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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2003, Seite 19

GATS

Ist Kunst eine Dienstleistung?

Glaubt man GATS, dem General Agreement on Trade in Services, so lautet die Antwort eindeutig ja. Aber das ist ja wenig erstaunlich — laut GATS ist ja von der Wasserversorgung über die Bildung und die Eisenbahn alles eine Dienstleistung und als solche durch den freien, internationalen Markt zu regeln. Wenn man die Welt nicht ganz so einfach sieht, fragt man sich aber trotzdem: Ist Kunst eine Dienstleistung? Und, wenn nein, was ist sie dann?
Im GATS finden sich drei Kategorien, die für Kunst und Kultur von Relevanz sind: Unterhaltungsdienstleistungen, inkl. Theater, Musikgruppen und Zirkus; Büchereien, Archive, Museen und sonstige kulturelle Dienstleistungen; audiovisuelle Dienstleistungen.
Was sind nun diese Folgen, was ist für Kunst und Kultur von GATS zu befürchten? Das Ziel von GATS ist bekanntlich die Liberalisierung des internationalen Handels mit Dienstleistungen. Dies bedeutet unter anderem, dass für in- und ausländische Anbieter die gleichen Bedingungen gelten müssen. Erhält also etwa ein österreichisches Museum eine Subvention, so müsste die Dependance eines amerikanischen Museums in Österreich gleichfalls eine Subvention erhalten — so die Tätigkeiten der beiden Museen als gleichartige Dienstleistung angesehen werden. Dies ist ein etwas künstliches und schwer vorstellbares Beispiel, eine realistischere Variante könnte so aussehen: Öffentlich finanzierte Büchereien bieten seit einiger Zeit auch Internetzugang an — eine Leistung, die im Sinne gleichen Zugangs zu Information auch sehr wichtig ist. Auf Grundlage dieses Angebots könnte nun allerdings der (ausländische) Betreiber eines Internetcafés argumentieren, dass auch er Anspruch auf öffentliche Finanzierung hat. Wobei sich daraus allerdings noch nicht automatisch ergibt, dass ihm in einem solchen Verfahren auch Recht gegeben wird. Und da diese Verfahren von den jeweiligen Regierungen zu führen sind, ist eine Flut von Klagen in diesem Zusammenhang ohnehin wenig wahrscheinlich. Denn schließlich geht es ja bei der ganzen Sache wesentlich ums Geldverdienen — und da ist weder bei Museen noch bei Bibliotheken besonders viel drinnen.
Anders sieht die Sache freilich im audiovisuellen Bereich aus, denn hier könnten sich für die US-Filmindustrie durchaus gute Möglichkeiten ergeben, gezielter für den europäischen Markt zu produzieren und dabei auch noch Anspruch auf nationale und europäische Fördergelder zu erheben. Dies würde wohl in weiterer Folge zur Abschaffung bestimmter Förderinstrumentarien und damit zu einer existenziellen Gefährdung der europäischen Filmindustrie führen, die ja ohnehin nur mühsam gegen die US-amerikanische Konkurrenz besteht. Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, dass das größte Problem für nationale Filmförderungen dadurch entstehen könnte, dass die EU nationale Filmförderungen mit maximal 50% der Gesamtproduktionskosten limitiert hat. Ausnahmen von dieser Regel sollen für »kleine und schwierige« Filme gelten — wobei die Mitgliedstaaten selbst festlegen können, was darunter zu verstehen ist. Nur aufgrund dieser Auslegungsmöglichkeit ist eine österreichische Filmproduktion überhaupt noch möglich, denn aufgrund der geringen Marktgröße kann kein österreichischer Film mit einer 50%igen Förderung produziert werden.
Wie bereits erwähnt sind auch im audiovisuellen Bereich von europäischer Seite keine Liberalisierungen vorgesehen, doch kann hier doch einiger Druck von US-amerikanischer Seite auf die EU erwartet werden. Aufmerksame Beobachtung ist hier also vonnöten — wie die letzten Monate zeigten, beeinflussen Proteste und breite Informationskampagnen von außen durchaus den Verlauf der GATS-Verhandlungen.
Allerdings sollte man dann auch gute Argumente bereit haben, warum GATS für Kunst und Kultur nicht geeignet ist. Während der Protest in den Bereichen Bildung und Grundversorgung in erster Linie demokratie- und sozialpolitische Argumente ins Treffen führt, berufen sich kulturpolitische Äußerungen zumeist auf kulturelle Diversität und die kulturelle Identität von Nationalstaaten. Aber gibt es denn so etwas wie eine nationale kulturelle Identität? Sehen wir nicht vielmehr viele, widersprüchliche und teilweise überlappende Identitäten, die teilweise auch durchaus grenzüberschreitenden Charakter haben? Und macht es wirklich Sinn, dass Kulturschaffende all ihre Hoffnungen auf die nationale Kulturpolitik richten?
Der Widerstand gegen GATS ist wichtig, auch im Kulturbereich. Denn auch wenn unmittelbare Folgen hier kurzfristig nicht zu erwarten sind, zeigt sich doch allein in der Form des Diskurses eine immer deutlichere neoliberale Ausrichtung, die das Ziel von Kunst und Kultur in erster Linie in ständig zunehmender Kommerzialisierung sieht. Doch der Widerstand sollte nicht aus einem nationalstaatlichen Kulturverständnis kommen, sondern aus einem antikapitalistischen Gesellschaftsbild, innerhalb dessen Kultur nicht als Hochglanzrepräsentation von Hochkultur verstanden wird, sondern als Teil einer demokratischen Öffentlichkeit, die für alle offen zu sein hat.

Monika Mokre

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