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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2003, Seite 14

Die UNO in der Weltpolitik

Vom Bock zum Gärtner?

Das Ende des Irakkriegs war noch kaum abzusehen, da verteilten die Sieger schon die Beute. Die ehemaligen Opponenten Frankreich, Russland und Deutschland, und nicht nur sie, konnten und wollten da nicht abseits stehen. Das war vorherzusehen — vgl. Perry Anderson in der letzten SoZ: "Eine Opposition, die vorwiegend aus wohlwollender Umsicht gegen den Irakkrieg ist, wird einen Sieg nicht überleben, auch nicht eine, die auf der Feigenblatt-Legalität der UN herumreitet."
Als ob nichts gewesen sei, streiten nun bürgerliche Rechte und bürgerliche Linke darum, ob und inwieweit denn die UNO am euphemistisch "Wiederaufbau" genannten großen Fressen beteiligt werden kann und soll. Nichts ist bekanntlich erfolgreicher als der Erfolg und nichts fördert Geschichtslosigkeit mehr als der militärische und politische Triumph des alten wie neuen Welthegemons. Deswegen hier ein paar Fakten zum Einspruch gegen diese Form der Barbarei.
• Der Krieg gegen den Irak war und ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Wenn auch Opportunisten und Paragrafenverdreher das anders sehen mögen, selbst sie müssen zugeben, dass die UNO-Charta die Androhung und Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen grundsätzlich und ausnahmslos verbietet. Genau dessen sind jedoch die USA und Großbritannien schuldig zu sprechen.
• Die UNO hat diesen Krieg gegen das internationale Völkerrecht nicht verhindert, obwohl sie genau zu diesem Zwecke vor vielen Jahrzehnten geschaffen wurde.
• Die UNO hat ganz im Gegenteil wesentlich zum Gelingen dieses Völkerrechtsbruchs beigetragen. Über viele, viele Jahre hat sie nicht nur eine unmenschliche und mörderische Embargopolitik gegen den Irak betrieben, sondern auch den low intensity war, den von USA und Großbritannien mittels Flugverbotszonen und Bombardierungen geführten Krieg "niedriger Intensität" — ebenfalls ohne jede rechtliche Grundlage — toleriert.
• Die UNO hat sich trotz Ankündigung der US-Administration, dass sie auch ohne Mandat der UNO militärisch in den Irak einmarschieren werde, in das Resolutionsspiel eingelassen und mit der Resolution 1441 eine Resolution verabschiedet, die solche Aggressionen zumindest ermöglicht.
• Die UNO hat sich mittels ihrer Waffeninspekteure an der militärischen Vorbereitung des Krieges aktiv beteiligt. Die Waffeninspekteure haben nicht nur irakische Waffen aufgespürt und vernichtet, sie haben aller Wahrscheinlichkeit nach auch Angriffsziele ausgespäht und irakische Kollaborateure geworben.
• Die UNO hat auch mit dem Abzug der Waffeninspekteure kurz vor Beginn des Krieges die militärische Arbeit der USA wesentlich erleichtert.
• Die UNO hat nicht vor, den völkerrechtswidrigen Aggressionsakt der "Koalition der Willigen", bspw. mit Hilfe des Internationalen Strafgerichtshofs, in irgendeiner Form zu ahnden.
Die Vereinten Nationen haben sich damit einmal mehr als "Schutzschild des US-amerikanischen Willens" (Anderson) erwiesen, als Putzkolonne des Welthegemons. Dies kann weder als Zufall, noch als beiläufiges Unglück verstanden werden, über das man "im Interesse der Zukunft", im Interesse des gemeinsamen Wiederaufbaus hinwegsehen könne. So wichtig und verteidigenswert die Idee einer internationalen Gemeinschaft wie der Vereinten Nationen auch ist, die Idee hat auch hier einmal mehr nichts mit der konkreten Wirklichkeit gemein.
Das bürgerliche Recht beruht grundlegend auf der formalen Gleichheit der Vertragspartner. In einer Weltordnung jedoch, in der die Asymmetrie der Machtmittel zur Signatur des herrschenden Status quo geworden ist, entlarvt sich auch die Idee eines gemeinsamen Völkerrechts als pure Illusion. Auch deshalb ist die UNO, institutionell betrachtet, kaum mehr als ein internationaler Debattierklub. Auch wenn einige ihrer Teile wichtige Arbeit leisten, ein demokratisches und demokratisch wirkendes Organ ist die UNO trotzdem nicht. Beherrscht wird ihre Arbeit von einem Sicherheitsrat, in dem einzig fünf Staaten zu bestimmen haben. Diese, demokratischem Geist widersprechende, Diktatur arbeitet ihrerseits nicht auf demokratischer Grundlage, sondern mittels Konsens- und Vetoprinzip.
Es war diese undemokratische Struktur der UNO, die den Irakkrieg als einen Völkerrechtsbruch ermöglicht und mit einer gewissen Legitimation versehen hat. Das sollten all jene nicht vergessen, denen die Idee einer demokratischen Weltordnung am Herzen liegt. Wäre letzteres im Falle von Frankreich, Russland und Deutschland wirklich der Fall, so hätte es nach Ausbruch des Irakkriegs eine politische Möglichkeit gegeben, um, wenn schon nicht erlittenes Unrecht wieder gut zu machen, so doch zumindest eine zukünftige Wiederholung solcher Taten zu verhindern. Als Voraussetzung oder Bedingung für jede Art der Hilfe beim Wiederaufbau des Irak, auch der humanitären, hätte man "bloß" die längst überfällige demokratische Reform der UN-Strukturen fordern müssen. Diese Macht hätten Frankreich, Russland, Deutschland und all die anderen gehabt, denn die USA und Großbritannien brauchen die UNO bei ihrem schmutzigen Krieg dringender als die UNO die USA und Großbritannien brauchen.
Dass unsere regierungsamtlichen "Friedensfreunde" genau dies nicht getan haben, zeigt, dass es ihnen eben nicht ums demokratische Prinzip ging und geht. Sie leben selbst ganz gut mit jenen Prinzipien von Konsens und Zwang, auf denen unsere Weltordnung aufgebaut ist. Sie wollen keine andere Welt, sie wollen nur einen Anteil am Kuchen anderer.
Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Aufgabe von Demokraten und Sozialisten ist es, solches Pack nicht nur zu verachten, sondern auch zu bekämpfen. Wer sich dabei zum Fürsprecher und Verteidiger der UNO macht, ohne dass diese zuvor grundlegend neustrukturiert und demokratisiert wird, macht sich, ob gewollt oder ungewollt, zum Komplizen der herrschenden Macht.

Christoph Jünke

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