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Nur wenigen der linken Organisationen und Parteiversuchen, die Ende der 60er Jahre in Westdeutschland das Erbe der
antiautoritären Jugend- und Studentenrevolte übernehmen wollten, ist es bisher vergönnt, als Thema einer universitären Einzelstudie
und Doktorarbeit, geadelt zu werden. Gut zehn Jahre nach seiner letztlich formellen Auflösung, ist dies einer der erfolgreichsten »K-
Gruppen«, dem Kommunistischen Bund (KB), widerfahren. Michael Steffen hat eine Studie vorgelegt, die auch über den üblichen
akademischen Rahmen hinaus Verbreitung findet.
Der Autor der vorliegenden Rezension ist befangen: von den 20 Jahren der KB-Geschichte hat
er 15 als aktiver Mit- und Wettstreiter aus den Reihen einer mit dem KB konkurrierenden, und obendrein »trotzkistischen«, Organisation in
Hamburg, dem alles überragenden Zentrum der KB-Aktivitäten, miterlebt, die restlichen Jahre dann vom Main und Rhein aus begleitet. Bereits 1976
war er Mitherausgeber eines kritischen Büchleins, Wohin treibt der Kommunistische Bund?. Es wird deshalb wohl ein Kompliment sein, wenn bei der
Lektüre der KB-Studie nur ganz selten ein Gefühl des »Nein, das war ganz anders!« aufkam.
Die Arbeit von Michael Steffen ist eine akribische Studie auf der Basis umfangreicher
Auswertung von öffentlichen und internen Texten des KB und über den KB und zusätzlich vielen Interviews mit Mitgliedern der Gruppe. Sie
ist dennoch lebendig geschrieben und gibt einen spannenden Einblick in eine Episode der Linken, die auch heute noch bemerkenswerte Nachwirkungen und
Einflüsse hat.
Zu den Kuriosa der westdeutschen Geschichte gehört, dass die rebellische Jugend der
60er Jahre, die sich gegen Autoritäten in Elternhaus, Betrieb, Schule und Universität ebenso auflehnte wie gegen das Kartell des Schweigens
über die deutschen Verbrechen im Faschismus und Weltkrieg, nach dem Abflauen der APO und »Studentenbewegung« scharenweise
ausgerechnet in Organisationen strömte, die sich an den dunkelsten Kapiteln der Arbeiterbewegung, an Stalinismus, »Bolschewisierung«,
Personenkult, ErziehungsdiktaturundGesinnungsterror orientierten. Es waren zutiefst autoritäre Organisationsstrukturen mit einer ähnlichen Kultur
von Beschönigung und Unterdrückung kritischer oder abweichender Meinungen, wie die zuvor bekämpfte. Helmut Dahmer spricht in diesem
Zusammenhang vom »psychischen Thermidor« der an der Revolte Beteiligten. Die Zahl derer die sich in den, vom dummen Buch des Gerd Koenen
als »unser rotes Jahrzehnt« bezeichneten, Jahren, solchen Gruppen wie dem KBW, der »KPD«, KPD/ML oder KABD (später
MLPD) anschlossen, geht in die Zehntausende.
Auch der KB war eine solche Organisation, die sich in der Tradition des »Marxismus-
Leninismus« und der »Mao-Tse-Tung-Ideen« sah. Auch er verstand unter »revolutionärer Partei« straff organisierte, von
oben nach unten gelenkte Vereine, die mittels solch stumpfer und dumpfer Verfahrenskodizes wie »Kampf zweier Linien« oder »Kritik,
Selbstkritik, Einheit« zusammengehalten werden. Aber während die übrigen »K-Gruppen« ihr Überleben für ein paar
Jahre dadurch sicherten, dass sie immer mehr eine sektentypische Scheinwelt schufen, die sowohl unangreifbar für den wirklichen Gang der Dinge als
auch für die verrücktesten Zickzacks ihrer »Vaterländer« China oder Albanien war, versuchte der KB einen anderen Weg.
Seine zwanzigjährige Geschichte lässt sich in der Formel
zusammenfassen:Versuch,trotz der maostalinistischen Selbstbeschränkung und der revolutionären Pose in der realen Welt politikfähig zu
werden. Ihn ehrt einerseits, dass er im Zweifelsfall immer der Realität vor der verschrobenen Ideologie den Vorzug gegeben hat. Aber gleichzeitig ist er
damit auch mehr als die meisten anderen linken Organisationen dafür in die Verantwortung zu nehmen, dass mit der Anpassung an die politischen
Möglichkeiten auch regelmäßig wichtige politische Prinzipien einer revolutionär-sozialistischen Strategie mit über Bord gingen.
Das ideologische Gleitmittel des KB in seinen erfolgreichen Aufbaujahren war die
»Theorie« der »Faschisierung von Staat und Gesellschaft«. Damit konnte die Organisation emotional zusammengehalten werden und
gleichzeitig auch jede Niederlage oder jede Verzögerung im revolutionären Prozess beliebig erklärt werden. Diese »Theorie«
erlaubte es dem Kommunistischen Bund einen Mittelweg zwischen den skeptischen und libertären undogmatischen Sozialisten und
»Trotzkisten« einerseits und dem mit »obligatem Optimismus« und »Die-Massen-wollen-nach-links«-Überschwang
hantierenden Tirana- und Peking-Gruppen einzuschlagen.
»Faschisierung«, das hörte sich nach Verschwörung der Bourgeoisie
an, gegen die man sich fest zusammenschließen musste, aber gleichzeitig auch nach kleinen Schrittchen, verdau- und bekämpfbaren Angriffen, zu
denen vom Berufsverbot bis zum Gewerkschaftsausschluss und SPD-Parteiregiment alles zusammengeworfen werden konnte. Dass damit in Wahrheit gar nichts
erklärt wurde, dämmerte dem KB erst Ende der 80er Jahre und da war es dann zu spät.
In den 70er Jahren gelang es damit und mit der bürokratischen Organisationsform, eine
der größten linken Gruppen, mit 2500 Mitgliedern und noch mal so vielen Sympathisanten, mit mehr als 120 Betriebskadern oder gar Betriebszellen
und einer Zeitungsauflage von fast 25000 Exemplaren aufzubauen. Speziell in Hamburg war der KB eine kleine linke Macht.
Der KB teilte mit allen »ML-Vereinen« die fatale Etappentheorie der Entstehung
von politischem Bewusstsein. Daraus folgte die Konzeption des »demokratischen Kampfes« als angeblich erste Etappe des kommunistischen
Aufstands, und KB-spezifisch als elementarer Widerstand gegen die »Faschisierung«. Dies und seine Bereitwilligkeit zu schnellen
politischen Manövern und Öffnungen, wenn die Wirklichkeit sich zu drehen begann, brachte den KB schließlich an sein Ende und auch zu den
vielleicht am schwersten wiegenden politischen Fehlern der »neuen Linken« in der Nachkriegszeit:
Als mit dem Aufkommen von neuen politischen Massenbewegungen gegen die Atomenergie
und gegen die Kriegsgefahr die »neue Linke« erstmals wirkliche Massenpolitik entfalten konnte und musste, war es in erster Linie der KB, der die
ursprünglich von rechts eingebrachte Idee einer Verparlamentarisierung von links aufgriff und die Bildung von »demokratischen«, bunten
Wahllisten forcierte.
In der Folge davon zerbrach der KB in einen Flügel, der diese
»Wahlbewegung« als demokratische Kampfetappe konservieren wollte mit einer kommunistischen Konspiration an ihrer Seite, und in einen
Flügel, der über den kurzen Umweg einer straff leninistisch begründeten Entrismustaktik bei den Grünen, schnellstens bei der
Überzeugung landete, dass die grüne Version des Reformismus schön und zeitgemäß und die kommunistische Organisation
überflüssig sei. Diese von letztlich beiden Flügeln des KB stellvertretend seien die Namen Heiner Möller, Thomas Ebermann,
Ulla Jelpke, Jürgen Reents, Andrea Lederer, Reiner Trampert genannt zu verantwortende Fehlorientierung einer ganzen Generation von Linken in
die grüne Partei, prägt bis heute die politischen Handlungsfelder der Linken.
Dass als eine besondere Kombination von »Faschisierungstheorie« mit der
Verarbeitung dieser Fehlorientierung heute eine hanebüchene Strömung wie die »Anti-Deutschen« Anhänger findet, hat sowohl
politisch-historisch als auch personell seine Begründung ebenfalls in der Geschichte des KB und seines Zerfalls.
Die Studie von Michael Steffen nimmt zu dieser Entwicklungsgeschichte des KB mehr
kritische Position ein, als von einer Dissertation erwartet werden kann, aber dennoch angenehm dezent. Sie ist damit gut geeignet eine unvoreingenommen
bilanzierende Debatte über die »neue Linke« und die Lehren der 70er Jahre zu befruchten oder einzuleiten. Sie verdient viele Leser.
Thies Gleiss
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