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"Wer angesichts von Merkel, Stoiber, Merz und Westerwelle die Frage stellt, ob sich der Abstand von SPD und CDU/ CSU/FDP noch diesseits der
Nachweisgrenze bewegt, sollte sich angesichts der unterschiedlichen Steuerkonzepte, der Bildungspolitik, des Betriebsverfasssungsgesetzes, der Mitbestimmung,
der Zuwanderungspolitik etc. ernsthaft die Frage stellen, ob er oder sie noch alle Tassen im Schrank hat…"
"Wir haben ja keine politische Alternative. Die Pläne von CU/CSU sind weitaus
unsozialer als die Agenda 2010. Als werde ich wohl für das ‚kleinere Übel stimmen. Auf keinen Fall will ich den Sturz des Kanzlers
das würde niemanden nützen."
"Wir wollen keinen Kanzler stürzen, das ist ja lächerlich."
Drei Stimmen zweimal von SPD-Bundestagsabgeordneten, einmal von der DGB-Vize-
Chefin Engelen-Kefer dreimal kleingeistige Verzweiflung. Wer politisch nichts zu bieten hat, hat es schon immer mit der "Kleinere-
Übel"-Masche probiert. Das Kanzlers Auftritte auf den aktuellen SPD-Regionaltreffen und sonstigen Sitzungen sind von nichts anderen
geprägt: "Wenn wir keine Mehrheit für die Agenda 2010 bekommen, dann holt sie sich diese wanders her", und die CDU ist sowieso
viel schlimmer.
Die "Kleinere-Übel"-Peitsche diszipliniert auch an fast allen anderen
Schauplätzen linker oder pseudolinker Politik, beim Marsch der PDS nach rechts und bei der Verwandlung der Grünen in eine militaristische
Öko-FDP oder auch in besonders reiner Form bei der Synthese von Rechts und Links durch die Antideutschen, denn in der Losung "Es gibt keine
bessere Alternative" treffen sich die Macher und die Zauderer, die Sachzwangverwalter und Mainstream-Ideologen. Dient die "Kleinere-Übel-
Theorie" den einen zur minimalen ideologischen Absicherung der Vollstreckung äußerer Vorgaben, so ist sie den anderen gierig eingesaugte
Ersatztheorie für ständiges Nachgeben und Anpassen.
In Wahrheit gibt es ein kleineres Übel nur als individuelles Auswahlkriterium.
Schröder hat mehr Mundgeruch als Fischer bspw. Die Kunst des politischen Überlebens all der "Realpolitiker" und TINA-Philosophen
besteht deshalb darin, kollektive Kämpfe, Auseinandersetzungen und Entscheidungsprozesse auf individuelle, persönliche Geschmacks- und
Geruchsfragen zu reduzieren. Sinnbild für solcherlei Reduktionen ist der durch Presse und Funk und Fernsehen geisternde "im Innern
zerrissene" Sozialdemokrat, PDSler oder Grüne, der gleichzeitig für und gegen den Krieg, für und gegen den Lohnraub ist. Das
Ergebnis von individuellen Kämpfen in Zeiten kollektiver Kämpfe ist immer tödlich, entweder als tödlicher Lernprozess, dass die
Betreffenden, weil nicht wissend wohin, sich nur wundern, wo sie angekommen sind, oder im buchstäblichen Sinne. Immer aber auch wird als
Schmierstoff eine kleine Hausmacherideologie der bürgerlichen Vernunft im Dienste eines Weltgeistes benötigt.
Wer die heutigen Konflikte jedoch als kollektive Kämpfe begreift, der ist nicht nur
objektiv näher an der Wirklichkeit der Klassengesellschaft und der Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen, sondern kennt
grundsätzlich kein kleineres Übel und wird es auch nicht kennen lernen. Es wird Sieg oder Niederlage geben, Macht und Gegenmacht, aber ein
Übel wird immer ein Übel bleiben, ob klein, ob groß oder aus Hannover kommend.
Für die kleinherzige Linke in SPD, Grüne und PDS mit ihren tapferen
Kämpfen gegen den noch weiteren Absturz ihrer politischen Identitäten ist deshalb eine Empfehlung für alle Zwecke zu geben: Wenn ihr
euch auf diese individualisierende Logik erst einmal eingelassen habt, wird das kleinere Übel euch zur Vorspeise nehmen. Und wenn ihr Glück habt,
kommt ihr dann so weg, wie in früheren Zeiten die Kriegsdienstverweigerer bei ihrer Gewissensprüfung vor der Militärkammer bei jeglicher
Antwort auf die legendäre Frage: "Was machen Sie, wenn Ihre Oma von einem Dutzend Russen angegriffen wird und Sie haben gerade ein G3-
Gewehr in der Hand?" Nämlich mit einer Zwangsdienstverpflichtung…
Thies Gleiss
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