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Die jüngsten Angriffe gegen die Gewerkschaften aus den Reihen von CDU und FDP zeigen, dass die Bourgeoisie bei ihrer
neoliberalen Offensive gegen die Arbeiterklasse die Gewerkschaften nur noch als Hindernis betrachtet.
Seit Monaten verschärfte sich der Ton zwischen CDU/CSU und FDP einerseits und den
Gewerkschaften andererseits. Höhepunkte einer breit angelegten Stimmungsmache gegen die organisierte Gewerkschaftsbewegung waren die
Äußerungen des früheren CDU-Fraktionsvorsitzenden Merz, dass CDU-Leute aus den Gewerkschaften austreten sollten und dass die Macht der
Gewerkschaften gebrochen werden müsse, und des FDP-Vorsitzenden Westerwelle, die Gewerkschaften seien eine "Plage für dies Land".
Gemeinsamer Tenor der reaktionären Kampagne: "Die Gewerkschaften sind die politischen Bremser", was eine Schuldzuweisung wegen der
wachsenden Arbeitslosigkeit sein sollte, und von den Verantwortlichkeiten der Unternehmen für die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen
ablenken sollte.
Ebenfalls gehörte zu den Vorwürfen, dass der Bundeskanzler und die SPD zu stark an
die Gewerkschaften gebunden seien und daher reformunfähig wären. Es ist völlig klar, dass angesichts der krisenhaften Entwicklung der
kapitalistischen Wirtschaft, angesichts der Aktienbaisse und des Rückgangs der Steuereinnahmen alles Elemente, mit denen die Gewerkschaften eher
nichts zu tun haben Sündenböcke gesucht werden. Es scheint nur noch eine wirtschaftspolitische Meinung zugelassen zu sein: die
Lohnnebenkosten müssen gesenkt werden, um die Krise zu überwinden.
Steigende Arbeitslosigkeit? Die Macht der Gewerkschaften verhindert eine schnellere
Kündigung, deswegen müssen die Unternehmen jeden weiter beschäftigen und stellen keine neuen Leute ein. Entlassungen und
Unternehmenszusammenschlüs-se? Die Macht der Gewerkschaften verhindert betriebsnahe Löhne und daher Lohnsenkungen zum Wohle der
Arbeitenden. Zu wenig Einzahlungen in die Renten- und Krankenversicherung wegen hoher Arbeitslosigkeit? Dann also Renten runter und Zuzahlungen
erhöhen, um die Beiträge zu senken, damit die Lohnnebenkosten sinken und die Unternehmen wieder Spaß an Neueinstellungen haben…
Das ist als Wirtschaftstheorie ein Witz, und jeder einigermaßen vernünftige Mensch
spürt das. Aber wie in Krisenzeiten bewährt, wird auf den Schwächsten herumgehackt. Gemeint sind die Rentner und Kranken, die Arbeitslosen
und Sozialhilfeempfänger und dann wird schon mal auf die Gewerkschaften verbal eingehauen. Nicht die Arbeitslosigkeit wird bekämpft,
sondern die Einkommen der Arbeitslosen nach unten gedrückt. Nicht Entlassungen werden bekämpft, sondern die Renten gesenkt.
Wer auf die immens steigenden Einkommen und Abfindungen der Manager hinweist, auf die
Steigerung der Geldvermögen, die nicht besteuert werden, auf die sinkende Steuerbelastung der Unternehmen, der führt eine Neidkampagne. Oder noch
schlimmer, wie der hessische Ministerpräsident Koch über den Ver.di-Vorsitzenden Bsirske sagte: wenn man die Namen dieser Ultrareichen nenne, die
sich vor Steuern und Abgaben drücken können, das wäre so wie damals, als man den Juden einen Stern umhängte. Diese üble Hetze
gegen einen wahrhaftig nicht radikalen Gewerkschaftsvorsitzenden wurde unter den Teppich gekehrt vor den Landtagswahlen war alles recht. Dabei
hätte ein Aufschrei durch die Lande gehen müssen, dass ganz normale gewerkschaftliche und sozialdemokratische Forderungen verglichen werden mit der
Ausrottungspolitik der Nazis gegen die Juden.
Gewerkschaftsfunktionäre müssen sich unheimlich missverstanden fühlen. Die
"zurückhaltende" Lohnpolitik der letzten Jahre, die Beteiligung am Bündnis für Arbeit, das Eingehen auf die Riester-Rente, die
halbherzige Zustimmung zu den Hartz-Reformen: es nützt alles nichts, sie sind die Bremser!
Es geht nicht hauptsächlich darum, Zwickel oder Bsirske in Schutz zu nehmen, sondern die
Gewerkschaften gegen diese Angriffe des Kapitals zu mobilisieren. Natürlich steckt eine Strategie dahinter, die für das Kapital immer eine Rolle spielt:
Schwächung der Arbeiterbewegung, ihrer Organisationen und Denunzierung der sozialen Sicherungen als Hemmnis der wirtschaftlichen Entwicklung.
Mit "Macht der Gewerkschaften" ist ja nicht das gemeint, was uns immer
vorgeführt wird, nämlich die Beteiligung von Funktionären in allen möglichen Gremien und Ausschüssen. Die einzige letztlich
wirksame Macht ist die Bewegung der Mitglieder für ihre Rechte und gegen die Verschlechterung ihrer Lage. Das ist das eigentliche Ziel der Polemik der
rechten Politiker. Man kann sicher sein, dass dies auch vorbeugendes Sperrfeuer gegen die jetzt eigentlich anstehende Mobilisierung der Gewerkschaften gegen den
Regierungskurs von Schröder und Clement war. Ob die angegriffenen Gewerkschafter dies als Chance begreifen, die Mobilisierung zu fördern, ist aber
noch sehr fraglich.
Eine Rolle spielt auch die Meinungsumfrage vor einigen Wochen. Einige Zeit nach den
Äußerungen von Merz und Westerwelle wurde nach der Macht der "Interessengruppen" gefragt, und es kam heraus, dass für 50% der
Einfluss der Gewerkschaften, aber nur für 38% der Einfluss der Unternehmerverbände zu groß sei.
Das kann nicht ganz richtig sein: die Rede von Schröder am 14.März stellte die
Verhältnisse gerade: von seinen Reformvorschlägen kam kein einziger von den Gewerkschaften, aber alle von den Unternehmern, unterstützt von
der Bundesbank, aus deren Feder Schröder praktisch abgeschrieben hat.
Unabhängig von der Frage, welche Macht "die Gewerkschaften" haben: gegen die
Einschnitte in die sozialen Systeme müssen die Beschäftigten, Arbeitslosen, Rentnerinnen und Rentner zusammen neue Macht entfalten, in und neben,
mit und ohne die Gewerkschaften.
Rolf Euler
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