SoZ Sozialistische Zeitung |
Frage: Wofür steht die PFLP?
Ahmad Saadat: Die PFLP ist eine linke demokratische Partei, die auf nationaler Ebene für eine demokratische, menschliche
Lösung des arabisch-israelischen Konflikts eintritt, für einen demokratischen Staat in ganz Palästina, dessen politisches System auf der
Gleichberechtigung seiner Bürger beruht, einen Staat, frei von religiöser, rassischer und sexueller Diskriminierung. Dies ist das strategische
langfristige Ziel, das den Konflikt wirklich beenden, die Ursachen der Gewalt ein für alle Mal beheben und die Gleichberechtigung aller Menschen in
Palästina garantieren würde.
Doch weil wir in der PFLP wissen, dass die Machtverhältnisse auf nationaler, regionaler
und internationaler Ebene diese Lösung vorläufig nicht zulassen, sehen wir in einer Lösung auf der Basis internationaler Resolutionen, die die
Besatzung der palästinensischen Gebiete von 1967 inkl. Jerusalems beendet und die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts sowie die
Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge entsprechend der UN-Resolution 194 (von 1949) garantiert, einen ersten Schritt, um dieses
strategische Ziel [des binationalen Staates] zu erreichen. Denn damit könnte die Gewalt gestoppt und eine Tür für einen politischen,
kulturellen, menschlichen Dialog eröffnet werden, um schließlich ein politisches demokratisches System für ganz Palästina aufzubauen.
Denn eine Separation ist aufgrund der historischen und demografischen Fakten nicht
möglich. Andererseits darf keine Lösung erzwungen werden, die das jüdische demografische Problem auf Kosten der Palästinenser
oder umgekehrt löst. Dies ist ein kompliziertes Problem, für das nur dann Lösungsansätze entwickelt werden können, wenn die
zionistische militärische Besatzung, die unser Volk unterdrückt und seine Weiterentwicklung verhindert und ihm sein politisches
Selbstbestimmungsrecht verwehrt, beendet wird.
Auf regionaler Ebene sind wir als Palästinenser Teil einer arabischen Nation, die
historische Wurzeln hat und deren Teilung in kleinere Nationalstaaten durch die Kolonialmächte die Bedingungen für die soziale und kulturelle
Entwicklung beeinträchtigt hat, und zwar durch die Konzentration der Ressourcen in Teilen, die von reaktionären, geschlossenen, autokratischen
Systemen beherrscht werden, die diese Ressourcen verschwenden und ihre Abhängigkeit vom kapitalistischen imperialistischen System vertiefen,
während es in anderen Teilen brutale, diktatorische Regime gibt. Diese Regime werden von bürgerlichen Klassen gestützt, die die Rolle des
Komplizen eingenommen haben, was ihre Beziehungen mit dem internationalen System und der weltweiten Arbeitsteilung angeht.
Die Logik der Geschichte besagt, dass diese Nation ihren natürlichen Weg zur Einheit
gehen wird genauso wie die europäischen Staaten sich zu einer demokratischen Einheit zusammengeschlossen haben und die Voraussetzungen
für ihre Entwicklung durch den demokratischen Kampf geschaffen haben. Wir arbeiten daran, diese Einheit zu erreichen und ein modernes,
demokratisches, fortschrittliches arabisches System zu schaffen, eine Art Renaissance der arabischen Nation mit guten Beziehungen zu den anderen Nationen auf
der Basis der Gleichberechtigung.
In diesem Sinne sind wir praktisch Teil des Kampfes der Völker dieser Welt und aller
fortschrittlichen Kräfte für Frieden, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Wir kämpfen für die Begründung einer menschlichen
Kultur, die die nationalen Besonderheiten und Interessen respektiert und gleichzeitig an der Konstituierung einer internationalen Gesellschaft mitarbeitet, die frei
ist von Krieg, Gewalt, Diskriminierung und Unterdrückung.
Unsere natürliche politische Heimat sind auch alle internationalen
Zusammenschlüsse von Kräften, die gegen die imperialistische Globalisierung vorgehen, die auf der Unterdrückung armer Völker, der
Zerstörung der Umwelt sowie darauf beruht, für Krieg, Mord und Gewalt den Boden zu bereiten.
In diesem Sinne sind wir auch eine volksnahe Partei, die den Kampf auf der Grundlage der
nationalen Befreiung mit dem Ziel des Aufbaus einer sozialen, demokratischen und modernen palästinensischen Zivilgesellschaft führt. Dieses Ziel
wollen wir durch die Teilnahme aller Institutionen der Zivilgesellschaft (von Jugend-, Menschenrechts-, Gesundheits-, Landwirtschafts-, Studenten-,
Frauenorganisationen und von Gewerkschaften) erreichen. Wir glauben an die freie Wahl der Menschen und an deren politische Verantwortung, die Strategien
und Programme des politischen, demokratischen und sozialen Kampfes selbst zu bestimmen.
Frage: Vor wenigen Monaten hat die EU die PFLP auf die sog. Terrorliste für Gruppen, deren politische Aktivitäten in der EU
nicht toleriert werden, gesetzt. Was sind die Gründe und welche Konsequenzen können sich daraus ergeben?
Ahmad Saadat: Ich weiß nicht, mit welchen Maßstäben die EU die Entscheidung getroffen hat, die PFLP auf die schwarze
Liste terroristischer Organisationen zu setzen.
Sind es die Prinzipien, wie sie sich in internationalen Gesetzen, in der Erklärung der
Menschenrechte und in den Genfer Konventionen niedergeschlagen haben? Wir sehen uns keinesfalls im Widerspruch zu diesen Prinzipien. Ganz im Gegenteil,
wir glauben, wir sind in unserer Arbeit sehr im Einklang mit diesen Prinzipien, Gesetzen und Vereinbarungen. Wir haben diese auch immer respektiert in
unserem Kampf um Freiheit und kulturelle Identität, obwohl uns seit mehr als 55 Jahren in diesem Kampf extrem unverhältnismäßige
Bedingungen aufgezwungen werden, und trotz des erbitterten Vernichtungskriegs und der brutalen Zerstörung, die Israel und seine Kriegsmaschinerie
gegen uns führt und betreibt.
Oder ist es eine Antwort auf den Schrei von Präsident Bush: "Wer nicht mit uns
ist, ist gegen uns"? dieser Schrei, der vielleicht bald alle europäischen Staaten und Völker und sogar die Teile des amerikanischen
Volkes selbst, die einen Krieg gegen den Irak ablehnen, auf die Liste der "Terror unterstützenden Staaten und Völker" setzen wird?
Oder ist es die israelische Definition, dass, wer immer sich gegen die Besatzung auflehnt, ein
Terrorist ist oder bestenfalls den Terror unterstützt?
Ehrlich gesagt sehen wir darin nur Willkür und eine voreingenommene Sicht auf den
Konflikt, aber auch einen Abschied von internationalen Prinzipien und Vereinbarungen. Hier wird die verwirrende zionistische Lesart bedient, die Israel als
Opfer des Terrors präsentiert, ohne die Fakten und die Listen der Opfer zu überprüfen. Es werden nicht die Kriegsbedingungen
überprüft, die den Palästinensern aufgezwungen werden. Nicht, wie viele palästinensische Kinder an den Checkpoints erschossen
werden, oder auf den Demonstrationen. Kinder mit Steinen, die die Panzer nicht einmal ankratzen können. Nicht, wie viele Kinder, Frauen und Alte
zuhause durch Flugzeug- und Panzerangriffe ermordet werden. Nicht, wie viele politische Aktivisten liquidiert oder verhaftet werden. Denn die zionistische
Lesart, die von den USA übernommen wird und die den israelischen Krieg gegen uns als eine Art Selbstverteidigung auffasst, macht sich auch in Europa
breit, wenngleich die Politik der EU in der Form etwas anders ist, nicht aber im Inhalt.
Vielleicht wurde die PFLP auf die schwarze Liste der EU gesetzt, weil sie einen rassistischen
Minister ermordet hat, der für mehrere Massaker durch die Palmach-Milizen, für die er gearbeitet hatte, verantwortlich war, offen für unsere
Vertreibung im Rahmen einer ethnischen Säuberung eintrat und an den Entscheidungen zur Ermordung von Frauen, Kindern und politischen
Anführern (u.a. des Genossen Abu Ali Mustafa) beteiligt war. Aber wenn eine Logik besagt, dass, wer eine israelische Persönlichkeit ermordet, vor
Gericht gestellt, bestraft und als Terrorist abgestempelt werden soll, wer soll denn dann der Gerechtigkeit wegen oder wenigstens aus Ausgewogenheit diejenigen
vor Gericht stellen, die ein ganzes Volk und seine gesamte Führung ausrotten wollen?
Ich möchte an dieser Stelle die EU auffordern, die im Zusammenhang des Konflikts
maßgeblichen Fakten noch einmal zu bewerten und dabei die tatsächliche Beschaffenheit unseres Kampfs in Betracht zu ziehen.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04