arbeitsministerium steckende schwache Ahnung von zu
beachtenden Interessengegensätzen für ihn nicht gilt. Im Gegensatz zu Norbert Blüm und dem von Schröder fallengelassenen Walter
Riester hat Clement keinerlei persönlichen Bezug zur Gewerkschaftsbewegung. Mit Clement in einem neuaufgelegten Bündnis für Arbeit war
weder damit zu rechnen, dass er sich wie Schröder als Moderator präsentieren, noch insgeheim als parteilicher Partner der Gewerkschaften
erweisen würde. Clement macht den gleichen Job in Berlin, den er auch als Ministerpräsident in NRW erledigt hat: Abbau aller
Entwicklungshindernisse für Klein- und Mittelbetriebe, Senkung ihrer Kosten und Reduzierung gesetzlicher und behördlicher Auflagen.
Irgendetwas könnte das auch mit Arbeitsplätzen zu tun haben.
Die Forderungen des Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt, die bei Ver.di und IG Metall
das Fass zum Überlaufen brachten, nämlich einer Ausbildungsgarantie nur bei Lohnerhöhungen unterhalb der Produktivitätssteigerung,
Einschnitten im Kündigungsrecht, Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen und Senkung der Sozialversicherungsbeiträge zuzustimmen,
ist in den Grundzügen auch Clements Programmatik. Um diese Politik durchzusetzen, ist Clement nach den Wahlen in Hessen und Niedersachsen weniger
auf die Gewerkschaften als vielmehr auf eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit der CDU angewiesen.
2. Obwohl Schröder im Wahlkampf weder den Gewerkschaften noch den Beschäftigten irgendetwas
versprochen hatte, brach nach dem Wahlsieg von "Rot-Grün" eine wie von langer Hand geplante mediale Großoffensive gegen den
Einfluss der Gewerkschaften und ihre sozialpolitische "Bremserfunktion" los. Statt sich diesen Angriffen inhaltlich zu stellen, rieb man sich in den
Gewerkschaftsvorständen aber lediglich an den antigewerkschaftlichen Temperamentsausbrüchen von Merz und meinte, damit davon gekommen zu
sein. Dem ist nicht der Fall: Mittlerweile ist die Bremsklotzpropaganda auch in den Betrieben angekommen. Immer da, wo Beschäftigte meinen, nicht
direkt betroffen zu sein, stellen sie den gleichen "großen Reformbedarf" fest, wie die veröffentliche Meinung. Mangels alternativer
Inhalte, um die breite mobilisiert würde, kann man sich Lösungen für die Arbeitslosigkeit und die Sozialversicherungssysteme nur in ihrer
neoliberalen Variante vorstellen. Jetzt schlagen die gewerkschaftlichen Kungelrunden der letzten vier Jahre im Kanzleramt und Arbeitsministerium voll nach
hinten los.
3. DGB-Chef Sommer will über den Kündigungsschutz verhandeln, wenn belegt wird, dass damit neue Jobs
geschaffen würden. Die gesetzliche Höchstarbeitszeit stellt er ebenso zur Disposition wie die Sozialauswahl bei Entlassungen. Die perfide
Begründung: Die Kriterien Alter, Betriebszugehörigkeit und soziale Situation müssten gekippt werden, weil sie allzuoft die
Leistungsschwächsten schützten, was nicht im Sinne der Belegschaften sei. Das ist die Logik der vorbismarckschen Vernutzung der menschlichen
Arbeitskraft. Aussonderung ist notwendig, um die "Leistungsträger" zusammenzuhalten.
Während in den Gewerkschaften noch für Sympathie für Hartz mit dem
Argument geworben wurde, mittels der PersonalServiceAgenturen ältere Erwerbslose wieder in den Arbeitsprozess integrieren zu können, treten
dieselben Funktionäre ein knappes halbes Jahr später für bessere Entlassungsmöglichkeiten von Leistungsschwächeren ein
und das sind häufig die Älteren. Beschäftigungszwang und Entrechtung ist die Achse, entlang derer neue nationale Bündnisse
in Kriegszeiten geschlossen werden. Die passenden Zuchtmeister sind auf allen Seiten nachgewachsen und beginnen, das Kommando zu
übernehmen. Und alle rufen: Gerhard, bleib hart.
Udo Bonn
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