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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2003, Seite 12

Ein neues Dach für Deutschlands Linke

Zweites Treffen der Freundinnen und Freunde der EAL

Zum zweiten Treffen der Freundinnen und Freunde der Europäischen Antikapitalistischen Linken in Deutschland fand sich am 9.August in Frankfurt ein diesmal bereits erweiterter Kreis von etwa drei Dutzend Personen zusammen.
Neben teils offiziell delegierten, teils individuell das Projekt unterstützenden Mitgliedern von isl, DKP, PDS, Linksruck, SAV, RSB und dem Jugendverband Solid waren zahlreiche in Zusammenhängen wie Attac Aktive oder an neuer Aktivität Interessierte erschienen, die den Termin der linken Presse entnommen hatten und ihrer Hoffnung auf die Herausbildung einer politischen Alternative Ausdruck verliehen.
Diese neue Zusammensetzung trug dazu bei, dass die auf dem ersten Treffen im Mai anvisierte Perspektive auf ein Bündnis zur Europawahl 2004 modifiziert wurde. Prinzipiell, so schilderte Hugo Braun (DKP) den Diskussionsstand auf der letzten EAL-Konferenz in Athen, ergeben sich für die EAL europaweit drei mögliche Optionen: Entweder die Vereinigte Linke im EU-Parlament (GUE/NGL) öffnet sich in Richtung EAL zwecks Bildung einer europäischen linken Wahlliste, oder die EAL formiert sich in Konkurrenz zur GUE als europäische Linkspartei, oder sie betreibt eine europaweite inhaltliche Kampagne, mit der sie die Kandidaturen der Linksparteien kritisch begleitet.
Eine zentrale Schwierigkeit liegt darin, dass die stärkste und strahlkräftigste unter den an der EAL beteiligten Organisationen, die italienische Rifondazione Comunista (PRC), ihre Zusammenarbeit mit den traditionellen »Bruderparteien« in der GUE nicht aufgeben möchte, obwohl einige von diesen, etwa die PDS oder die französische KP, innerhalb der GUE am rechten Rand stehen und bspw. für die von PRC-Sekretär Fausto Bertinotti geforderte Kampagne gegen den Stabilitätspakt nicht zu gewinnen sind.
Der Prozess der Um- und Neugruppierung der Linken steht erst am Anfang. Inhaltliche Übereinstimmungen wie Trennungslinien ergeben sich in vielen Fragen nicht mehr aus historischen »Identitäten«, ohne dass allerdings die überkommenen Bezugssysteme bereits durch neue abgelöst wären.
Ebenso mühsam wie die Formierung einer neuen Kraft auf europäischer Ebene gestaltet sich die Konstruktion eines gemeinsamen Dachs für Deutschlands Linke. Seitens der DKP konnte Sekretariatsmitglied Leo Mayer zwar wohlwollende Aufgeschlossenheit mitteilen, aber der Informations- und Diskussionsprozess ist in der Partei noch kaum in Gang gekommen. In der linken PDS- Gruppe Geraer Dialog, so berichtete deren Sprecher Winfried Wolf, wird dagegen immer noch dem Verbleib als oppositionelle Plattform in der PDS der Vorrang eingeräumt.
Kontrovers gestaltete sich die Diskussion über die von Manuel Kellner (isl) vorgelegten »Eckpunkte« einer Wahlplattform. Dabei überkreuzten sich Meinungsverschiedenheiten zu einzelnen Inhalten und zum Gesamtcharakter des Dokuments: Soll es der Präsentation nach außen oder der Selbstverständigung dienen? Muss es darum gehen, ein detailliertes »Programm« vorzulegen, oder liegt die vorrangige Aufgabe in der Hinführung einer neuen Generation an linke Positionen zu grundlegenden gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen? Unterschiedliche Verhaltensweisen wurden deutlich: Mitglieder der DKP und derisl gehen pragmatisch aufeinander zu, während Vertreter der Kaderorganisationen SAV und RSB eher auf Grundsatzpositionen und Distanz beharren. Der Absicht, die EAL in Deutschland durch eine programmatische Erklärung bekannt zu machen, hielt Thomas Seibert, Redakteur der Zeitschrift Fantômas, entgegen, ein im Stil eines Parteiprogramms gehaltenes Dokument gehe sowohl an den Diskussions- und Aktionszusammenhängen der Basisstrukturen der radikalen Linken, die zu den Politikmodellen der Traditionslinken kaum noch Bezüge haben, als auch an den Bedürfnissen derjenigen, deren Unzufriedenheit mit den bestehenden Zuständen sich in »Politikverdrossenheit« niederschlägt, vorbei. Nicht an Fragen wie der Einschätzung des Nationalstaats, sondern an sozialen Auseinandersetzungen sei anzusetzen.
So ergab sich eine Verschiebung von der Frage der Europawahl in Richtung auf allgemeinere Aufgaben einer Neuformierung der antikapitalistischen Linken. Gegen das Argument, eine Kandidatur zur Europawahl sei ein relativ risikoloses Experimentierfeld, standen Warnungen vor einem Kräfteverschleiß mit bedeutungslosem Ergebnis. Das letzte Wort zum Wahlverhalten ist noch nicht gesprochen. Vereinbart werden konnte indes eine künftige Koordination von Aktivitäten: Gemeinsame Veranstaltungen und gemeinsame Infostände mit den Theoriezeitschriften der beteiligten Gruppierungen sowie die Herausgabe einer Broschüre über die EAL sind beabsichtigt, eine Internetpräsenz und eine Mailingliste werden in Zukunft informieren und Diskussionsmöglichkeiten bieten. Ein nächstes Plenum soll am 10.Januar in Berlin stattfinden, einen Tag vor der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration.

Henning Böke

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