SoZ Sozialistische Zeitung |
Ein unumstößliches Gesetz der Filmgeschichte scheint zu sein, dass Fortsetzungen nie so gut sind wie der erste
Teil. Das galt für Alien ebenso wie für 2001 Odyssee im Weltraum. Während bei den genannten Filmen die Regisseure Ridley Scott
und Stanley Kubrick an den Fortsetzungen nicht mehr mitarbeiteten, ist Matrix reloaded ein originäres Produkt der Gebrüder Wachowski, die auch
schon für den ersten Teil verantwortlich zeichneten. Dieser erste Teil, schlicht Matrix genannt, hat es mittlerweile zum Kultfilm gebracht. Vor allem die
jüngeren Angehörigen der Fangemeinde haben ihn zum Teil zwischen fünfzig- und hundertmal gesehen.
In der Tat ist Matrix ein Film, dessen Reiz man sich schwer entziehen kann, wenn man sich
einmal darauf eingelassen hat, ihn mehrmals anzuschauen. Er wartet mit außergewöhnlichen Special Effects auf, bietet atemberaubende Stunts und
verquickt die Kampfkunst des klassischen »Eastern« mit einem Science-Fiction-Thema. Zugleich erzählt der Film eine interessante
Geschichte. Die Welt der Gegenwart ist nur Fiktion, ein Computerprogramm, das den Menschen eine Realität vorgaukelt, die schon lange nicht mehr
existiert, eine perfekte Täuschung. So scheint Matrix auch eine Emanzipationsgeschichte zu sein. Die Hauptfigur, Thomas Anderson alias Neo, wird die
Wirklichkeit bewusst gemacht. Diese Realität beinhaltet, dass die Welt von Maschinen beherrscht wird, die Menschen auf Plantagen anbauen und in
Kraftwerken als eine Art lebender Batterien verwenden.
Dass Neo zum »Auserwählten« gemacht wird, verkehrt die Geschichte von
der Emanzipation von der Herrschaft der Maschinen in eine quasi religiöse Erlösungsgeschichte, die evtl. auch wieder zur Herrschaftsideologie
taugt. An dieser Stelle könnten einem Stalin und andere »sozialistische« Despoten in den Sinn kommen, die eine emanzipative Theorie in eine
Herrschaftsideologie umwandelten. Der Film bietet also eigentlich keine Lösungen, sondern scheint eher eine Parabel über unsere Realität zu
sein.
In Matrix reloaded scheinen zunächst die Schwächen von Matrix ihre Fortsetzung
zu finden. Zion, der Ort, an dem die letzten nicht von Maschinen beherrschten Menschen leben, wird im ersten Teil nur erwähnt, im zweiten Teil wird es
gezeigt. Eine wirklich positive Utopie ist es nicht. Einerseits scheint es eine Techno-Hippie-Kommune zu sein, die in einem einer unbekannten Gottheit
geweihten Tempel, Gottesdienste im Stil der Love Parade feiert. Andererseits ist die bürgerliche Kleinfamilie noch völlig intakt. Politisch wird das
Gebilde von einer Gerontokratie alter Hippies, die sich in einem »Senat« (das lateinische Wort senatus bedeutet »Rat der Alten«)
versammeln, ziemlich autoritär regiert. Aufgrund des langen Krieges gegen die Maschinen trägt das Ganze auch Züge einer
Militärdiktatur mit klaren Hierarchien und dem Prinzip von Befehl und Gehorsam, die an die »Sternenflotte« aus Star Treck erinnern.
Dabei bleibt es aber zum Glück nicht. Die Highlights des Films sind die
Gespräche Neos mit dem »Orakel« und dem Programmierer der Matrix. Darin werden viele scheinbare Gewissheiten aus dem ersten Teil
nachhaltig in Frage gestellt. Es sind die einzigen langen Dialogszenen im Film, aber das aufmerksame Zuhören lohnt sich zumindest für die, denen
es nicht nur um Action geht. Ansonsten bietet der Film noch mehr und noch ausgefeiltere Special Effects, noch waghalsigere Stunts und noch schöner
choreografierte Martial-Arts-Szenen als der erste Teil. Wenn man einmal von Zion absieht, kommt man, wenn man es mag, in dem Film auf jeden Fall auf seine
Kosten.
Agent Smith, jenes von dem australischen Schauspieler Hugo Weaving dargestellte
»intelligente Kontrollprogramm«, das als eine sehr reizvolle Mischung aus James Bond, Men in Black, Blues Brothers und was seine
unversöhnliche Feindseligkeit angeht Alien daherkommt, erlebt in Matrix reloaded eine wunderbare Vermehrung. Diese Figur, die den
»Helden« Neo auf unnachahmlich höflich-feindselige Art und Weise kontinuierlich »Mr.Anderson« nennt und dem selbst im
schlimmsten Kampfgetümmel zwar vielleicht mal die Sonnenbrille zerbricht, aber niemals die Krawatte verrutscht, ist eigentlich am stärksten
kultverdächtig.
Den Fans der Matrix braucht man den Film vermutlich nicht zu empfehlen. Allen, die Action
auf höherem Niveau erleben wollen, sei er empfohlen, am besten im Doppelpack: Zuerst Matrix und dann Matrix reloaded. Wer dann noch mehr
über die Vorgeschichte und einige Nebenaspekte wissen will, kann sich ja noch die neun Kurzfilme der Reihe »Animatrix« zu Gemüte
führen, die aber leider nur auf DVD und Video zu haben sind.
Andreas Bodden
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