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Spaniens Ministerpräsident José María Aznar ist neben Tony Blair der treueste Bündnispartner der
US-Regierung im Irakkonflikt. Fast 5 Millionen demonstrierten Mitte Februar in ganz Spanien gegen Aznars Irakpolitik, soviel
wie in keinem anderen Land der Welt. Nach der historischen Mobilisierung bleibt die Stimmung gereizt, obwohl viele keine Hoffnung haben, den Krieg zu
verhindern.
Die Gewerkschaften haben für den 14.März unter der Losung "Europa
anhalten, um den Krieg zu stoppen" eine einstündige Arbeitsniederlegung angekündigt, gefolgt von einem europaweiten Aktionstag ein
Woche später. Viele Argumente müssten die Großgewerkschaften, CCOO und UGT, nicht vorbringen, sagt Juan Carlos Jiménez,
CCOO-Verantwortlicher für Internationales, "unsere Mitglieder sind sowieso alle gegen den Krieg".
Die Linke mobilisierte am 15.3. im Rahmen des Anfang März in London
verabschiedeten internationalen Aufrufs. In Madrid wurde der Forderung "Stoppen wir den Krieg gegen den Irak" nun auch die Losung
"Rücktritt der Regierung" hinzugefügt. Auch die Studierenden demonstrierten in der Woche und riefen zum Bildungsstreik auf
mit Unterstützung der Professoren.
Unbeeindruckt von den Massenprotesten äußerte sich Aznar im italienischen
Magazin Panorama: "Wenn die beste Entscheidung immer die gewesen wäre, nichts zu tun, wäre Europa heute voll von Diktatoren."
Für das Innenministerium scheint Saddam Hussein jedoch nicht so gefährlich zu sein. Wurden doch zwischen 1997 und 2001 99% der
Asylanträge von irakischen Flüchtlingen abgelehnt.
Der Alleingang der Volkspartei (PP) provozierte im konservativen Spektrum auch
Distanzierungen. Baltazar Garzón, Richter am Obersten Gerichtshof, nannte die Situation "einen Wahnsinn" und jene, die sie verantworten,
"taub" und "gefährlich". Die regierungnahe Zeitung El Mundo kehrte Aznar auch den Rücken. "Weder die
Gelassenheit Aznars, noch die Heftigkeit Powells haben erreicht, uns zu überzeugen", schrieb ihr Direktor, Pedro Ramírez, in einem
Leitartikel. Sogar ABC, ein deutlich rechtsorientiertes Blatt, kritisierte die "dogmatische "Form seiner Politik. El Siglo räumte ein, "in
Zeiten der Demokratie", erreichten "weder UCD noch PSOE ein derart arrogantes und autoritäres Verhalten".
Und auch die katholische Kirche schert aus. Auf der Linie des Papstes votierte die
Bischofskonferenz "für die Ausschöpfung aller Mittel, um einen Krieg zu vermeiden". Die Jesuiten waren etwas klarer: "Der
Krieg ist die Niederlage der Menschheit."
Was aber bewegt Aznar, trotz alledem nicht nachzugeben? Anonyme PP-Quellen vermuten
hinter dem Vorgehen eine "wohl überlegte, strategische Entscheidung". "Aznar möchte dem Club der Mächtigen
angehören", so der marokkanische Schriftsteller Taher Ben Jelloun. Die Aufnahme in den Kreis der G8-Staaten sowie die Emanzipation in der EU,
um aus dem deutsch-französischen Schatten herauszutreten, sind bekannte Gründe. "Spanien ist nicht mehr im Hintergrund Europas",
bestätigte die Außenministerin, Ana Palacio, gegenüber dem Moskauer Blatt Iswestija. Palacio drohte im UN-Sicherheitsrat Mitte Februar
mehr als ihre Kollegen Powell und Straw.
Aznar war der erste Staatschef, der Bush nach den Attentaten des 11.September seine
"völlige Unterstützung" zusagte und sich davon eine Gegenleistung im Kampf gegen die ETA versprach.
Letztlich plant die spanische Regierung vor dem Hintergrund absehbarer Probleme in der
Weltwirtschaft ganz pragmatische Lösungen. Spanien ist wie Großbritannien, und im Gegensatz zu Deutschland und Frankreich, von
ausländischen Investitionen abhängig, um seine Wirtschaftsbilanz stabil zu halten. Das Tourismusgeschäft (51,7 Mio. Touristen) verzeichnete
im letzten Jahr jedoch Gewinneinbußen von 3,5%. Berlin und Paris garantieren keine radikalen Liberaliserungsprozesse, wie das Gespann Rom, Madrid,
London und Lissabon fordert. Das zeigte der EU-Gipfel in Barcelona (2002). Frankreich und Deutschland sind an einer raschen EU-Osterweiterung interessiert,
weil sie dort viel investiert haben und sich große Absatzmärkte versprechen. Das wiederum wird Spanien die Agrarsubventionen und die Fonds aus
Brüssel kosten daher die Suche nach sicheren Chancen.
Wirtschaftsminister Rato garantiert "bei einem schnellen Krieg und einem Ölpreis
unter 20 Dollar je Barrel" bis zum Jahresende einen BIP-Zuwachs von 4%. Die Arbeitslosigkeit ist die wichtigste Sorge in der Bevölkerung. Sollten
Investitionen und lukrative Geschäfte neue Jobs produzieren, wie die US-Administration vom Irakkrieg verspricht, wäre das mittelfristig eine
nachhaltigere Wählergarantie als ein aktuelles Nachgeben der PP. Wenn alles "gut läuft".
Tom Kucharz, Madrid
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