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Auf Initiative der sozialistischen Jugendorganisation International Socialist Resistance fanden im Rahmen der britischen
Antikriegskoalition "Stop the War" der großen landesweiten Bündnisorganisation gegen den Krieg Land auf, Land ab
Mobilisierungen für Schülerstreiks statt. Als der Krieg ausbrach, verließen Hunderttausende ihre Schulen und demonstrierten oftmals spontan
in den Zentren britischer Großstädte. Dabei mussten die Schüler häufig erst schuleigene Sicherheitsdienste überwinden oder
über Zäune klettern, um aus den Schulen herauszugelangen.
Viele Schulleitungen hatten von der Regierung Order erhalten, die Schülerstreiks mit
allen Mitteln zu verhindern. Um die Schüler für ihr Vergehen zu bestrafen, wurden bspw. in Manchester zeitweise ganze Jahrgänge vom
Unterricht suspendiert. Einige Schüler wurden ganz aus der Schule geworfen.
Vor allem in Leicester und in Manchester kam es zu Konfrontationen mit der Polizei. In beiden
Städten gingen berittene Polizei und Sondereinheiten zur Aufstandsbekämpfung gegen demonstrierende Schüler vor.
In Manchester solidarisierten sich Büroangestellte und zufällig anwesende
Bauarbeiter mit den demonstrierenden Schülern.
Die Schülerstreiks waren der Auftakt für Antikriegsdemonstrationen im ganzen
Land. Allein in Manchester fand während der ersten zwei Kriegswochen fast jeden zweiten Abend eine Demonstration unter Teilnahme vieler Tausender
statt. Jedes Mal versuchte die Polizei vergeblich, mit massiver Gewalt den Protest zu verhindern.
Mit besonderer Härte ging die Polizei gegen Jugendliche aus traditionellen
Arbeitervierteln vor; hier sollte wohl schon im frühen Alter Respekt für die staatliche Autorität eingeprügelt werden.
Trotz aller Repressionsversuche wäre es der Antikriegsbewegung fast gelungen, die
Regierung zu stürzen. In einem kürzlich im Boulevardblatt Sun veröffentlichten Interview bekannte Premierminister Tony Blair, es habe einen
Zeitpunkt gegeben, wo er Frau und Kinder um den häuslichen Kamin versammelte, um ihnen zu erklären, dass der Vater vielleicht bald keinen Job
mehr habe. Im selben Interview gab Blair zu, seine Regierung habe an Notfallplänen für den Abzug britischer Truppen aus dem Irak gearbeitet.
Für diesen Teilerfolg der Antikriegsbewegung scheinen sich die Herrschenden in
Großbritannien nun rächen zu wollen. Die Tageszeitung Daily Telegraph startete eine Kampagne gegen den linken Labour-Unterhausabgeordneten
und profilierten Antikriegsaktivisten George Galloway. Sie behauptet, er habe insgesamt 15 Millionen Dollar vom ehemaligen Irakregime kassiert, um die
britische Gesellschaft zu destabilisieren.
Der Vorwurf wurde bislang mit keinerlei Fakten belegt, dennoch nutzte ihn der Labour-
Vorstand, um Galloways Parteimitgliedschaft vorläufig zu suspendieren und ein Ausschlussverfahren gegen ihn anzustrengen. Galloway erfuhr von den
Vorgängen im Fernsehen.
Der Daily Telegraph ist eine der konservativsten britischen Tageszeitungen. Margaret Thatcher
ist Mitglied im Vorstand. Die Enthüllungen im Telegraph nahm Rupert Murdochs Boulevardzeitung Sun zum Anlass, ein Verfahren gegen Galloway
finanziell zu unterstützen, das einige Soldatenfamilien gegen ihn angezettelt haben. Die Anklage lautet auf Landesverrat, eine Anschuldigung, die, sollte
Galloway das Verfahren verlieren, eine Gefängnisstrafe zur Folge haben kann.
Galloway soll stellvertretend für die ganze Bewegung abgestraft werden. Gleichzeitig
soll mit ihm einer der letzten Linken aus der Labour Party entfernt werden. Galloway hält jedoch bislang an Labour fest, obwohl die Partei bei den letzten
Stadtratswahlen in England empfindlich abgestraft wurde.
Andere wie der Filmregisseur Ken Loach haben die Antikriegsbewegung aufgefordert, eine
sozialistische Alternative aufzubauen. Sie müsse sich von ihrem rechten und bürgerlichen Flügel, der vor allem von der Liberal-
Demokratischen Partei repräsentiert wird, lossagen und aufhören, sich als ein Ein-Punkt-Bewegung zu verstehen. Sie müsse die große
Unzufriedenheit mit der Blair Regierung nutzen und die Fragen Krieg und Privatisierung miteinander verbinden.
Obwohl diese Position innerhalb der Antikriegskoalition im Moment wahrscheinlich nicht
mehrheitsfähig ist, nehmen die Kämpfe gegen die neoliberale Regierungspolitik zu. Tony Blair kündigte kürzlich in einem Interview
mit der Financial Times an, das britische Sozialsystem müsse auf ein Niveau von vor 1945 zurückgefahren werden u.a. durch die
Privatisierung einer großen Zahl britischer Krankenhäuser. Dagegen regt sich breiter Wiederstand. Die Antikriegsbewegung war nur ein erstes
Anzeichen dafür, dass Großbritannien wieder in eine Phase erstarkender sozialer Massenbewegungen getreten ist, und das trotz aller
Repressionsmaßnahmen.
Christian Bunke, Manchester
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