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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2003, Seite 22

Netzwerk für soziale Rechte

In Brüssel hat sich am 17.März ein Netzwerk für die sozialen Rechte gebildet. Seine Träger sind neben den Euromärschen vor allem linke Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen aus den europäischen Kernländern.

Der Prozess begann im Sommer 2000, als die Arbeiten des 1.Konvents, der die Grundrechtecharta erarbeitet hat, Hoffnungen auf eine Verankerung der sozialen Rechte in einer künftigen europäischen Verfassung ernüchterte. Die Charta, die verkündet wurde, bevor die Bevölkerungen dazu ihre Meinung sagen konnten, untermauert das immer wieder beschworene "europäische Sozialmodell" nicht etwa mit einer Ausweitung sozialer Rechte; sie sichert nicht einmal auf europäischer Ebene das Niveau ab, das in den Mitgliedstaaten bislang errungen wurde.
Die sozialen Sicherungssysteme in den Mitgliedsländern der EU haben ein unterschiedliches Niveau; die Konventsherren haben dies zum Anlass genommen, das Prinzip der "Subsidiarität" als eine Harmonisierung nach unten wirken zu lassen. Ausdrücklich wurde in den Debatten des Konvents immer wieder darauf verwiesen, man könne in den zwischenstaatlichen Verhandlungen nicht mehr durchsetzen, als was die einzelnen Regierungen zu konzedieren bereit seien — und sei eben höchstens die in ihrem Land bestehende Rechtslage. Damit war eine Anpassung des europäischen Rechtsniveaus an das jeweils niedrigste Niveau vorprogrammiert.
Der 2.Konvent hat daran nichts geändert, die sozialen Rechte bleiben mithin aus der europäischen Verfassung so gut wie ausgeklammert. Das betrifft nicht nur das Recht auf Arbeit (das ersetzt wurde durch ein Recht zu arbeiten), sondern auch das Recht auf ein Mindesteinkommen (es ist nur als Recht auf Zugang zu einer Armutssicherung formuliert); es betrifft aber auch das Streikrecht (ein europäisches Streikrecht ist nicht vorgesehen) und das Recht auf Aussperrung (das als Freiheit der Unternehmer ausdrücklich anerkannt wird).
Die Versammlung in Brüssel hat sich darauf verständigt, dass sie auf der Grundlage der Allgemeinen Menschrechtserklärung und der Revidierten Europäischen Sozialcharta eine Charta der Sozialen Rechte formulieren will, die sie in einer europäischen Verfassung verankert sehen will. Sie spricht sich dafür aus, die Logik des Subsidiaritätsprinzips umzukehren und daraus einen Mechanismus zur Anpassung der sozialen Standards an das jeweils oberste Niveau zu machen. Die Veranstalter sind bestrebt, einen ersten Entwurf dafür anlässlich des EU-Gipfels in Saloniki präsentieren zu können, wenn der Konvent seinen Schlussbericht vorstellt.
Der Vorschlag war, unter die Charta Unterschriften von Organisationen zu sammeln. Die in Brüssel Versammelten haben die Redaktion der Charta nicht allein als einen Hebel verstanden, um in den aktuellen Verfassungsprozess korrigierend einzugreifen — da ist man verbreitet der Auffassung, dass der Zug abgefahren ist —, sondern sich eine Grundlage zu verschaffen, soziale Bewegungen für eine Veränderung der EU zusammenzuführen.

Angela Klein

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