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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2003, Seite 11

Beste Chancen für eine Alternative

Interview mit Ken Loach

Ken Loach ist Filmregisseur (Land and Freedom; Carla‘s Song).

Wir sind Zeugen einer gewaltigen Antikriegsbewegung, einer bedeutenden Spaltung der Parlamentsfraktion der Labour Party, einer verbreiteten Unzufriedenheit der Parteimitglieder wegen des Krieges — was bedeutet dies für die Zukunft der Linken? Wie können wir daraus eine sozialistische Alternative aufbauen?
Das Antikriegsbündnis Stop the War Coalition (SWC) hat diese gewaltige Bewegung, ein riesiges Netzwerk, auf der Grundlage der Frage der Gegnerschaft zur US-Aggression und Unterstützung durch Blair geschaffen. Das ist ein sehr großer Schritt nach vorn und eine gewaltige Herausforderung für Leute in der Labour Party wie Robin Cook, der gut analysiert hat, warum der Krieg falsch ist… und dann sagte, Blair sei der beste Führer, den er je getroffen hätte! Wenn der beste Führer dabei ist, dich in einen illegalen, nicht provozierten Krieg zu führen, dann haben wir eindeutig ein Problem.
Ob irgendjemand in der Labour Party sich dieser Herausforderung stellen wird, weiß ich nicht. Ob irgendeine bedeutende Persönlichkeit in Labour mit der Partei brechen wird, lässt sich kaum vorhersagen.
Aber ich glaube, die SWC sollte nach dem Ende der aktuellen Phase des Krieges eine Organisation schaffen, die ihre politische Grundlagen um Fragen wie Privatisierung und Umwelt erweitert — Hauptpunkte einer linken Alternative, gegen die die Labour-Linke keine Einwände haben kann.
Die Hauptsache ist, dass wir den Schwung der Antikriegsbewegung bewahren, wenn der Krieg vorüber ist. Die Aufrechterhaltung der lokalen Gruppen ist sehr wichtig. Dies muss auf der Grundlage einer radikalen, einfachen Tagesordnung geschehen, damit die Menschen, die zum ersten Mal mit Politik in Berührung gekommen sind, die Verbindung des Krieges zu den ökonomischen und sozialen Fragen erfahren können.

Die Antikriegsbewegung als solche ist nicht sozialistisch, hat aber starke sozialistische Kräfte. Wie stärken wir diese?
Wir müssen die sozialistischen Argumente in die Antikriegsbewegung hineintragen. Wenn es je eine sozialistische Alternative auf breiter Basis geben soll, so gibt es dafür kaum eine bessere Chance als jetzt. Blair führt die Labour Party an die Seite von Aznar und Berlusconi, d.h. rechts von Chirac, nicht nur in der Frage des Krieges, sondern auch in Bezug auf Privatisierungen. In alldem steht Blair an der Seite der harten Rechten in Europa. Wenn wir daraus — angesichts der gewaltigen und breiten Opposition gegen den Krieg — keinen Vorteil ziehen, dann weiß ich nicht, wann wir das können.

Aber die Socialist Alliance ist die einzige reale Initiative in Richtung einer sozialistischen Alternative. Brauchen wir eine neue Initiative, die über die Socialist Alliance hinaus geht und viele Kräfte aus dem Bereich der Antikriegsbewegung darin einbringt?
Die Alliance wird eine wichtige Rolle zu spielen haben, aber sie muss sehr feinfühlig vorgehen. In meiner lokalen Gruppe der SWC würde es heftigen Widerstand geben, wenn die Leute das Gefühl hätten, sie würden vereinnahmt.
Wir brauchen eine radikale Koalition, aber ich denke, dies muss ein Prozess sein. Wenn die Alliance lediglich sagt: "Wir sind jetzt die neue radikale Koalition, und ihr sollt bei uns mitmachen", hätte dies keinen Erfolg. Die Alliance würde auf ihre Kernmitgliedschaft reduziert werden. Allerdings muss sie ein bedeutender Bestandteil jedweder neuen Initiative sein.
Auf der Demonstration vom 15.Februar wäre eine Rede gegen Privatisierung gut aufgenommen worden. Wir reden hier über sehr populäre Ideen. Wir brauchen so etwas wie eine radikale Allianz, die solche Fragen aufgreift.

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