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Seit dem Eintritt der PDS in den Senat im Januar 2002 ist das Berliner Stadtregime u.a. durch ihr Wirken zum
rückschrittlichsten und beschäftigtenfeindlichsten seit 1945 degeneriert. Unter den Entscheidungen sind folgende hervorzuheben:
Der Entschluss, einer Institution der Unternehmerverbände der am 31.10.02
gegründeten European School of Management and Technology das ehemalige DDR-Staatsratsgebäude samt zugehörigem
Grundstück kosten- und mietfrei zur Verfügung zu stellen. Die überschuldete Stadt verzichtet damit auf etwa so viel Einnahmen, wie durch
Anhebung der Kita-Gebühren aus Berliner Werktätigen herausgepresst werden sollen.
Eine am 21.1.03 verfügte saftige Fahrpreiserhöhung der Verkehrsbetriebe, die
voll die Massen trifft. Zwar war die PDS-Fraktion dagegen, doch stimmten ihre Senatoren dafür.
Der am 28.1. beschlossene Nachtragshaushalt für dieses Jahr. Er bringt u.a. die
Aufhebung der bisher geltenden Lehrmittelfreiheit für zwei Drittel aller Eltern, Kürzung der Zuschüsse zum Telebus-Fahrdienst für
Behinderte, Kürzungen im Sozialwesen sowie von Mitteln zur Unterhaltung verfallender Schul- und anderer öffentlicher Gebäude, Streichung
der Sozialen Künstlerförderung. In der Hauptstadt eines der reichsten Länder von Europa werden viele Kunstschaffende auf Sozialhilfe
angewiesen sein auch dank sog. "demokratischer Sozialisten".
Empörend wie diese Grausamkeiten ist die gewerkschaftsfeindliche Kampagne, die SPD
und PDS im Zusammenhang mit dem angestrebten "Sozialpakt" zur Senkung der Personalkosten bei öffentlich Bediensteten führten.
Dieses Jahr sollen hier 250 Mio., in den folgenden jeweils 500 Mio. Euro eingespart werden, was zusammen 12000 Stellen von insgesamt 160000 derzeit
vorhandenen entspricht. Am 20.9.02 forderte der Senat von den Gewerkschaften, einem "Einstellungskorridor" für 4000 Lehrer, 1900
Polizisten und 1100 andere, darunter Feuerwehrleute, dem Verzicht auf Lohn- und Gehaltserhöhungen für vier Jahre, auf Urlaubs- und das halbe
Weihnachtsgeld für drei Jahre und einer verkürzten Wochenarbeitszeit bei entsprechenden Lohn- und Gehaltseinbußen zuzustimmen
z.T. gegen geltende Verträge. Die DGB-Gewerkschaften Ver.di, GEW und GdP sowie der Beamtenbund lehnten das ab. Sie unterbreiteten
Gegenvorschläge zu halbwegs vertretbaren Sparmaßnahmen.
Am 17.10. ließ der Senat die Verhandlungen platzen, bezichtigte die Partner, daran
schuld zu sein, und verfügte eine Alternative zu seinem ursprünglichen "Angebot". Sie beinhaltet die Erhöhung der Arbeitszeit
für alle Beamten, auch für Lehrer und Polizisten, von 40 auf 42 Wochenstunden, einen Lohn- und Gehaltsstopp von Januar 2004 bis mindestens
2006, wozu der geltende Tarifvertrag gekündigt wurde, den Austritt des Landes aus der Vereinigung Kommunaler Unternehmer, um auch die im
Staatsdienst Beschäftigten zum Verzicht auf Lohnerhöhungen zu zwingen, Bemühungen beim Bundesrat um eine Öffnungsklausel
für Berlin, damit die Beamtengehälter eingeschränkt werden können, und betriebsbedingte Kündigungen nach Ende des
Kündigungsschutzes 2005, wenn all das nicht zum veranschlagten Sparerfolg ausreicht.
Der Senat setzte diese Maßnahmen zügig um. Der Austritt aus dem
Arbeitsgeberverband wurde schon am 6.1.03 unterzeichnet, um die in der neuen Tarifrunde vereinbarten Lohn- und Gehaltserhöhungen für die
Hauptstadt sofort zu verhindern.
390 Lehrerreferendare werden nicht eingestellt und verlieren so auch den Anspruch auf
Arbeitslosengeld. Ihre im Amt befindlichen Kollegen dürfen genau wie Polizeiangehörige usw. mehr arbeiten. Ein weitergehender
Verschleiß und die Überalterung des Lehrkörpers, somit neue Glanzlichter in künftigen PISA-Studien, sind vorprogrammiert.
Die Chefs der Koalitionsfraktionen, Michael Müller (SPD) und Stefan Liebich (PDS),
auch PDS-Haushaltsexperte Marian Krüger rechtfertigten den Senats-Ukas mit flotten Sprüchen von der Art, ihnen bleibe wegen der sich
auftürmenden Schulden nichts anderes übrig. Zugleich jammerten sie über die Unbeweglichkeit der Gewerkschaften. Im ND vom 17.1. lobte
Lokalredakteurin Nölte das "rot-rote" Hauptstadtregime deshalb, weil es sein Versprechen "Mit Mut für Berlin"
wahrgemacht habe. Die Bediensteten stünden nun vor der Frage: Entweder sie erzwingen durch gewerkschaftlichen Kampf "ein paar Euro mehr,
dann wären Stellenabbau und noch höhere Arbeitslosigkeit, weniger staatliche Leistungen für alle Berliner und weiter heruntergeschraubte
Investitionen die logische Folge. Oder, sie verzichten auf Tariferhöhungen und gewinnen dafür mehr Freiheit und vor allem einen weiter gesicherten
Arbeitsplatz und ganz sicher den Respekt vieler Berliner."
Kein Wort darüber, dass die Reichen, Großunternehmer, Banker und
Nutznießer der hauptstädtischen "Schweinefonds" zur Kasse gebeten, auch Großkopfete der deutschen Politik einmal zu sozialen
Leistungen herangezogen werden könnten, wie Grazer KPÖ-Vertreter sie freiwillig erbringen. Möglicherweise müssten einige
Bundesgesetze geändert werden, oder Bundesinstanzen müssten zustimmen. Was hindert den Senat daran, wie in Sachen Öffnungsklausel
geschehen an solche Instanzen heranzutreten?
Die Gewerkschaften verurteilten den Senats-Ukas. Sie wiesen darauf hin, dass besonders der
Blitzausstieg aus dem kommunalen Arbeitgeberverband von langer Hand vorbereitet war, aber erst die Bundestagswahl abgewartet werden sollte, weshalb die
"Rot-Roten" bei Verhandlungen über den "Solidarpakt" monatelang nichts Wesentliches vorbrachten. Susanne Stumpenhusen,
Landesvorsitzende von Ver.di, wertete den Ukas als einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik.
Der stellvertretende DGB-Landeschef Rissmann erklärte, in langjähriger
gewerkschaftlicher Praxis habe er "noch nie einen Arbeitgeber erlebt, der so wie dieser Senat seine Positionen als Diktat durchsetzen will". GEW-
Landesvorsitzender Ulrich Thöne äußerte, der Senat mache sich "zur Speerspitze derjenigen reaktionären Kräfte in
Deutschland, die den Flächentarif vernichten wollen. Nicht von ungefähr titelte die FAZ: "Nachahmer gesucht".
Kehrseite der Medaille unsozialer Sparmaßnahmen ist der fortdauernde Skandal um die
Bankgesellschaft Berlin (BGB). Nutznießer der "Schweinefonds" werden weiter mit Steuergeld ausgehalten, sodass die Schuldenlast der Stadt
auch deshalb ins Unermessliche steigt. Untersuchungen werden von der BGB blockiert, besonders durch Verweigerung von Akten. Die strafrechtliche
Verfolgung Verantwortlicher blieb entgegen ursprünglicher Ankündigung weitgehend aus. Anklage wurde nur in drei Fällen erhoben und
gegen Aufsichtsratsmitglieder nicht einmal ermittelt. Die Sittenwidrigkeit der "Schweinefonds" blieb ununtersucht. Statt vorgesehener elf
Wirtschaftsprüfer hat die Staatsanwaltschaft nur sechs eingestellt, was ebenfalls auf Verschleppung hinausläuft.
Die Berliner PDS hat inzwischen einen derart hohen Grad irdischer Verkommenheit erreicht,
dass 80% ihrer Delegierten beim Landesparteitag am 22.2.03 einer Fortsetzung des bisherigen antisozialen Kurses zustimmten. Zugleich bestätigten sie
Liebich in beiden von ihm eingenommenen Posten, als Landes- wie als Fraktionsvorsitzenden. Sie trafen so einen wichtigen Vorentscheid dafür, dass die
PDS nur noch durch ein Wunder als sozialistische Organisation gerettet werden kann.
Wie weit die Anpassung PDS-Oberer an das spätkapitalistische System geht, kann auch
an kleineren Beispielen demonstriert werden. Gregor Gysi etwa überholte in der Magdeburger Volksstimme den Autokanzler Schröder von rechts
und schwor auf Erhard, wobei er diesen falsch interpretierte. Er beschimpfte die Gewerkschaften wegen ihres Festhaltens an Lohnforderungen und
Flächentarifen als "Traditionalisten", "Erbhofverteidiger" und "Strukturkonservative" und wertete es
demgegenüber als ideal, wenn die Ostlöhne nicht heraufgesetzt, sondern die Westlöhne relativ verringert würden, um einen Ausgleich
zu erzielen.
Manfred Behrend
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