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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2003, Seite 11

Streik in der ostdeutschen Metallindustrie

Aus Vier mach Sechs

In der sächsischen Metall- und Elektroindustrie geht der Streik um die Verkürzung der Wochenarbeitszeit in die dritte Woche, der Bezirk Berlin-Brandenburg ist seit einer Woche im Streik.
Was seine Länge angeht, gehört dieser Arbeitskampf damit schon bald in die erste Liga der Metallerstreiks. Zu den bestreikten Firmen zählen Bombardier (in Bautzen und Görlitz), VW-Sachsen, DaimlerChrysler Ludwigsfelde und mehrere Autozulieferer.
Die Auswirkungen reichen bis in den Westen: BMW und Audi kündigten an, in der kommenden Woche die Produktion zu drosseln. Angeblich wegen fehlender Zulieferteile. So kommt das alte Thema vom Kurzarbeitergeld bei streikbedingter Aussperrung wieder auf die Tagesordnung.
Trotz ihres 1998 gegebenen Versprechens hat die SPD/Grünen-Regierung immer noch keine Anstalten gemacht, das 1984 verhängte Verbot, im Falle eines Arbeitskampfs Kurzarbeitergeld zu zahlen (damals §116 AFG) wieder aufzuheben. Es bezieht sich auf den Fall, dass in nicht bestreikten Tarifbezirken Firmen wegen des Streiks Kurzarbeit anmelden müssen.
Während die Metaller noch streiken, ist der Kampf in der Stahlindustrie schon vorbei. Der Abschluss des Tarifvertrags zur 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Stahlindustrie ist leider kein Ruhmesblatt für die IG Metall.
In drei Schritten, 2005, 2007 und 2009, soll jeweils zum 1.April die Arbeitszeit gesenkt werden. Damit wären dann schlappe zwanzig Jahre sozialer Ungerechtigkeit und dicker Extraprofite für die Stahlbosse seit dem Ende der DDR verstrichen. Ein beschäftigungspolitischer Effekt bleibt fast ausgeschlossen.
Der Rhythmus der Rationalisierung und Arbeitsverdichtung wird diese Arbeitszeitverkürzung komplett in Form von wachsendem Stress auf die Beschäftigen abwälzen. Und damit den Unternehmern überhaupt nicht weh getan wird, wurde noch eine »Revisionsklausel« vereinbart, nach der vor jedem Verkürzungsschritt noch einmal die wirtschaftliche Situation bewertet wird. Im Streitfall kann notfalls eine Einigungsstelle diktieren, ob die Arbeitszeit weiter verkürzt werden darf oder nicht.
Die Erfahrungen mit der Einführung der 35-Stunden-Woche im Westen und die daraus folgenden innergewerkschaftlichen Diskussionen scheinen in den Köpfen der für diesen Abschluss verantwortlichen IG-Metall-Funktionäre keinerlei Spuren hinterlassen zu haben. Wenn die Arbeitszeitverkürzung auf die Erwerbslosenzahl einen Einfluss haben soll, dann muss sie heute schnell und radikal vollzogen werden.
Wenn Unternehmerboss Hundt vorschlagen darf, jeder Auszubildende solle sich seinen Platz und seinen Lohn mit einem anderen Lehrstellensuchenden teilen, dann steckt in dieser Provokation immerhin ein klares Bekenntnis, dass eine Neuverteilung der Arbeit auf alle, die arbeiten wollen, sehr wohl möglich ist.
Auch die IG Metall sollte heute fordern, dass die Arbeitszeit radikal verkürzt werden muss, besser noch, dass aus ungefähr vier Arbeitsplätzen sechs gemacht werden müssten. Dann ginge der Streit nur noch um den vollen Lohnausgleich. Ein solcher Kampf wäre attraktiv und lohnend.
Doch viel deutet darauf hin, dass die IG Metall in Ostdeutschland einmal mehr einen Kampf gewinnen will, ohne ihrem Gegner weh zu tun. Doch damit wird nur eine Flanke für die beispiellosen ideologischen Angriffe der Regierung, der »Wissenschaftler« und der Medien freigegeben.
Eine Ausweitung der Unterstützung für den Streik in Sachsen und Berlin- Brandenburg ist deshalb dringend erforderlich. In mehreren Betrieben bröckelt die Streikfront, und Streikbrecher, die wie bei Federal Mogul in Dresden auch mal »kostengünstig« mit Hubschraubern eingeflogen werden, schlagen auf die Stimmung der Belegschaften.
Bis auf verbale Solidaritätsadressen ist in den westdeutschen Bezirken noch nichts geschehen. Die unverschämten Propagandakämpfe der Unternehmer und ihrer Unterstützer Clement, Schröder, Merkel, Westerwelle usw. kennen dagegen keine Grenze. Da wird gleich munter die Brechung der Gewerkschaftsmacht und die staatliche Aufsicht über Urabstimmungen und Zwangsschlichtungen gefordert.
Es steht mit dem Kampf im Osten somit einiges auf dem Spiel. Es sollte alles getan werden, dass die IG Metall daraus einigermaßen als Sieger hervorgeht.

Thies Gleiss

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