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Der Deutsche Krimipreis 2003 ging im Herbst letzten Jahres in der Sparte "Ausländische Autoren" an Robert
Wilson für seinen Roman Tod in Lissabon, der uns auf zwei Zeitebenen nach Portugal führt. Klaus Felsen, Produzent von Eisenbahnkupplungen und
SS-Fördermitglied, wird 1941 in die SS-Kaserne Berlin-Lichterfelde bestellt. Er erhält den Auftrag, in Portugal munitionsarmierendes Wolfram zu
beschaffen, das für den Krieg gegen die Sowjetunion dringend benötigt wird. Aus einem opportunistischen schwäbischen Industriellen wird
ein Goldschmuggler, der sich in Portugal Schritt für Schritt zum Killer an Konkurrenten und zum Bankinhaber entwickelt.
Parallel dazu wird die Ermittlung an einem Mord in Paco de Arcos bei Lissabon erzählt.
Es ist irgendwann in den 90er Jahren, die Stadt am Tejo hat das Erdrückende der Diktatur und die Hoffnung der demokratischen Revolution hinter sich
gelassen und taumelt auf EU-Niveau in eine Periode legitimierter Bereicherung und gesellschaftlicher Perspektivlosigkeit für die Menschen, die der
forcierten Modernisierung skeptisch gegenüberstehen.
Aufgrund einer Wette verliert der Kommissar Ze Coelho während eines privaten Festes
seinen Bart. Am nächsten Morgen wird er zu der Leiche eines 15-jährigen Mädchens gerufen, Tochter aus einem reichen Haus. Zusammen
mit einem neuen Assistenten, der wegen seiner Direktheit und seinem Temperament von Abteilung zu Abteilung abgeschoben wurde, versuchen sie den Fall
aufzuklären. Beide haben ihre Geschichte, die eng mit der des jüngeren Portugal verbunden ist, Ze als roter Sohn eines liberalen Kolonialoffiziers,
der an der Nelkenrevolution, aber auch am darauf folgenden gescheiterten Putsch beteiligt war, Carlos Pinto als Sohn eines Gewerkschafters auf der LisNave-
Werft. Je länger beide im Milieu der Neureichen, Ausgestoßenen, der Villen und Stundenhotels ermitteln, desto näher rückt für
sie die Geschichte des Klaus Felsen und seiner Kumpane und die tragischen Auswirkungen ihrer Verbrechen auf die nächste Generation.
Udo Bonn
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