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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2003, Seite 4

»Gott ist kein Bundeskanzler«

Kolumne von Jakob Moneta

In einem ausführlichen Interview wurde der katholische Theologe Eugen Drewermann nach dem Zusammenhang von Weltfrieden und Gesellschaftsfrieden gefragt. Seine Gegenfrage lautete: »Wie ist es nur möglich, den Aberglauben zu züchten, man könne das agressivste aller denkbaren Wirtschaftssysteme unterhalten, aber am Ende als Resultat Frieden erhalten?«
Durch die Notwendigkeit der kapitalistischen Wirtschaft, Investitionen vorzufinanzieren, entstünde ein permanenter Druck auf Unternehmer zu einer hohen expansiven Wirksamkeit, aber auch durch die strukturelle Unmenschlichkeit des Systems, meinte Drewermann und erklärte: »In einer Wirtschaft, die wesentlich auf Konkurrenz beruht, wird es keinen Unternehmer geben, der nicht davon überzeugt wäre, zum Erhalt seiner Firma die Nachbarfirma in den Ruin treiben zu müssen. Das aber geht nur, indem er selbst möglichst preisgünstig produziert. Zum einen muss er also die Rohstoffe möglichst billig einkaufen, sprich: Er muss Länder der Dritten Welt, die nur ihre Bodenschätze anzubieten haben, systematisch abkoppeln von der Entwicklung der Ersten Welt. Zum anderen muss er den Faktor Arbeit möglichst billig halten. Kapitalismus und Arbeitslosigkeit, Verelendung der Dritten Welt und Raubbau an den natürlichen Ressourcen sind nicht voneinander zu trennen.«
Auf die Frage, was er seinem Gott am wenigsten verziehen habe, antwortete der katholische Theologe: »Ich habe jene Theologen nie verstanden, die erst angesichts der Brutalität von Menschen gegen Menschen wach wurden. — Ja, wie sollen wir denn als Menschen sein nach dieser Art Evolution?«
»Ganz Verrückte erklären ja, der Teufel hätte die Welt durcheinander gebracht«, meinte der Interviewer, und Drewermann darauf: »Dann wäre Gott in der Situation des Bundeskanzlers, der schöne Pläne hat, dem aber die Opposition ständig die Tour vermasselt — so einer wäre ja wohl kein Gott.«
Es wäre ja wohl zu viel verlangt von der rot-grünen Regierung, die versucht, ihre eigene Opposition mundtot zu machen, sich zu Herzen zu nehmen, was ein abtrünniger katholischer Theologe ihnen anzubieten hat. Aber zumindest könnte man von der PDS-Führung verlangen, auf ihre Theoretikerin Christa Luft zu hören. Sie meint, dass »die täglich in diesem Land von zig Millionen gemachte Erfahrung die Dringlichkeit überzeugender mobilisierender Alternativen in und zum Kapitalismus unterstreicht«.

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