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Dabei wirkt The Blessing Bell des japanischen Regisseurs Sabu (laut Selbstbeschreibung "der genialste Filmemacher der
Welt") nachgerade wie eine Parodie auf die Vorgabe, dass eine Erzählung dem Schema "Und was geschah dann?" zu folgen habe. Sein
tragikkomischer Held, der entlassene Fabrikarbeiter Igarashi, folgt 90 Minuten in stoischer Unbeirrbarkeit einer geraden Linie (einer Straßenmarkierung,
einem Pfad am Kanal, einer Bordsteinkante), nur um am Ende wieder an seinem Ausgangspunkt anzukommen. Aber so und quasi hinterrücks (das wusste
schon der Marionettenspieler Kleist) kann man schließlich ins Paradies gelangen.
Je schnurgerader der Weg ist, den Igarashi durch ein surreales und folglich vollkommen echtes
Japan in Zeiten der Wirtschaftskrise zurücklegt, desto unvorhersehbarer stürzen die Schicksalsschläge auf ihn (und um ihn herum) ein.
Meistens sind sie tödlich. Die zufälligen Begegnungen, die der konsequent schweigsame Hans im Unglück passiv über sich ergehen
lässt der sterbende Gangster mit Gewissensbissen, der betrogene Ehemann, der zum Mörder wurde, der kranke Geschäftsmann, der
nicht einmal sein letztes Geld verschenken kann lassen sich für ihn am Ende nicht einmal zu einer Geschichte zusammenfassen. Er wird den Weg
noch einmal gehen müssen, und vielleicht findet er diesmal eine Erlösung. Die könnte allerdings nur in der Katastrophe liegen.
Sozusagen im Anti-Universum zu Blessing Bell bewegen sich die Hauptfiguren in der
koreanischen ProduktionSympathy for Mr.Vengeance (Regie: Park Chan-Uk). Hier gilt: Alle müssen handeln, ständig und frenetisch, und jede ihrer
Handlungen hat Konsequenzen, die nicht wiedergutzumachen sind und die stets noch schlimmere Folgen nach sich ziehen. An ein Heimkommen ist nicht zu
denken: Alles ist irreversibel. Die Rachegeschichte, die an Schockmomenten und bizarren Einfällen nicht spart (Vorbild sind deutlich die Gewaltexzesse
des japanischen Trashfilmers Takashi Miike), bietet weniger eine Handlung als einen kompliziert ineinandergreifenden Mechanismus zum Öffnen
verschiedener Höllenkreise. Am Ende steht keine Auflösung, sondern der totale Zusammenbruch.
Hero wiederum steht für die ganze Schönheit und Opulenz des Hongkong-Kinos.
Im Stil von Kurosawas Klassiker Rashomon präsentiert dieser Film seine Geschichte (die schon öfters verfilmte Legende vom ersten chinesischen
Kaiser und seinem Attentäter) in Rückblenden: verschiedene Versionen einer Story und welche davon die wahre ist, lässt sich erst am
Ende ausmachen.
Die All-Star-Produktion (nie zuvor waren Maggie Cheung, Tony Leung Chiu-Wai und Jet Li
gemeinsam auf der Leinwand zu sehen) bietet jedoch weniger philosophische Spekulationen über die "wirkliche" Welt, sondern vor allem
wunderschöne Bilder. Regisseur Zhang Yimou scheint sich vorgenommen zu haben, die komprimierte Essenz des Hongkong-Kinos, und vielleicht des
Kinos überhaupt, umzusetzen: als ein Spiel von Farben, Bewegungen, Körpern in Aktion. Martial Arts als Musical, Eleganz als Waffe.
Alle Elemente der "Wu xia"-Filme sind vorhanden: die Kostüme, die
grandiosen Dekors und die immer heroischen und edlen (und gut angezogenen) Kampfkunsthelden, die übernatürliche Kräfte besitzen, durch
die Luft schweben, Energiestrahlen schleudern und selbst Blätter im Wind zum Angriff benutzen können. Das Genre hatte seinen Höhepunkt
in den 50ern und 60er Jahren mit den Produktionen der Shaw Studios (z.B. in Come Drink With Me, der ebenfalls auf der Berlinale wiederaufgeführt
wurde) und erlebt vor allem seit dem internationalen Erfolg von Tiger and Dragon seine überfällige Renaissance.
Denn längst haben die eleganten Bewegungen und die Choreografie des Kampfes
Eingang auch in westliche Produktionsstandards gefunden. So sind etwa auch die Keilereien in Matrix von Yuen-Woo Ping, Hongkongs berühmtesten
Martial-Arts-Choreografen, in Szene gesetzt worden.
Dietmar Kammerer
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