SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2003, Seite 4

Ohne Alternative?

Die Schröder-Frage

von ROLF EULER

Die Gewerkschaften tun sich schwer mit der Politik der "rot-grünen" Regierung. Das ist das Mindeste, was man sagen kann — denn die fast nahtlose Zustimmung, die vor der Wiederwahl von Schröder von vielen eingefordert wurde, lässt sich beim "besten Willen" nicht mehr aufrecht erhalten.
Wozu auch? Die endgültige Aufkündigung einer wie fern auch immer an gewerkschaftlichen Positionen angelehnten Sozialstaatspolitik in der Rede vom 14. März hat auch zu einer Klärung der Verhältnisse beigetragen. Schröders deutliche Abwendung vom "Bündnis für Arbeit" hat vor allem Hubertus Schmoldt ins Schleudern gebracht — hatte er doch die IGBCE auf diese Richtung eingestimmt und auch noch daran festgehalten, als auch dem vorletzten klar wurde, was im Bündnis gespielt wurde: Salonorchester für Unternehmerwünsche. An einer "Ja-aber"-Zustimmung zum Regierungskurs hält die IGBCE allerdings fest.
Offensichtlich kann aber der Kurs des Mitgehens mit der SPD vor allem in IG Metall und Ver.di nicht mehr durchgehalten werden. Größere Teile der Gewerkschaftsbasis sind zu Recht empört über die Politik, von Alten, Arbeitslosen und Kranken, von den Versicherten erneute Opfer und erhöhte Beiträge zu verlangen, den Reichen und Vermögenden, Politikern und Unternehmen dagegen weitere Senkungen ihrer Steuern und Abgaben zu ermöglichen.
Zu dieser Stimmung hat auch die Abstimmung mit den Füßen beigetragen, die schon vor der jetzt angeleierten Urabstimmung in der SPD begonnen hat. Allein in Nordrhein-Westfalen haben seit Januar rund 4000 Mitglieder die SPD verlassen, die Basis konnte sich in dem neoliberalen Regierungsprogramm nicht wiederfinden. Als "Traditionalisten" beschimpft, müssen SPD-Linke und Gewerkschafter sich heute als "Reformbremser" titulieren lassen, die an der Misere in Deutschland schuld seien, weil sie an hergebrachten Sozialstaatsvorstellungen festhalten wollten.
Die von der SPD-Führung demonstrativ in den Mittelpunkt gerückte Frage, ob Schröder mit dem Votum des Sonderparteitags seine Politik weiterführen kann oder nicht, ob er durch die Mitgliederbefragung ausgebremst wird und Kanzler bleiben kann, ist schon für sich ein Eingeständnis von Politik- und Demokratieunfähigkeit. Politikunfähigkeit: denn es gäbe selbstverständlich Alternativen zum Kurs der Aushöhlung der Sozialsysteme. Und Demokratieunfähigkeit: denn die entscheidenden Kursbestimmungen soll die Basis nur vermittels des Filters der Delegiertenwahlen abnicken dürfen — Diskussionsbedarf bitte nur im Hinterzimmer.
Die Drohung "Wenn wir es nicht machen, machen es die anderen, nur schlimmer" (SPD-MdB Welt aus Recklinghausen) verfängt wohl kaum auf längere Sicht. Die offen zur Schau gestellte große Koalition beim Steuerpaket, eingefädelt von Koch (Hessen) und Steinbrück (NRW) zeigte allen, die es gern anders hätten, wer wirklich das Sagen hat.
So sollten die Gewerkschaftsmitglieder dieses Jahr den 1.Mai als einen Schritt auf dem Weg zur Emanzipation von der politischen Gängelung durch die Regierungsfrage begreifen. Erinnern wir uns an die Streiks, die Kohl und Blüms Pläne zur Abschaffung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall begleiteten. Lernen wir von den Auftritten der sozialen Bewegungen in Frankreich und Italien, wie man Einschnitten in die sozialen Netze begegnen kann.
Auch in der BRD hat die Gewerkschaftsbewegung eine Menge zu gewinnen, nicht nur bei der Verteidigung von sozialen Positionen.

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04