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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2003, Seite 22

Wider die No-Future-Politik

Das Erste Österreichische Sozialforum

Im Schatten des Medienrummels um den heraufziehenden Streik fand Ende Mai in Hallein bei Salzburg das Erste Österreichische Sozialforum — Austrian Social Forum (ASF).
Es war ein politischer Kongress fast aller zivilgesellschaftlicher Kräfte, die in den vergangenen Jahren gegen Fremdenhass, Sozialabbau und den Krieg im Irak auf die Straße gegangen waren, der etwa 1500 Menschen in die Salinenstadt führte, um die Hintergründe für die zukünftigen Handlungsstrategien auszuloten.
»Wir wenden uns gegen Angriffe auf soziale Rechte, die Daseinsvorsorge, den Sozialstaat und das öffentliche Eigentum, wie sie von der Regierung, der EU und den internationalen Finanzinstitutionen ausgehen.« Dieser lapidare Satz deutet schon an, worum es den Vertretern von etwa 150 sozial engagierten, aber parteiunabhängigen NGOs, Gewerkschaftern und Aktivisten sozialpolitischer Initiativen zu tun war. »Wir weigern uns einfach, das menschenverachtende Spiel mit der Arbeit, den Pensionen und der Arbeitslosigkeit weiter mitzuspielen«, erklärte Maria Hinterlehner, eine Angehörige der Arbeitsloseninitiative »Am Sand«.
Menschen wie sie gab es viele: altgediente Aktive aus den 70er Jahren und junge frische Gesichter einer Generation, für die »No Future« kein Fremdwort ist. Sie wollen endlich eine Welt frei von Kriegen und Ausweisungen derer sehen, die zu ihren Opfern geworden sind. Sie alle wollen, dass »die Globalisierungsverlierer zu den Nutznießern einer zukünftigen Gesellschaft werden«.
Mit mehr als 175 Veranstaltungen, zu denen acht Konferenzen, Dutzende gleichzeitig stattfindende Seminare, Blitzkurse (sog. »Infotheken) und sogar ein voll durchprogrammiertes Festival des sozial engagierten Films (die sog. »Normale«) zählten, war das Erste Österreichische Sozialforum ein großer Erfolg. Das bescheinigten die Meinungsumfragen zu Programmgestaltung, Organisationsgrad und sachlicher Kompetenz der Referenten. Bemerkenswert war auch die Tatsache, dass auf den Podien der Konferenzen ausnahmslos Geschlechterpartität und der sog. »migrantische Zugang« bestand. Darunter verstehen die Organisatoren die Tatsache, dass jedes Thema auch aus dem Blickwinkel derer betrachtet werden soll, die in einem anderen kulturellen Milieu aufgewachsen waren.
Aus anderen politischen Kulturen kamen auch die Gäste aus Ungarn, Deutschland, Indien, Thailand, Frankreich, Italien und dem arabischen Raum, unter denen sich u.a. namhafte Sozialwissenschaftler und Aktivisten verschiedener sozialer Bewegungen befanden.
Nur einer, auf den viele gewartet hatten, kam nicht: Jean Ziegler, der Schweizer Schriftsteller und UNO-Sonderbotschafter gegen den Welthunger, der sein neuestes Buch (Die neuen Herrscher der Welt) vorstellen wollte. Der in Genf ansässige, scharfzüngige Kritiker des internationalen Finanzkapitals musste fürchten, von der Schweizer Polizei angesichts der bevorstehenden Demonstration von mehr als 100000 Menschen gegen den G8-Gipfel nicht wieder in sein Land gelassen zu werden. Die italienische Polizei hatte zu diesem Zeitpunkt schon den aus Italien stammenden Demonstranten die Einreise verweigert.
Ebenso wie in den Dörfern rund um Evian wurden auch in Hallein die zahlreichen Diskussionsveranstaltungen von den Medien kaum wahrgenommen. Sie wachten erst auf, als sich die Diskutanten in Demonstranten verwandelten. In Hallein wurde eine Fahrspur auf der Tauernautobahn eine halbe Stunde lang besetzt; der Generalsekretär der Eisenbahnergewerkschaft, Wilhelm Haberzettl, sprach »gegen Transithölle und Sozialabbau«.
Wenige Stunden nach Abschluss des Sozialforums trat die Versammlung der sozialen Bewegungen zusammen, die verschiedene Resolutionen annahm: eine gemeinsame Abschlusserklärung mit dem Titel »Soziale Rechte verteidigen und für eine andere Welt einreten!«, eine Erklärung des »Feministischen Forums des ASF«, eine Solidaritätsbotschaft an die Demonstranten in Evian und der »Jakarta-Friedenskonsens« — der erst kürzlich in der indonesischen Hauptstadt verabschiedete Strategieentwurf der weltweiten Antikriegsbewegung.
Die Bevölkerung von Hallein beobachtete diese Events mit Gelassenheit. Wie die ÖVP-Gemeinderätin Eva Habersatter-Lindner in ihrer Schlussansprache bemerkte, waren die Halleiner zunächst etwas misstrauisch und verunsichert. »Es war eine Probe des gegenseitigen Kennenlernens und Vertrauen Gewinnens, die wir bestanden haben«, sagte sie. Der Bürgermeister von Hallein hatte die Saline als Tagungsort zur Verfügung gestellt und auch sonst den Ablauf des Sozialforums organisatorisch unterstützt.

Leo Gabriel

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