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Wir leben in einer Traumwelt. Mit einem kleinen, rationalen Teil unseres Gehirns sehen wir, dass unsere Existenz durch
materielle Zwänge bedingt ist und dass sich unser Leben mit ihnen ändert. Darunter liegt die tiefe Schicht des Halbbewusstseins, das gefangen vom
Augenblick genommen wird, in dem wir leben. Hier, nicht in der Welt der Vernunft, liegt unser wirkliches Dasein.
Unsere Träume werden die Bedingungen für menschliches Leben auf der Erde
zunichte machen. Wären wir geleitet von der Vernunft, würden wir heute auf die Barrikaden steigen, die Fahrer aus ihren Range Rovers und Nissan
Patrols zerren, die kohlebetriebenen Elektrizitätswerke besetzen und von den Politikern eine dramatische Umkehr unseres ökonomischen Lebens
fordern. Stattdessen stöhnen wir über die Hitze und träumen von Ferien in Island.
Natürlich können wir nicht sagen, dass die Rekordwerte, die die Temperaturen in
Europa in diesen Wochen erreicht haben, das Ergebnis der globalen Erderwärmung ist. Aber wir können sagen, dass sie den Vorhersagen der
Klimaforscher entsprechen. Das Metereologische Institut bestätigte dieser Tage erneut: »Alle unsere Modellrechnungen legen nahe, dass sich solche
Ereignisse in Zukunft häufen werden.« Im Dezember sagte das Institut voraus, dass 2003, bedingt durch den Klimawechsel, das wärmste Jahr
aller Zeiten werden würde. Vor zwei Wochen belegte dessen Forschungszentrum das Steigen der Temperaturen auf allen Kontinenten als Folge des durch
Menscheneinwirkung bedingten Klimawechsels, natürliche Einwirkungen durch Sonnenflecken oder Vulkanaktivität könnten nicht
verantwortlich gemacht werden.
Im vergangenen Monat verkündete die internationale Meteorologenorganisation WMO:
»Der Temperaturanstieg ist im 20.Jahrhundert wahrscheinlich größer gewesen als in jedem anderen Jahrhundert in den letzten 1000
Jahren«, dabei habe sich »der Trend seit 1976 etwa um das Dreifache der gesamten vorhergehenden Periode beschleunigt«. Die WMO sieht
im Klimawechsel die Erklärung nicht nur für die Rekordtemperaturen in Europa und in Indien, sondern auch für die Häufigkeit von
Tornados in den USA und die Flutkatastrophen in Sri Lanka.
Natürlich gibt es weiterhin Menschen, die leugnen, dass sich die Erde überhaupt
erwärmt, oder solche, die dies mit rein natürlichen Phänomenen erklären wollen. Ihre Glaubwürdigkeit ist unter Fachleuten
inzwischen kaum höher als die von Leuten, die behaupten, Rauchen verursache keinen Krebs.
Der Klimawechsel hat im letzten Jahrhundert zu einem durchschnittlichen Anstieg der
weltweiten Temperatur um 0,6 Grad geführt. Unter Klimaforschern ist Konsens, dass die Temperaturen im 21.Jahrhundert um 1,4 bis 5,8 Grad steigen
werden also zehnmal soviel. Einige Klimaforscher nehmen sogar einen Anstieg um 710 Grad an, weil der Rückgang der
Industrieemissionen in Zukunft abflacht.
Wir reden hier nicht über das Ende unserer Ferien in Sevilla. Wir reden über das
Ende der Bedingungen, die den meisten Menschen ein Leben auf der Erde ermöglichen.
Ein Klimawandel dieser Größenordnung wird die Produktivität der Erde
zerstören und bedeutet u.a. das Ende von Bewässerungskulturen. Winterhochwasser und die Verdunstung der Bodenfeuchtigkeit im Sommer wird
ähnliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft in regenreichen Gebieten haben. In den heißeren Gegenden werden die Menschen dahinwelken wie
die Ernte. In Indien gab es in diesem Sommer 1500 Hitzetote. Das gibt einen Vorgeschmack auf den notwendigen Exodus aus Gebieten, die bislang als
bewohnbar galten…
Wir legen unser Vertrauen in die Technologie. In einer Zeit, in der Wissenschaft ebenso als
Autorität gilt aber ebenso unergründlich ist, wie Gott es einst war, schauen wir auf ihre Ergebnisse wie die Menschen im Mittelalter auf die
göttliche Vorsehung. Irgendwie wird »sie« die Geräte entwickeln, die unsere Probleme lösen: die Windkraftwerke,
Sonnenkollektoren oder Staudämme und uns dabei versichern, dass wir unseren Lebensstil nicht ändern müssen.
Die Durchsetzung dieser Technologien auf breiter Skala wird jedoch erst stattfinden, wenn es
sich kommerziell lohnt. Aber dann ist es zu spät. Und selbst dann könnten wir unseren derzeitigen Lebensstandard nur halten, wenn wir jeden
Quadratmeter Land und Meer mit solchen Geräten bedecken. Anders gesagt: Wenn wir die Lenkung unserer Politik dem Markt überlassen, sind wir
erledigt. Nur wenn wir anfangen, unser Wirtschaftsleben und unsere Nachfrage zu kontrollieren und unseren Energieverbrauch um 10 oder 20% senken,
können wir die Katastrophe verhindern. Das erfordert drakonische Regulierungen, Rationierung und Verbote alles Maßnahmen, die unsere
heutige Politik verbietet, weil sie den Träumen folgt. Wir werden erst aufwachen, wenn wir unsere tiefsitzende Unvernunft entthronen und zulassen, dass
ihre Macht von rationalem und vorrausschauendem Denken usurpiert wird. Werden wir dazu fähig sein oder traumwandeln wir auf dem Pfad der
Selbstauslöschung?
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