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Vom 9. bis 11.Mai 2003 fand in Köln ein internationaler Kongress zu GATS (General Agreement on Trade in Services)
statt, dem Freihandelsabkommen der WTO, das die weltweite Privatisierung und Liberalisierung im Dienstleistungssektor zum Ziel hat.
Gekommen waren fast 500 Frauen aller Altersstufen aus vielen Ländern, die sich drei
Tage lang mit den Folgen von GATS vor allem für Frauen beschäftigten. Maria Mies vom Frauennetz Attac eröffnete die Tagung und stellte
fest, dass vor allem Frauen betroffen sind. So sind in der EU 80% aller Beschäftigten im Dienstleistungsbereich Frauen.
Die Arbeitsplätze werden unsicherer, prekäre
Beschäftigungsverhältnisse nehmen zu, es wird schlechter bezahlt, die Schutzgesetze werden liberalisiert, Leistungen reduziert und privatisiert, die
Dienste werden teurer und für viele, vor allem für Frauen, nicht mehr bezahlbar. Deshalb kämpfen sie weltweit gegen GATS und die
verheerenden Folgen für Menschen und Umwelt.
GATS schließt etwa 150 Dienstleistungsbranchen ein: Banken und Versicherungen,
Verkehr und Telekommunikation, Energie und Wasserversorgung, Krankenhäuser und Gesundheitsversorgung, Bildung und Kultur sowie Tourismus, aber
auch die Dienste der Altenpflege und der Jugendhilfe.
Alle diese Bereiche, die bei uns noch weitgehend in öffentlicher Hand liegen, sollen
für internationale Anbieter geöffnet werden, damit verbunden ist der Anspruch auf öffentliche Gelder.
Bis jetzt waren der Staat und die Kommunen nach dem Solidarprinzip für alle
verantwortlich, ob arm oder reich, jung oder alt, krank oder gesund. Wenn jedoch die sozialen Dienste durch Konzerne angeboten werden, steht das
Gewinnprinzip im Vordergrund und investiert wird nur da, wo Gewinne zu erwarten sind.
Der Kongress hatte vor allem die Aufklärung zum Ziel, denn vieles ist bisher noch nicht
ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. Während wir noch am Anfang einer verhängnisvollen Entwicklung stehen, sind für viele
Frauen des Südens die Strukturanpassungen schon längst gelaufen. Sie produzieren Waren zu Billiglöhnen für den Export, die ihnen im
eigenen Land fehlen oder die sie teuer bezahlen müssen.
Der Kongress war auch ein Forum zur weltweiten Koordinierung des politischen Widerstands, denn: "Über das Brot, das in der Küche
fehlt, wird nicht in der Küche entschieden!"
Hart umkämpft sind vor allem die Bereiche Wasser, Bildung und Gesundheitsvorsorge.
Hier wittern die multinationalen Konzerne die größten Profite. Bei der Wasserversorgung geht es pro Jahr um eine Billion US-Dollar, bei der
Erziehung um 2 Billionen und in der Gesundheitsversorgung um 3,5 Billionen US-Dollar.
Die Berichte der Frauen aus den verschiedenen Ländern zeigten, wie hart um die
Grundrechte auf Versorgung gekämpft werden muss und wie wichtig der Austausch von Erfahrungen im aktiven Widerstand ist.
Da kam die Vertreterin von Ver.di, Vera Morgenstern, mit ihren Vorschlägen zu
Verhandlungen über GATS nicht gut an, auch nicht mit der Idee einer öffentlichen Partnerschaft zu den Wassergesellschaften in den
Entwicklungsländern. Ihr wurde deutlich gemacht, dass es bei der Ablehnung von GATS nicht um Modifizierung geht, das Motto des Kongresses lautete:
"Stoppt GATS!"
Auch die "Erfolge" der Frauen bei der Durchsetzung von bestimmten
Formulierungen in Gewerkschaftspapieren reichten den Teilnehmerinnen nicht, gefragt waren kämpferische Aktionen und Visionen eines gemeinsamen
Weges. Einen solchen konnte sie nicht aufzeigen und deshalb wollte das Auditorium weitere Ausführungen dieser Art nicht mehr hören.
Vandana Shiva aus Indien berichtete aus einem Dorf, das immer genügend Wasser hatte, bis die Wasserrechte an einen Konzern verkauft wurden.
Auch ein Fluss wurde privatisiert, die Frauen konnten dort nicht mehr waschen und Wasser aus den Brunnen zu holen wurde als Diebstahl bezeichnet.
Naila Khan aus Bangladesh klagte ihre Regierung an, die die traditionelle Geburtshilfe abbaut,
obwohl 80% der Geburten von Geburtshelferinnen durchgeführt werden. Die Möglichkeit zur Ausbildung wurde abgeschafft. In der
Gesundheitsvorsorge wurde die Eigenproduktion von Impfstoffen eingestellt, sie müssen jetzt importiert werden.
Theresia Wolfwood aus Kanada sprach von der fortschreitenden Kommerzialisierung der
Landwirtschaft, die immer mehr genetisch veränderte Früchte anbaut, obwohl die Auswirkungen noch gar nicht absehbar sind. In den
Universitäten gibt es praktisch keine Grenzen mehr für Werbung, es gibt sie sogar auf den Toiletten. In den Kindergarten der Uni von Victoria kam
ein Vertreter von McDonalds, um mit den Kindern über Verkehrssicherheit zu sprechen!
Claudia von Werlhof aus Österreich führte aus, dass in den Universitäten
immer mehr kapitaladäquates, marktfähiges Denken gefragt ist und der Mensch zum Rohstoff für die Bildungsindustrie wird: Biotechnologie
solle bleiben, aber Frauenforschung soll verschwinden. Doch die Menschen werden wach und kündigen das Konsensmodell auf. Im Juni findet im
österreichischem Hallein ein Sozialforum statt.
Sara Sexton sprach zum Gesundheitsdienst in Großbritannien, den sich die
Arbeiterbewegung zu Beginn des vorigen Jahrhunderts erkämpft hat. Der Gesundheitsdienst wird finanziert durch allgemeine Steuern, nicht durch
Beiträge. Er genießt ein so hohes Ansehen, dass er sich nicht so leicht in private Hände überführen lässt wie Bahn und
Feuerwehr.
Deshalb läuft die Privatisierung mehr durch die Hintertür unter dem Begriff
"Modernisierung". Gebäude, Wäscherei und das Reinigungswesen werden als Randgebiete in den privaten Sektor
überführt. Mittlerweile bekommen die privaten Investoren 50% der Mittel aus dem Steueraufkommen.
Sorjana Ugrynjuk aus der Ukraine berichtete von der hohen Arbeitslosigkeit in ihrem Land seit
der Unabhängigkeit. Wasser, Strom und Gas sind seit der Privatisierungswelle immer teurer geworden und die Löhne sind so niedrig, dass sich viele
Familien nur durch privaten Gartenanbau über Wasser halten können.
Eva Hack vom Autonomen Frauenhaus in Kassel beklagte die jährlichen fast schon
ritualisierten Kürzungen in den sozialen Einrichtungen, die Kosten senken und einen standardisierten Output gewährleisten sollen. Die eigenen
Gestaltungsräume schrumpfen. Qualitätssicherung wird für die Sozialarbeit ebenso verlangt wie für die industrielle Produktion.
Gewinnorientierung wird nicht mehr im Widerspruch zu den Aufgaben der Frauenorganisationen gesehen.
Der Kongress hat gezeigt, wie wichtig Austausch und Vernetzung im weltweiten Kampf gegen
GATS ist.
Larissa Peiffer-Rüssmann
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