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Eine erste Kostprobe gab es davon am 17.Mai in Berlin. Was vor ein paar Monaten noch als bundesweite Gesundheitsdemo
angelegt war, wuchs sich mit zunehmendem Ärger an der Basis nach der Kanzlerrede am 14.März zu einem schlecht integrierten Potpourri aus.
Ver.di sah sich gezwungen, die Themenpalette auszuweiten, die in Ver.di organisierten
Erwerbslosen kündigten an, in jedem Fall eine eigene Auftaktkundgebung organisieren und damit die Demonstration nutzen zu wollen, um auf die
Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds und die Streichung der Arbeitslosenhilfe aufmerksam zu machen. Schließlich gesellten sich noch
die Beschäftigten in den Sozialversicherungsämtern dazu.
Auf diese Weise kamen etwa 15000 Menschen nach Berlin. Die Kundgebung der Erwerbslosen
geriet mit ca. 1000 Menschen größer als am 14.9. in Köln, kam jedoch über das bekannte Spektrum der aktiven Erwerbslosen aller
Schattierungen ob gewerkschaftlich organisiert oder nicht nicht hinaus. Gesundheit war der eindeutige Schwerpunkt der Demonstration, doch
Ver.di war es nicht gelungen, über den Kreis der im Gesundheitswesen Beschäftigten hinaus zu mobilisieren, obwohl dieses Thema die breite
Mehrheit der Bevölkerung fast noch mehr beschäftigt als die Rente.
Es waren auch nicht in allen Bundesländern mobilisiert worden Baden-
Württemberg, das Saarland und Rheinland-Pfalz setzten vor Ort andere Schwerpunkte. Alles in allem kann man die Demonstration als einen gelungenen
Auftakt bezeichnen, aber nicht mehr. Wenn die Gewerkschaft Dampf machen will, muss sie sich noch erheblich mehr einfallen lassen.
Ein Wochenende später, am 24.Mai, hat der DGB in 15 Städten örtliche und
regionale Protestaktionen angekündigt. Sie wurden von allen Einzelgewerkschaften unterstützt, vor allem von der IG Metall.
Mit diesen Aktionen wollten die Gewerkschaften Druck ausüben, dass die SPD auf
ihrem Sonderparteitag doch noch einen Kompromiss anbietet, den man der Basis verkaufen kann. Zu Redaktionsschluss sieht es danach aus, als könnte es
der Regierung gelingen, einem großen Teil der SPD-Linken den Schneid abzukaufen mit geringfügigen Korrekturen, die wie die Regierung
richtig betont die Gesamtlinie der Agenda 2010 nicht in Frage stellt. Und die Gesamtlinie ist ein Systembruch mit dem Sozialstaatssystem in
Deutschland. Nach dem 1.Juni wird sich weisen, ob auch die Gewerkschaftsführungen sich einkaufen lassen oder nicht.
Der 1.Juni wird jedenfalls für Berlin ein zentraler Mobilisierungstermin werden: Die
IGBAU hat zu einer Protestdemonstration aufgerufen, und Ver.di, die örtliche Gewerkschaftslinke, die Erwerbsloseninitiativen, Attac u.a. haben sich
angeschlossen. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Parteitagsdelegierten von den Protesten nichts mitbekommen, weil sie zu spät am Vormittag
terminiert sind.
Berlin ist ein Beispiel dafür, dass die gemeinsame Mobilisierung möglich ist,
wenn man sie denn will. Wesentlich dafür verantwortlich ist die örtliche IG BAU, die erstens die Initiative für eine Protestdemonstration
ergriffen und zweitens der Initiative für ein Berliner Sozialforum die gemeinsame Mobilisierung angetragen hat. Ver.di und DGB haben sich erst
später angeschlossen.
Die Gewerkschaften haben für die letzte Juni-Woche eine "zweite Welle der
Mobilisierung" angekündigt, und Großaktionen auch für den Herbst ohne diese jedoch zu präzisieren. Ob sie dabei
bleiben, wird sich am 1.Juni entscheiden.
Diejenigen aber, bei denen sich das Bewusstsein durchsetzt, dass es nicht ohne eine
geschlossene massive bundesweite Gegenmobilisierung gehen wird, die alle betroffenen Gesellschaftsschichten umfasst und die Agenda 2010 als Generalangriff
auf die sozialstaatliche Gesellschaftsverfassung thematisiert, haben sich am 25.Mai in Hannover zu einem ersten Austausch getroffen. Ihr Ziel ist es, die Einheit
herzustellen, die die Gewerkschaften sich bisher nicht herzustellen trauen, aus Angst, die Regierung könnte darüber stürzen.
Angela Klein
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