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Am Dienstag, dem 21.Januar, war es wieder soweit. Die Ölfässer wurden nach draußen gerollt, die Feuer
entfacht und die Streikposten besetzt. Die britische Feuerwehrgewerkschaft FBU trat zu einem weiteren eintägigen Streik an.
Zuvor hatte es ein langwieriges Schlichtungsverfahren gegeben. Es scheiterte
hauptsächlich daran, dass die Blair-Regierung sich beharrlich weigerte, ein Verhandlungsangebot zu machen. Obwohl FBU-Verhandlungsführer
bereit waren, von der ursprünglichen Forderung nach 40% Gehaltserhöhung abzuweichen und auf 16% herunterzugehen, kam nie der Hauch einer
Einigung zustande.
Im Gegenteil, die Regierung ging zum Generalangriff auf die Feuerwehrgewerkschaft
über. Sie stellte ein umfangreiches Kürzungsprogramm auf. Würde es umgesetzt, bedeutete dies umfangreiche Entlassungen sowie ein
massives Zusammenstreichen des Brandschutzes, sodass er, nach Angaben der FBU, nicht mehr zu gewährleisten wäre.
Weiterhin kündigte die Regierung an, demnächst den gesamten Feuerschutz
zwangsweise zu zentralisieren, um die von der Regierung angedrohten Maßnahmen notfalls gewaltsam durchzusetzen. Dies würde auch ein
Streikverbot für Feuerwehrleute beinhalten. Eine Klage der FBU dagegen wurde vor einigen Tagen abgewiesen.
Die Gewerkschaftsführung versucht jetzt, das Schlimmste abzuwenden, indem sie von
einstigen Grundsatzpositionen abweicht. Neuester Stand der Dinge ist, dass die Gewerkschaftsführung nunmehr bereit ist, mit der Regierung über
eine neue Aufgabenverteilung für Feuerwehrleute zu verhandeln. Damit akzeptiert sie eine zentrale Forderung der Regierung. Neuregelung der
Aufgabenverteilung kann nämlich bedeuten, dass Aufgabenbereiche anderer Rettungsdienste künftig auf Feuerwehrleute abgeschoben werden. Dann
stünde weitreichenden Personalkürzungen bei den britischen Rettungsdiensten nichts mehr im Wege.
Inzwischen gibt es vermehrt Repressalien gegen Gewerkschafter der FBU. In Birmingham wurde der Feuerwehrmann Steve Godward überraschend
gefeuert, angeblich weil er versucht haben soll, Ausrüstungsgegenstände in einer Feuerwache zu entwenden und zu beschädigen. Allein die
Anschuldigung ist eine Beleidigung für alle FBU-Mitglieder. Feuerwehrleute haben einen sehr hohen moralischen Anspruch an sich und ihre Arbeit. Viele
von ihnen machen den Job nicht nur des Geldes wegen, sondern auch weil sie etwas Positives für die Menschen und die Wohngegenden machen wollen, in
denen sie leben. Feuerwehrleute sind in der englischen Gesellschaft hoch angesehen.
Dieser Anspruch verbietet es ihnen absolut, ihre Ausrüstung zu zerstören. Im
Gegenteil, sie verwenden viel Aufwand darauf, ihre Arbeitsmaterialien im Streikfall sicher zu verwahren. Steve Godward befolgte die Anweisung eines
Vorgesetzten, seine Gerätschaften vor Beginn des Streiks sicher wegzuschließen, sodass sie nicht gestohlen werden können. Dies wird ihm
nun als Sabotageversuch vorgehalten.
Leider sind es nicht nur Kriminelle, die ein Auge auf die Geräte werfen könnten.
Auch die Arbeitgeberseite denkt darüber nach, Ausrüstungen aus Feuerwachen gewaltsam entfernen zu lassen. Einerseits soll damit ein
psychologischer Effekt erzielt werden. Bis jetzt benutzt die Armee, die im Streikfall die Feuerwehr ersetzt, völlig veraltetes und im Großen und
Ganzen nutzloses Material.
Wenn der Armee bspw. Löschzüge in die Hände fielen, könnte damit
der Eindruck erweckt werden, die Regierung habe die Lage völlig unter Kontrolle, und qualifizierte Feuerwehrleute seien eigentlich gar nicht nötig.
Dass Soldaten nicht für den Gebrauch von professioneller Löschtechnik ausgebildet sind und das von ihnen eroberte Material
höchstwahrscheinlich sehr schnell ruinieren würden, fällt dabei für die Regierung nicht weiter ins Gewicht.
In der FBU werden die Drohgebärden hart diskutiert. Für
die meisten Feuerwehrleute besteht kein Zweifel mehr, dass der Disput die Dimension einer
reinen Lohnauseinandersetzung längst überschritten hat. Viele glauben inzwischen, dass die Regierung die FBU zerstören und den
professionellen Feuerschutz in England zerschlagen will. Fast ebenso stark ist der Wille der Gewerkschaft, diese Herausforderung anzunehmen. Sollte es zu
einem Verbot von Feuerwehrstreiks kommen so die vorherrschende Meinung , würde erst recht gestreikt werden.
Sollte es so weit kommen, wäre dies ein großer Schritt für die englische Gewerkschaftsbewegung. Unter der Regierung Thatcher in den
80er Jahren wurde ein ganzes Netz von gewerkschaftsfeindlichen Gesetzen gewebt, unter Blair wurde es weiter ausgebaut. Politische Streiks und
Sympathiestreiks wurden verboten. Sympathiestreiks sind Streiks anderer Berufsgruppen und Gewerkschaften zur Unterstützung eines Arbeitskampfs.
Würde der Feuerwehrstreik verboten, hätten Sympathiestreiks eine große
Bedeutung. Würde die FBU trotz Verbot streiken, wäre es das erste Mal seit sehr langer Zeit, dass eine britische Gewerkschaft ein
Antigewerkschaftsgesetz bricht. Nach den Regeln des Gesetzes würde jedes einzelne FBU-Mitglied damit einen kriminellen Akt begehen.
Aber die FBU ist eine sehr kleine Gewerkschaft mit nur etwa 50000 Mitgliedern. Allein
könnte sie einen solchen Kraftakt nicht durchstehen. Sie ist auf Solidarität aus anderen Berufsgruppen angewiesen. Das bedeutet gewerkschaftliche
Solidarität bis hin zum Generalstreik. Viele FBU-Mitglieder verweisen darauf, dass ein Streikverbot für eine Gewerkschaft eine Bedrohung
für die gesamte Gewerkschaftsbewegung ist, die entsprechend abgewendet werden muss. An injury to one is an injury to all.
Eine Streitfrage ist, wie der britische Dachverband TUC reagieren wird. Dessen
Führungsspitze kündigte vollmundig größtmögliche Unterstützung für die Feuerwehrleute an, davon war bisher
jedoch nichts zu sehen. Eher im Gegenteil. Als vor einigen Monaten klar wurde, dass es hier zu Streiks kommen würde, rief die TUC-Führung eine
sog. Kontaktgruppe ins Leben. Sie sollte angeblich der Feuerwehrgewerkschaft unterstützend zur Seite stehen. Stattdessen kontaktierte die Gruppe im
Wesentlichen die Seite der Arbeitgeber und begann separate Verhandlungen ohne jegliche Absprache mit der Feuerwehrgewerkschaft. Dieser wurde noch nicht
mal ein Vertreter in der Kontaktgruppe zugebilligt.
Ob der TUC einen Generalstreik unterstützen oder gar zu einem solchen aufrufen wird,
dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Viele FBU-Mitglieder glauben nach wie vor, dass sie nicht im Stich gelassen werden. Doch Skepsis ist angesagt. Als
zuletzt in den 80er Jahren während des großen Streiks der Bergarbeiter die Frage nach einem Generalstreik gestellt wurde, weigerte sich der TUC
beharrlich, dazu aufzurufen. Am Ende scheiterte der Streik nach langem Kampf auch, weil die anderen Gewerkschaften keine praktische Solidarität
übten.
Nun hat es in vielen großen britischen Gewerkschaften in den letzten Jahren einen spürbaren Linksruck gegeben. Teilweise wurden sogar
Personen mit linkem oder sozialistischem Anspruch zu Gewerkschaftsvorsitzenden gewählt, bspw. bei der potenziell sehr mächtigen
Eisenbahnergewerkschaft RMT. Als Rob Crow zum Vorsitzenden gewählt wurde, kam aus der rechten, bürgerlichen Ecke des Landes ein Aufschrei
des Entsetzens. Die Wahl eines Linken wie Crow sei ein böses Omen, nun würde das finstere Zeitalter gewerkschaftlicher Kampfbereitschaft und
Militanz wieder anbrechen.
Und tatsächlich wurde Crow gerade wegen seiner relativ linken Auffassungen
gewählt. Zum Beispiel ist er gegenüber der Privatisierungspolitik sehr kritisch und vertritt die Auffassung, die britischen Eisenbahnen
müssten wieder verstaatlicht werden. Auch den Streik der Feuerwehrleute unterstützt er wortstark. In der Praxis hat er allerdings relativ wenig
unternommen. Als Hunderte Angestellte der Londoner U-Bahn während des Feuerwehrstreiks nicht zur Arbeit erschienen mit der Begründung, die
U-Bahnen könnten ohne professionellen Feuerschutz nicht sicher betrieben werden, erklärte die Eisenbahnergewerkschaft dies nicht zu einer
offiziellen Gewerkschaftsaktion.
In England haben Gewerkschaften das Recht zu streiken, wenn an einem Arbeitsplatz gegen
Sicherheitsvorschriften verstoßen wird. Die Eisenbahnergewerkschaft hätte der Aktion der U-Bahner Gewicht verleihen können, indem sie
ihrerseits den Streik gegen unannehmbare Sicherheitsrisiken ausrief. Dies hat sie versäumt, deshalb kam es anschließend zu Repressalien gegen
einige an der Aktion beteiligte Arbeiter.
Die britische Gewerkschaftsbewegung hat noch ein weiteres Problem, das sich gerade im Fall der Feuerwehrgewerkschaft offenbart. In den 90er Jahren kam
es in allen Gewerkschaften zu einem Mitgliederschwund. Die Niederlagen während der Thatcher-Zeit, insbesondere die Zerschlagung der
Bergarbeitergewerkschaft, raubten den meisten Aktivisten den Mut. Hinzu kamen Ereignisse wie der Fall der Mauer, die kapitalistische Umwälzung in
Osteuropa und die neoliberale Offensive in der ganzen Welt mit Privatisierungsmaßnahmen und Sozialabbau.
Die britische Gewerkschaftsbewegung fühlte sich geschlagen, Kämpfe fanden
für eine lange Zeit nicht mehr statt. An der Spitze der meisten Gewerkschaften standen und stehen auch heute noch gesichtslose und rechtsgerichtete
Bürokraten mit einem hohen Gehalt und uneingeschränkter Regierungstreue.
In den letzten zwei Jahren hat ein langsamer Umschwung begonnen, wie die Wahl von Linken
in Führungspositionen zeigt. Erstmals gibt es wieder einen Anstieg von Streiks in England, der Tiefstand ist überwunden. Jedoch gibt es gerade an
der Basis vieler Gewerkschaften, insbesondere in der Feuerwehrgewerkschaft, starke organisatorische Schwächen. Die FBU besitzt derzeit keine Struktur,
innerhalb derer sich Gewerkschafter austauschen können. Dabei war es gerade die Vernetzung auf örtlicher Ebene, die der Gewerkschaft
früher einen großen Teil ihrer Stärke gab. Diese Strukturen waren auch immer ein Gegengewicht zu den eher konservativen Führungen
der Gewerkschaften auf landesweiter Ebene.
Solche Strukturen müssen wieder aufgebaut werden. Ein erster Ansatz könnte eine
Webseite sein, die von einem Aktivisten der FBU aufgebaut wurde. Sie hat sich in den letzten
Monaten zu einem vielbesuchten Treffpunkt und Diskussionsort für Aktive der FBU entwickelt. Finanziert und getragen wird sie durch Spenden von der
Gewerkschaftsbasis. Jedoch kann dies nur ein Anfang sein. Der Erfolg des Streiks wird davon abhängen, ob es kämpferischen Aktivisten gelingt,
innerhalb der FBU Organisationsstrukturen aufzubauen.
Auch muss für Unterstützung aus anderen Gewerkschaften geworben werden.
Kommt sie nicht von oben, muss sie von unten durchgesetzt werden. Die britischen Feuerwehrleute haben massive Unterstützung innerhalb der
Bevölkerung. Aber nur, wenn sie genutzt wird, kann der Arbeitskampf erfolgreich sein.
Christian Bunke (London)
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