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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2003, Seite 2

In eigener Sache:

»analyse & kritik« (ak) contra SoZ?

Bei seiner Suche nach »anti-israelische[n] Gewaltfantasien und andere[n] Dummheiten« bei Linken, »die sich als israelkritisch verstehen«, aber »ebenfalls mörderische Gewalt zu akzeptieren bereit sind«, ist der ak-Redakteur Jens Renner (ak- Kürzel »Js.«) in ak 476 (September) erneut auch auf die SoZ im Allgemeinen und mich im Besonderen gestoßen. Bereits ein Jahr zuvor hat sich Renner mit einem bemerkenswerten Produkt politischer Denunziation hervorgetan, als er in ak 465 die SoZ als ganze in die aggressiv antisemitische Ecke zu stellen versuchte und mich als Autor und verantwortlichen Redakteur sogar zum Holocaust-Verharmloser stempelte. Aus alter Verbundenheit — in den 90er Jahren gab es eine enge Kooperation von SoZ und ak — habe ich mich damals auf eine solidarisch argumentierende Entgegnung in ak 467 (November) beschränkt und ihm sachlich begründet die Produktion eines typischen Amalgams aus »wahrheitswidrigen Behauptungen, Unterstellungen und Suggestionen« vorgeworfen.
Dass es sich bei seiner damaligen Invektive gegen die SoZ nicht, wie damals von meinen SoZ- Kollegen und mir angenommen, um einen Ausrutscher handelte, zeigt sich nun. Erneut hat Renner ein bemerkenswertes Amalgam aus Behauptungen, Unterstellungen und Suggestionen aufgeboten, um die SoZ im Allgemeinen und mich im Besonderen in die antisemitisch/antiisraelische Ecke zu stellen.
Da es Renner offensichtlich nicht gelingt, auch nur ein Zitat oder eine Argumentation meinerseits anzuführen, die meine oder der SoZ Erwähnung in seinem Beitrag gegen die gewaltfantasierenden »Antizionisten« rechtfertigen könnte, ergeht er sich diesmal vollends in haltlosen Spekulationen. Ich hätte, so der wirklich bemerkenswerte Vorwurf, in meinem SoZ-Gespräch mit dem linken Publizisten Ludwig Watzal (SoZ 6/03) die falschen Fragen gestellt und Watzal nicht nach seiner vermeintlich falschen Auffassung zum Zionismus und seinen Vorstellungen einer bewaffneten Friedenstruppe für Israel/Palästina befragt. So wie ich im letzten Jahr verschwiegen hätte, dass »Möllemanns angebliche Israel-Kritik eine faschistoide Gewaltfantasie enthält, mit der er Selbstmordattentate gegen jüdisch-israelische ZivilistInnen de facto rechtfertigt«, habe ich mich diesmal erneut mangelnder revolutionärer Wachsamkeit schuldig gemacht und dem bösen gewaltfantasierenden Antizionisten Watzal nicht wie weiland Andrej Wyschinski seine faschistoide Fratze vom Gesicht gerissen.
Wohl wissend, dass dieser »Vorwurf« noch keinen Bannspruch gegen mich und die SoZ rechtfertigen kann, fährt Renner mit der entscheidenden Frage fort: »Hat der Interviewer hier nicht nachgefragt, weil sich Watzals Ansichten über den Zionismus mit seinen eigenen decken? Entspricht Watzals Position gar dem SoZ-Konsens?« Diese beiden »Fragen« sind in der Tat der ganze »sachliche« Kern für sieben ak-Spalten SoZ/Jünke-Bashing und konstruieren (ohne dies wirklich zu behaupten) einen Zusammenhang, der deutlich denunziatorisch aufgeladen ist. Da Renner in all meinen SoZ-Beiträgen zum Thema offensichtlich keine Bestätigung für seine Unterstellungen gefunden hat, benutzt er einen weiteren Taschenspielertrick und fährt unmittelbar fort: »Diese Vermutung liegt nahe, wenn man sich an die SoZ-Debatte des Jahres 1997 erinnert.«
Also: Weil ich einem Gesprächspartner bestimmte Fragen nicht stelle, offenbare ich mein Einverständnis mit dessen Positionen zu den nichtgefragten Themen. Und dass dies einem inhaltlichen Konsens der gesamten SoZ-Redaktion entspricht, begründet Renner damit, dass die SoZ 1997 kontrovers über eine Schweizer Gegentagung zum Theodor-Herzl-Jubiläum (»Hundert Jahre Zionismus«) gestritten hat und im Neuen ISP Verlag (»der mit der SoZ nicht nur die Adresse gemeinsam hat«) im Jahre 1998 das Buch zur Tagung erschienen ist, in dem »grobschlächtige Abgrenzungen vom ›Zionismus‹ [stehen]«.
Was ist dies alles anderes als grobschlächtige Kaffeesatzleserei? Was ist dies anderes als ein geradezu lachhaftes Amalgam klassischen Zuschnitts?
So hanebüchen also die Ausführungen von Renner sind, so fehlt es ihnen doch nicht an Logik. Je mehr sich die früher allzu bereitwillig tolerierten antideutschen Linken zu Reaktionären reinsten Wassers häuten, und je mehr der Nahostkonflikt politisch und militärisch erneut eskaliert, desto mehr wächst bei jenen, die beidem politisch hilflos gegenüber stehen, der Bedarf, sich ihrer Ohnmacht durch die Festigung von Feindbildern zu vergewissern. Es kommt dabei bekanntlich nicht auf den oder die Angegriffenen selbst an. Das sind nur die Pappkameraden, mit denen das eigene Milieu auf Linie gebracht, mit denen diskursive Positionen tabuisiert werden sollen, denen sachlich zu begegnen man nicht gewachsen ist. Die neue »Theorie« vom unbewussten, intentionalen Antisemitismus taugt für solcherart »Schaustücke revolutionärer Wachsamkeit« ausgezeichnet. Dass sie den Nachteil hat, jede rationale Debatte, jede kommunikative Vernunft auszuhebeln, wird dabei billigend in Kauf genommen.
Bei »Bahamas«, »Konkret«, »Jungle World« oder »iz3w« haben wir uns bereits daran gewohnt. Bei ak scheinen wir uns nun auch daran gewöhnen zu müssen. Hat die ak-Redaktion im letzten Jahr eine entsprechende Entgegnung noch abgedruckt, so hat sie sie diesmal verweigert — bisher. Der »Fall Renner« also ein »Fall ak«? Wirklich schade!

Christoph Jünke (verantwortl.Redakteur der SoZ)

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