SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2003, Seite 7

»Um den Schlaf gebracht«

Ex-Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch über die PDS

Das Interview führte Sascha Kimpel für die SoZ.

Der Putsch in der PDS von Bisky & Co gegen den Geraer Vorstand ist nun schon einige Monate her. Wie geht es dir inzwischen persönlich?

Wäre ich Romantiker und nicht historischer Materialist, würde ich wahrscheinlich »bestens« sagen. Im privaten und persönlichen Umfeld läuft alles hervorragend. Die gesellschaftliche Realität kann man am prägnantesten mit einem Zitat von Heinrich Heine charakterisieren: »Denk ich an Deutschland in der Nacht, werd ich um den Schlaf gebracht.« Die neoliberale Politik von Rot-Grün ist schauderlich. Die Menschen werden in diesem Land um ihre Rechte gebracht. Gesellschaftliche Gegenmacht zeigt sich nur schwach. Die gesellschaftliche Entwicklung beunruhigt mich tief.

Du als Bundesgeschäftsführer und andere wollten, dass die PDS eine andere Entwicklung nimmt. Welche genau?

Die PDS hat nur als gesamtdeutsche, oppositionelle, antikapitalistische Kraft eine Zukunft. Links von SPD und Grünen ist die politische Gestaltungsmöglichkeit für eine sozialistische Kraft so frei wie selten in der Geschichte. Rot-Grün hat mit einem neoliberalen Umbauprogramm begonnen, die strukturelle Krise des Kapitalismus auf Kosten der unselbstständig Tätigen lösen zu wollen. Dabei nimmt die rot-grüne Bundesregierung bewusst in Kauf, dass immer größere Teile der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Aufgrund der ökonomischen Entwicklung des Kapitalismus — er befindet sich mitten in der ökonomischen und gesellschaftlichen Umbauphase der strukturellen Überakkumulation — müssen Sozialistinnen und Sozialisten mit einer klaren, antikapitalistischen Politik gesellschaftliche Gegenmacht gegen diese destruktiven Kräfte entwickeln. Berliner Sparkommissare und moderntheoretische Ausführungen werden die PDS jedoch in eine bundespolitische Sackgasse führen.

Warum ist euch ein solcher alternativer Politikentwurf nicht gelungen?

Nach der Bundestagswahl ging es darum, die PDS inhaltlich und organisatorisch auf Bundesebene zu restrukturieren. Fast überall wurde über das Ende der PDS geschrieben. Die PDS war bei 3—4% Umfragewerte gefangen. Hier mussten wir ansetzen, um die PDS offensiv aus dieser Krise zu führen. Das war uns in ersten Schritten gelungen. Anfang Mai hatte die PDS bei drei von fünf großen Meinungsforschungsinstituten die 5%- Hürde erreicht. Trotzdem mussten wir selbstkritisch reflektieren, dass die PDS in den meinungsprägenden Medien nicht vorkam. Dies hat sich bis heute nicht verändert.
Ein Grund hierfür war sicherlich auch, dass die inhaltlichen Positionen der PDS immer weniger als klarer politischer Gegenentwurf zu den bürgerlichen Parteien wahrgenommen wurden. Die PDS war und ist kein Impuls- und Theoriegeber in den wichtigen politischen Debatten. Aufgrund der relativ biederen Darstellung der Partei erscheint sie langweilig und kulturell überflüssig.
Der Versuch von Teilen des Parteivorstands, die PDS oppositioneller, bewegungsorientierter oder einfach nur in Form und Inhalt lebendiger zu gestalten, wurde von Anfang an von wichtigen Funktionsträgern der Partei torpediert. Es gab und gibt in der PDS- Führung zwei völlig verschiedene Politikkonzepte. Auf der einen Seite die zu stark auf Regierungsbeteiligung, Parlamentarismus und SPD fixierten Teile der PDS-Führung, auf der anderen Seite Politikkonzepte, die die Zukunft linker Parteien durchaus als starke parlamentarische Kraft verstehen, jedoch politische Durchsetzungsfähigkeit von linken Politikansätzen nur durch eine außerparlamentarische, in Bewegungen und Organisationen verankerte Partei sehen. Dieser zweite Ansatz ist auf den erbitterten Widerstand viele PDS-Parlamentarier gestoßen, die hierin die Gefährdung ihrer bisherigen Positionen sahen.

In deiner Zeit als Bundesgeschäftsführer hattest du ja viel Einsicht in die PDS-Strukturen, was fiel dir auf? Wie funktioniert die PDS?

Die PDS ist heute noch weit von einer modernen sozialistischen Partei für Gesamtdeutschland entfernt. In der Basis der PDS liegt durchaus die Chance, mit ihren Traditionen und Erfahrungen ein starkes sozialistisches Projekt zu entwickeln, jedoch wird die PDS von einer kleinen Gruppe dominiert und faktisch geführt. Basisorientierte Aktionen und die inhaltlich ausgeprägten Arbeitsgruppen spielen in der Theoriebildung der PDS eine völlig untergeordnete Rolle.
Eine sozialistische Partei hat jedoch nur eine Zukunft als mitgliederorientierte Volkspartei, in der Diskussionen und Politikformen von außerparlamentarischen Bewegungen aufgenommen und integriert werden. Die PDS müsste sich zu einem intellektuellen und kulturellen Ideengeber für diese Gesellschaft entwickeln, die durch gesellschaftliche Debatten, Widerstandsformen und politische Angebote den neoliberalen Mainstream grundsätzlich in Frage stellt. Hiervon ist die PDS jedoch noch weit entfernt. Einer der großen Probleme des alten Vorstands war, dass er es nicht geschafft hat, diese Strukturen zu verändern.

Wie siehst du die Zukunftschancen für die PDS?

Eine PDS als Juniorpartner der SPD hat in Deutschland keine Existenzberechtigung. Ein ostdeutsches Projekt PDS wird keine linke zukunftsfähige Partei schaffen. Deshalb halte ich die Integration der westdeutschen Landesverbände in die internen Entscheidungsgremien für überlebensnotwendig. Ob dies mit dem neuen Vorstand gelingen wird, ist offen.

Du hast sicher vom Projekt der Europäischen Antikapitalistischen Linken (EAL) gehört? Kann das Projekt zu einer ernsthaften antikapitalistischen Alternative werden?

Die bisherigen Versuche, auf europäischer Ebene internationale Vernetzungen zu schaffen, sind aus sehr unterschiedlichen Gründen stecken geblieben. Ich denke, dass die EAL mittelfristig in Europas Linke eine wichtige Rolle bekommen kann, wenn es ihr gelingt, als Teil europäischer fortschrittlicher Bewegungen zu agieren und sich als Netzwerk für eine pluralistische Linke anzubieten. Trotzdem zeigt sich — auch aus der Schwäche der Linken in allen europäischen Staaten heraus — ein anderer Trend. In Italien, Frankreich und Griechenland verhandeln die verschiedenen linken Parteien über gemeinsame Bündnisse, z.T. auch mit den sozialdemokratischen Parteien, um die Hürden in die Parlamente zu schaffen. Hier wird sich zeigen, ob die EAL diesen Diskussionen eine grundsätzlich andere Richtung geben kann. Im Interesse linker Politik wünsche ich mir das durchaus.

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