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»Happy, happy«, singt Ellen Klinghammer, und meine Nachbarin, eine Malerin aus Nantes, flüstert mir die Worte nicht
verstehend- zu: »Sie ist aber sehr traurig.« Die meisten Lieder, die wir an diesem Abend zu hören bekommen, haben durchgehend einen
melancholischen Unterton. Wenn sie etwas wütender werden, scheinen die Läufe auf dem Klavier, an dem sich Ellen Klinghammer selbst begleitet,
wieder versöhnen zu wollen. Werden die Anschläge auf die Tasten härter, kontrastiert die Stimme samtweich.
Am 23.Oktober vollendete die Frankfurterin ihr 24.Lebensjahr, seit 18 Jahren spielt sie bereits
Klavier. Wenn sie spielerisch über die Tasten streift, wirkt die Musik gleichzeitig aufgeladen. Die Widersprüchlichkeit, die so entsteht, fordert
aufmerksames Zuhören um Nuancen nicht zu verpassen.
Ellen Klinghammer hat ihre erste CD veröffentlicht. Studioaufnahmen aus den Jahren
1997/98 und 2001/2002 werden ergänzt durch eine Live-Aufnahme aus dem Jahr 2003. Wolkenähnlich prangt ihr Name auf dem Schwarz-
weiß-Cover auf dem sie vom Beobachter wegschauend ebenso skeptisch fragend wie ihre Lieder in die Landschaft blickt. Am rechten unteren Rand steht
verschämt »Demo« und schon wieder eine Frage: »Ist das der Titel oder soll signalisiert werden, dass es sich hier um eine
Demoaufnahme handelt?« Zum Auftakt gibt es »Think«, Christopher Herrmann begleitet Ellen Klinghammer am Cello und trägt das
Klavier noch etwas weiter fort von der Stimme und fügt die beiden dennoch zu einer Einheit zusammen. Versöhnlich und spannend zugleich klingt
das Cello, wenn die Sängerin Angst hat, völlig verschluckt zu werden.
Wie auch in den anderen sechs Liedern des Debütalbums der Künstlerin geht es
hier um so etwas wie: Fühlend denken und denkend fühlen. Auf der CD gesellen sich mal ein Bass und ein Drumcomputer, mal eine Gitarre und
andere Keyboards, dann wieder Cello und Schlagzeug zu Stimme und Klavier. Persönlich gefällt mir »8000 km« am besten, weil hier
die spannenden Widersprüchlichkeiten am ausgeklügelsten präsentiert werden.
Bei jungen Künstlerinnen und Künstlern sucht man ja bewusst oder unbewusst
Elemente, in denen sie an bekanntere Größen erinnern, die dann als Orientierungsanker und Messlatte zugleich für die Kritik herhalten
können. »Ein bisschen Tori Amos, ein Hauch von Björk, und doch ganz sie selbst«, war in einer Konzertkritik zu lesen. Andere
vergleichen sie auch noch mit Susanne Vega, erzählt Ellen Klinghammer, während sie ihre Anlage zusammenpackt. Ich füge noch Tanita
Tikaram hinzu und schon wird deutlich, dass Orientierungspunkte genau so gut zur Verwirrung beitragen können. Es zeigt aber auch, dass hier jemand auf
dem Weg ist, auf dem ein eigener Stil heraus gearbeitet wird, der sicherlich nie ganz fertig werden kann und soll. Der dennoch im ein oder anderen Abschnitt an
andere Künstlerinnen erinnert, aber immer als eigener Pfad wahrgenommen werden sollte. Auf jeden Fall lohnt es sich genau zuzuhören, auch wenn
wir uns noch am Anfang dieses Weges befinden.
Einen eigenen Weg geht Ellen Klinghammer auch bei dem Vertrieb ihrer Demonstration. Auf
ihrer Website (www.ellen.blendemedia.de) sind MP3-Dateien zum Download abrufbar, die zum Teil nicht auf der CD zu hören sind. Außerdem
kann man die CD hier bestellen. Der Vertriebsweg führt sicherlich auch direkt zur Diskussion um den Niedergang der großen Major-Labels, deren
Heulen und Wehklagen über zurückgehende CD-Verkäufe immer wieder in die Behauptung münden, dass so weniger junge
Künstlerinnen und Künstler gefördert werden könnten. Die CD und die Auftritte von Ellen Klinghammer zeigen, dass sie damit
völlig daneben liegen, und dass wir mitten in einer Umstellung der Wege des Kunstwerks von der Künstlerin zum Kunstliebhaber sind. Das Konzert
und der Internetvertrieb sind da nur zwei Elemente, die aber in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden dürfen.
Thomas Schroedter
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