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Wenn alles nach Plan läuft, wird Gerhard Schröder gleich nach seiner Rede auf dem Sonderparteitag am 1.Juni
zum G8-Gipfel nach Evian aufbrechen. Doch angenehm werden beide Veranstaltungen für den Bundeskanzler nicht. Wenn er die zu erwartenden Proteste
in Berlin einigermaßen überstanden hat, werden ihn Hunderttausende Globalisierungsgegner am Genfer See begrüßen.
Nach den massiven Protesten vor zwei Jahren in Genua entdeckten die G8-Teilnehmer ihre Vorliebe für kleine, entlegene Plätzchen: im
letzten Jahr trafen sie sich in den Rocky Mountains, nun in den französischen Alpen. Die Rote Zone wird systematisch ausgeweitet: neben Evian selbst
sind weite Teile von Genf und Lausanne und der ganze Genfer See zur verbotene Zone erklärt worden.
In Frankreich stehen 10000 Polizisten bereit, die Schweiz hat "nur" 5000
Polizeikräfte im Einsatz, neben ihrem Militär. Sie bekommen daher Schützenhilfe von Schily, er schickt 1000 deutsche Polizisten und 15
Wasserwerfer in die Schweiz.
Eigentlich merkwürdig, dass soviel Schutz notwendig ist, sind die G8-Gipfelteilnehmer
in ihrer Selbstdarstellung doch die "Guten". Offiziell wollen Bush, Schröder, Blair, Chirac, Berlusconi, Koizumi, Chrétien und Putin
über "Solidarität, Verantwortung, Sicherheit und Demokratie" beraten und diese Werte global durchsetzen. Insbesondere machen sie
sich Sorgen um Afrika und um den Zugang zu Wasser für alle Menschenseelen dieses Kontinents.
Ganz zufällig sind in Frankreich die beiden größten Wasserkonzerne der
Welt ansässig, Suez und Vivendi. Die Marke Evian gehört dem global player Danone, seinerseits der größte Produzent von
Flaschenwasser. Und ganz zufällig besteht Chiracs Aktionsplan für Afrika v.a. aus Public-private Partnerships (PPPs), wie sie bspw. in Indien schon
existieren, wo Suez bereits den Ganges abpumpen darf und das Wasser verkauft. Angeblich soll die Privatisierung des Wassers den Zugang für alle
ermöglichen, aber auf keinen Fall umsonst.
Im klassischen orwellschen Sinne operieren die G8-Gipfelteilnehmer mit humanitären
Begriffen, meinen aber das Gegenteil. So werden sie sich unter dem Thema "Sicherheit" über die Beuteaufteilung im Irak streiten und
über die nächsten Kriege beraten.
Weiterhin werden auch wichtige Vorabverhandlungen für den nächsten Gipfel
laufen: die WTO Konferenz in Cancun. "Sie wollen sich bemühen, die Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) aus der Sackgasse zu
bringen, damit die Liberalisierung des Handels voran kommt", sagte Gourdault-Montagne, Berater von Chirac und französischer Organisator des
Gipfels.
Ob ihnen das so gelingt, wird v.a. von den Protesten der globaliserungskritischen und
antikapitalistischen Bewegung abhängen. Und da ist einiges geplant: rund um den See, in Genf, Lausanne und Annemasse werden Gegenkonferenzen
organisiert. Vertreter aus dem Süden werden die hohlen Phrasen von Solidarität mit Afrika entlarven.
Unter dem Motto "G8? Illegal!" mobilisiert in Frankreich ein breites
Bündnis mit dem Ziel, die G8-Gipfel weiter zu delegitimieren. Im "intergalaktischen Dorf" in Annemasse und in anderen
"Dörfern" werden Strategien des Widerstands aus vielen Ländern diskutiert und Alternativen erörtert.
Netzwerke aus der Region, wie das Forum Social lémanique (so heißt der Genfer
See auf Französisch), haben eine interessante Proteststrategie entwickelt. Die Organisatoren des G8-Gipfels haben nämlich ein logistisches Problem,
sozusagen die Achillesferse der Veranstaltung. Es besteht darin, dass Evian selbst nicht genügend Luxushotels hat für die bis zu 10000 Teilnehmer,
die erwartet werden.
Die Globalisierungsgegner werden also nicht die Rote Zone stürmen, sondern vielmehr
weiträumig blockieren. Bevor der Gipfel am 1.Juni abends eröffnet wird, werden Massendemonstrationen von Genf und Annemasse aus starten, sich
an der Grenze verbinden und damit die Zufahrtswege von Genf nach Evian dichtmachen.
Die Demonstration wird begleitet von Aktionen des zivilen Ungehorsams, um die Trennung
zwischen militanten "Stürmer" und braven "Demonstrierer" zu überwinden.
Auch in Deutschland ist ein ehrgeiziges Projekt entstanden: es wird einen Protestzug geben, der
von Berlin über Hannover, das Ruhrgebiet und den Rhein 1000 Aktivisten zur Vorbereitung der Proteste nach Genf bringen wird. Die Aktivisten kommen
aus der IG-Metall-Jugend und von Ver.di, aus der Friedens- und Umweltbewegung, von Attac und Antifa, aber es sind auch Einzelpersonen, Filmteams und
Journalisten. Sie alle werden zeigen, dass die globalisierungskritische Bewegung auch in Deutschland angekommen ist. Die Reise wird so gleichzeitig zum
politischen Happening, rollenden Teach-Ins, Vernetzungstreffen und zu einem Symbol für eine andere Welt.
Oliver Pye
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