SoZ Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2003, Seite 20

»Topf Secret«

BND

Secret. Die Geheimrezepte des Bundesnachrichtendienstes, Bonn: Varus-Verlag, 108 Seiten, 19,80 Euro.

»Du, du — du kleiner Gourmet du!« Klingt irgendwie falsch. Richtig! Denn der Refrain des Schlagers der Gruppe »Mini-Sex« aus den 80er Jahren lautete: »Du kleiner Spion, du!« Trotzdem hat die Verballhornung des Liedtextes jetzt ihre Berechtigung. Denn der Präsident des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning, hat offensichtlich seine Seelenverwandtschaft mit dem römischen Feldherren Lucullus entdeckt. Anders ist die Herausgabe eines Kochbuchs samt einer im gleichem Design wie das Cover gehaltenen Schürze durch die Agentenzentrale in Pullach schwer erklärbar.

Das eben erschienene Ringbuch steht unter dem Motto »Speisen, Spannung und Spione«. Die darin enthaltenen »Geheimrezepte« werden passionierte ebenso wie Hobbyköche erfreuen. Die weltweit tätigen deutschen Agenten haben nämlich für sie leckere Kochanweisungen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrads aus aller Herren Länder zusammengetragen. Die Bandbreite reicht vom Apfelhefekuchen mit Streusel aus Deutschland bis zu Beef Rendang aus Malaysia, Khatchapuri aus Georgien. Selbst der Irak ist in Zeiten wie diesen mit Tabule, einem Petersiliensalat, vertreten. Der Begleittext kommentiert: »Aufgrund der politischen Entwicklung seit 1990 ist das Land für Touristen kaum zugänglich. Die Bevölkerung leidet unter den Auswirkungen des Embargos. Viele Menschen können sich mittlerweile nur noch die Grundnahrungsmittel leisten.«
Garniert wird dieses Rezeptpotpourri mit dem »Apfelkuchenlied« von Reinhard Mey sowie mit realen und fiktiven Stories aus der Welt des Nachrichtendienstes. Aufgabe der Leser ist es, mittels nachrichtendienstlicher Analyse Erfundenes von wirklich Erlebtem zu trennen. Jeder sein eigener kleiner Spion, sein Miniatur-007 mit der Lizenz zum Häferl-Gucken!
Für eine erste Fact-Finding-Mission des Intelligence Service in den Gefilden der Phäaken ist das vorliegende Ergebnis zumindest passabel. Natürlich fehlen einige Rezepte, die sich jedem wirklichen Kenner der Materie geradezu aufdrängen. Zum Beispiel die Zubereitung von »Brauner Suppe« nach den deutschen Kriegskochbüchern zu entnehmenden Originalanweisungen: »In einem Dekagramm Fett werden geriebenes Wurzelwerk, Zwiebel und zerhackte Knochen braun geröstet, sodann mit beliebig Wasser aufgegossen und schließlich eine Stunde gar kochen.« Bei einer Neuauflage wäre daher ein Briefing durch pensionierte Mitarbeiter der Vorläuferorganisation des BND, der »Abteilung Fremde Heere Ost«, bekannt auch als »Organisation Gehlen«, dringend anzuraten.
Auch die deutsche Meisterspionin Mata Hari müsste bei dieser Gelegenheit unbedingt in den Text eingebaut werden, vielleicht mit einem Rezept. Empfehlen würde sich eine Eigenkreation. Gleich ein konkreter Vorschlag aus dem Bereich der erotischen Pharmazie: Das Fleisch eines Siebenschläfers fein hacken, mit Salz, Pfeffer und Liebstöckl würzen, diese Masse in einen anderen Siebenschläfer füllen und im Rohr braten. Dazu vielleicht ein Ragout mit Hoden von Hähnen, mit Salz und etwas gestoßenem Koriander gewürzt und in »Liebfrauenmilch« gegart…
Bei Abdruck einer der hingerichteten deutschen Spionin gewidmeten Kochanleitung ließe sich zudem noch einfach ein Link zwischen der Nackttänzerin Margaretha Gertruida Zelle und der Herausgeberin des Buches Ruth Hanning herstellen. Die Gattin des Präsidenten des BND könnte etwa in einer Reihe mit prominenten Filmdiven, die sich als Mata Hari versucht haben, abgebildet werden: Asta Nielsen (1921), Greta Garbo (1931), Jeanne Moreau (1964), Louise Martini (1966), Carmen de Lirio (1068), Zsa Zsa Gábor (1972), Helena Kallianiotes (1974), Sylvia Kristel (1985), Shanna McCollough (1989), Sue Witheridge (1999)… Ein weiterer Triumph des Gendermainstreaming!
Aber bereits nach der Erstauflage von Topf Secret steht für den Rezensenten eines fest: Der BND will uns einkochen, und zwar nicht nach dem traditionellen appertschen Verfahren, bei dem die Produkte zunächst in Dosen eingelötet und erst zum Fertigmachen dem siedenden Wasser einer Bain-Marie ausgesetzt werden. Dr.August Hanning und seine Mannen bevorzugen die modernen Bearbeitungsmethoden in transparenten Rexgläsern.

Fritz Keller

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